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Studie zeigt gestörte WärmeregulierungGlyphosat beeinträchtigt Hummeln

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat kann Honigbienen stark zusetzen. Nun haben Biologinnen den Effekt des Herbizids auf Erdhummeln untersucht.

Besser ohne Glyphosat: Erdhummel beim Sammeln Foto: picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Konstanz/Ulm dpa | Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat könnte den Bruterfolg von Hummeln gefährden. Einer deutschen Studie zufolge kann das Herbizid dazu führen, dass Erdhummeln die Temperatur im Nest schlechter aufrechterhalten, wenn das Nahrungsangebot knapp ist. Ohne ausreichende Wärme sei die Brut in Gefahr und damit das Überleben des gesamten Wildbienenvolkes, schreibt das Team im Fachblatt Science.

In den vergangenen Jahren haben Studien wiederholt Hinweise darauf ergeben, wie Glyphosat auf Honigbienen wirkt – etwa auf die kognitiven Fähigkeiten oder auf das Immunsystem. Aber wenig ist bislang über die Auswirkungen des Herbizids auf die fast 20.000 Wildbienen-Arten bekannt.

Nun untersuchte das Team um die Biologin Anja Weidenmüller von der Universität Konstanz Dunkle Erdhummeln, eine der größten und häufigsten Hummelarten in Deutschland. Es richtete im Labor 15 Hummelkolonien ein, die jeweils durch ein Netz in zwei Hälften geteilt waren: Die Futterbox der einen Hälfte enthielt reines Zuckerwasser, während das Zuckerwasser der anderen Hälfte mit Glyphosat versetzt war.

Wie die Gruppe beobachtete, wirkte die Glyphosat-Exposition nicht direkt tödlich auf die Insekten. Allerdings waren diese Kolonien schlechter darin, die Wärmeregulierung im Nest aufrechtzuerhalten, wenn das Nahrungsangebot eingeschränkt war. Für eine optimale Entwicklung der Brut müssen die Temperaturen im Nest zwischen 28 und 35 Grad Celsius liegen.

„Hummelkolonien stehen unter einem sehr hohen Druck, in kurzer Zeit möglichst schnell zu wachsen“, wird Weidenmüller in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Könnten sie die notwendige Bruttemperatur nicht halten, entwickle sich die Brut langsamer oder gar nicht. Das schränke das Wachstum des Volkes ein: „Erst wenn sie in der relativ kurzen Wachstumsphase eine bestimmte Koloniegröße erreichen, sind sie in der Lage, die geschlechtsreifen Individuen einer Kolonie, also Königinnen und Drohnen, hervorzubringen.“

Die Insekten erzeugen die Wärme, indem sie ihre Flugmuskeln kontrahieren. Das kostet viel Energie, weswegen vor allem diese Zeit eng mit dem Nahrungsangebot verknüpft ist. Wurde dieses im Experiment eingeschränkt, sank die Fähigkeit der Hummeln zur Thermoregulation um 25 Prozent. „Sie können ihre Brut nicht mehr so lange warmhalten“, fasst Weidenmüller zusammen.

Kleine Effekte, große Wirkung

Für den Biologen Vincent Doublet von der Universität Ulm ist das ein bedeutsames Ergebnis, denn die Wärmeregulierung sei bislang von der Forschung vernachlässigt worden. „Die Studie zeigt, dass kleine Effekte auf individueller Ebene große Folgen für die gesamte Kolonie haben können“, sagt Doublet, der nicht an der Arbeit beteiligt war.

Wie Glyphosat diesen Effekt erziele, sei noch unklar. Eine Studie mit Honigbienen habe gezeigt, dass das Herbizid deren Darmflora verändere und sie anfälliger für bestimmte Krankheitserreger mache. „Es liegt nahe, dass sich Glyphosat auch auf das Mikrobiom von Hummeln auswirkt und zum Beispiel dafür sorgt, dass sie Nährstoffe schlechter verwerten können und somit schwächer werden“, spekuliert der Biologe.

Da der Unkrautvernichter bei Honigbienen kognitive Fähigkeiten beeinträchtige, seien ähnliche Effekte auch bei Hummeln denkbar: „Sie könnten schlicht nicht merken, dass die Temperatur im Nest fällt.“ Letztlich könnten verschiedene Mechanismen auch zusammenspielen.

Die Studie zeigt für Doublet, dass Unkrautvernichtungsmittel nicht unbedingt direkt tödlich für Insekten sein müssten, um dramatische Konsequenzen zu entfalten. Bisher stütze sich die Zulassung solcher Mittel oft auf Versuche mit gut gefütterten Honigbienen, die unter besten Bedingungen lebten. Komplexe Wechselwirkungen unterschiedlicher Stressfaktoren wie Nahrungsangebot, Wetter und Krankheitserreger würden so nicht erfasst.

Hauptautorin Weidenmüller betont: „Die Kombination aus Ressourcenknappheit in gerodeten Agrarlandschaften und Pestiziden kann ein massives Problem für die Fortpflanzung der Bienenvölker darstellen.“ Neue Pestizide müssten vor einer Zulassung genauer untersucht werden.

Bislang werde nur geprüft, wie viele Tiere binnen 24 oder 48 Stunden nach der Fütterung oder dem Kontakt mit einer Substanz gestorben sind: „Subletale Effekte, also Wirkungen auf Organismen, die nicht tödlich sind, sich aber zum Beispiel in der Physiologie oder im Verhalten der Tiere bemerkbar machen, können erhebliche negative Auswirkungen haben und sollten bei der künftigen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigt werden.“

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3 Kommentare

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  • Na, da wird Bayer wohl jetzt tausende von Studien fördern und aus dem Boden stampfen, die zeigen dass dieser Effekt von mannigfaltigen anderen Faktoren ebenso verursacht wird und Glyphosat nur eine untergeordnete Rolle spielt.

    Ebendiese Taktik hat der Tabakindustrie ja über Jahrzehnte sehr erfolgreich "den Arsch gerettet". Leider fällt mir der Fachbegriff für diese Taktik grade nicht ein.

    • @Bolzkopf:

      Das betrifft ja nicht nur die chemische oder die Tabakindustrie, ich durfte mich aus persönlichen Gründen mit dem Thema der Tobacco Harm Reduction (zu gut Deutsch Schadensminimierung bei Tabakkonsum) beschäftigen, und siehe da, auch die Pharmaindustrie mischt kräftig mit vielen Junk Science Studien mit. Das Phänomen tritt immer dann auf, wenn es um den Profit geht.

    • @Bolzkopf:

      Der Fachbegriff heißt lügen, lügen, lügen.