Pestizide für die Zuckerproduktion: Rübenbauern wollen „Bienenkiller“

Ein Zuckerverband beantragt, das Pestizid Thiamethoxam benutzen zu dürfen. Dabei hat die EU es wegen seiner Risiken für Bienen im Freiland verboten.

Lutbild eines Rübenroders.

Ein Rübenroder im Einsatz bei der Zuckerrübernernte 2021 Foto: Philipp Schulze/dpa

Berlin taz | Deutsche Zuckerrübenbauern wollen eine Ausnahmegenehmigung, um auch 2022 ein von der EU wegen Risiken für Bienen verbotenes Pestizid einzusetzen. „Wir haben das wieder beantragt, weil es immer noch keine Alternative gibt“, sagte eine Sprecherin des Verbands Wirtschaftliche Vereinigung Zucker der taz. Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liegt nach eigenen Angaben ein Antrag auf Notfallzulassung für ein Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide vor.

Es handele sich um ein Insektizid mit dem Wirkstoff Thiamethoxam, so der Verband Süddeutscher Zuckerrübenanbauer. Genau dieses Mittel und sein Abbauprodukt Clothianidin – ebenfalls ein Neonikotinoid – hat sich in Teilen Frankens unkontrolliert ausgebreitet, nachdem mit dem Stoff ummantelte Zuckerrübensamen ausgesät worden waren.

Eigentlich hat die EU 2018 verboten, Thiamethoxam und Clothianidin im Freiland auszubringen. Mehrere Studien hatten gezeigt, dass diese Pestizide Bienen schädigen. Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Das betrifft nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Wasserorganismen. Da immer mehr Insektenarten aussterben, wollte die EU das nicht länger hinnehmen.

Doch das der noch amtierenden Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) unterstellte BVL erteilte mehrere Notfallzulassungen. Die EU-Pestizidverordnung erlaubt solche Ausnahmen, wenn sich eine „Gefahr“ nicht anders abwehren lässt. Die „Gefahr“ war in diesem Fall eine Blattlaus, die durch Saugen die Pflanzen mit verschiedenen Vergilbungsviren infiziert. Die Blätter verfärben sich gelblich, die Photosynthese stockt, und die Rübe verkümmert. Das kann die Ernte erheblich schmälern.

Thema bei Verhandlungen über Ampelkoalition

Die deutschen Zuckerrüben­bauern argumentieren, die meisten ihrer Konkurrenten im EU-Ausland dürften ebenfalls Saatgut mit Neonikotinoiden einsetzen. Da die Rüben vor der Blüte geerntet werden, würden sie nicht von Bienen angeflogen und seien deshalb keine Gefahr für diese Insekten.

Bienen würden jedoch das sogenannte Guttationswasser aufnehmen, das die Pflanzen über die Blätter ausscheiden können, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, der taz. Wenn Mitgliedstaaten das Verbot durch ständige „Ausnahmen“ unterliefen, müsse die EU-Kommission einschreiten. Die Risiken durch Thiamethoxam seien wissenschaftlich belegt.

„Ich werde mich bei den Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen, dass es keine Notfallgenehmigungen mehr für Neo­nikotinoide in Deutschland gibt, nach den Ergebnissen aus Bayern erst recht nicht“, so Häusling, der an den Gesprächen zwischen SPD, Grünen und FDP über die neue Bundesregierung teilnimmt.

Dass sich Zuckerrüben auch ohne Neonikotinoide oder ähnlich wirkende chemisch-synthetische Insektizide anbauen lassen, zeigen dem Umweltinstitut München zufolge Öko-Landwirt:innen. Sie würden zum Beispiel die natürlichen Fressfeinde der Grünen Pfirsichblattlaus fördern. Allerdings ernten Biobauern pro Hektar weniger als konventionelle.

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