piwik no script img

Hungerstreik wegen der KlimakriseSie hungern weiter

Den Klimaaktivist*innen, die sich seit 17 Tagen in Berlin im Hungerstreik befinden, geht es stetig schlechter. Auf ihre Forderungen gehen die Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht ein.

Der Aktivist Jakob befindet sich seit 17 Tagen im Hungerstreik Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Seit 17 Tagen befinden sich sechs junge Menschen in einem unbefristeten Hungerstreik in Berlin. Die Ak­ti­vis­t*in­nen berichten bei einer Pressekonferenz von ihrem Gesundheitsstatus und Reaktionen auf ihren Streik. Sie hätten viel Solidarität erfahren, aber viele Menschen machten sich auch große Sorgen um ihre Gesundheit. Die Ak­ti­vis­t*in­nen können bei der Pressekonferenz nur sitzen, berichten von einem großen Ruhebedürfnis und Gewichtsverlusten. „Uns geht es zunehmend schlecht“, sagt der 20-jährige Aktivist Rumen. Die jungen Menschen wirken entkräftet und müde, sprechen langsam und teilweise unkonzentriert. Sie hätten Schmerzen und ihnen werde regelmäßig schwarz vor Augen.

Nachdem bereits die Kanzler*innenkandidat*innen die Streikende aufgefordert haben, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, appellierte auch Regierungssprecher Steffen Seibert an die Aktivist*innen: „Da macht man sich dann schon Sorgen“, sagte Regierungssprecher Seibert am Mittwoch in Berlin. „In der politischen Debatte um den Klimaschutz, die die wichtigste ist, die wir haben (…), ist jeder Vorschlag willkommen, jeder Ansatz. Aber bitte, ohne sich selbst dabei zu gefährden“, fügte er hinzu.

Am Dienstag war ein 27-Jähriger Aktivist nach zwei Wochen Hungerstreik in die Berliner Charité eingeliefert worden. Seibert wünschte ihm eine gute Besserung. Nach Angaben der Organisatoren war er ohnmächtig geworden und über einige Zeit nicht ansprechbar. Nach seiner Entlassung aus der Klinik teilte der Streikende am Mittwochnachmittag bei der Pressekonferenz der Ak­ti­vis­t*in­nen mit, dass er den Hungerstreik entgegen der Empfehlung der Ärtztin fortsetzen wolle.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen fordern ein Gespräch mit den drei Kanzlerkandidaten – Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) noch vor der Bundestagswahl. Ein Angebot für Einzelgesprächen nach der Wahl lehnten sie ab. Entscheidend sei ein ehrlicher öffentlicher Austausch über die Klimakrise im Wahlkampf, sagte die Sprecherin Hannah Lübbert.

Dafür habe man die drei Kan­di­da­t*in­nen nun für den 23. September um 19.00 Uhr eingeladen. Der Hungerstreik gehe so lange weiter, bis alle drei zugesagt hätten. Baerbock, Scholz und Laschet hatten die Forderung nach einem öffentlichen Gespräch abgelehnt, da sie die Protestform des Hungerstreiks nicht angemessen finden, so zitieren es die Ak­ti­vis­t*in­nen aus einem gemeinsamen Antwortschreiben der Politiker*innen.

Die zweite Forderung der Teil­neh­me­r*in­nen ist die Einrichtung eines Bürgerrats, der über Sofortmaßnahmen gegen den Klimawandel entscheiden soll.

Die Beteiligten leben in einem Camp in der Nähe des Reichstagsgebäudes. Von ursprünglich sieben Ak­ti­vis­t*in­nen im Hungerstreik hatte eine junge Frau vergangene Woche aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. (mit dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Mahatma Gandhi hat damals eine Weltmacht mit Hungerstreiks besiegt, aber unsere Politiker, mit deren hohen ethischen Maßstäben wir gut vertraut sind, finden "die Protestform des Hungerstreiks nicht angemessen".

    • @Ataraxia:

      Was angemessen ist, hängt ja auch davon ab, wie die reale Lage ist.

      Und die reale Lage ist viel, viel bedrohlicher, als viele wahrnehmen. Selbst ich, der eine wissenschaftliche Ausbildung hat und im Bereich Erneuerbare Energien gearbeitet habe, habe lange nicht voll mit bekommen, welches Ausmaß die Bredouille hat.

      Hier ist ein Interview mit Hans-Joachim Schellnhuber. (Wem der Name nichts sagt: Das ist *der* renommierteste deutsche Klimaforscher, Gründer des Potsdam Instituts für Klimaforschung, der das Konzept der begrenzten CO2 Budgets entwickelt hat.)

      Hier das Video, es ist 20 Minuten lang, aber ich finde für naturwissenschaftlich interessierte Laien gut verständlich.

      Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber mir geht es so, ich möchte schreien, wenn ich das sehe. Das ist nur noch erschreckend. Für mich als Physiker bedeuten diese Grafiken und sachlichen Worte pures Entsetzen.

      Schellnhuber zeigt darun die Kipppunkte im Klimasystem. Einen haben wir ganz sicher schon gerissen - das sind die großen tropischen Korallenriffe, die zugrunde gehen. Andere erleben wir gerade oder sind höchstwahrscheinlich kurz davor zu erleben - wie das Schmelzen der Gebirgsgletscher weltweit oder das Schmelzen des arktischen Seeeises im Sommer. Wir erleben auch ein Beginn des Tauens des Permafrost.

      Was daran so äußerst bedrohlich ist, viele der Kipppunkte sind erst bei 3 bis 4 Grad als wahrscheinlich vorhergesagt, aber wir haben gerade ein weltweites Mittel von 1 Grad passiert und erleben klare Anzeichen davon.

      Wenn wir das Pariser Klimaziel von 1.5 Grad überschreiten, sagt Schellnhuber, kann man nicht genau voraussagen was passiert. Das System wird chaotisch und es wird Dominoeffekte geben.

      Wenn wir "Business as usual" machen, landen wir bei über 8 Grad und, das sagt er, ist das sichere Ende unserer Zivilisation.

      Man hat Greta Thunberg und den FFF Aktivisten vorgeworfen, dass sie alarmistisch seien. Sind sie nicht. Sie sind lediglich informiert über den Stand der Dinge.

    • @Ataraxia:

      Es ist sehr löblich, aber völlig unpassend, die Jugendlichen mit Gandhi zu vergleichen.

      Gandhi war zum Zeitpunkt des Hungerstreiks schon sehr populär und wusste große Teile der Bevölkerung hinter sich. Aber ohne Superlativ, und als solchen sehe ich Gandhi, geht es bei vielen eben nicht mehr.

  • Würde mich nicht zu einem Gespräch erpressen lassen. Grundsätzlich nicht.



    Außerdem melde ich mich zu dem Bürgerrat. Ist doch Geil Sachen entscheiden zu dürfen ohne demokratische Legitimation…

    • @Andi S:

      Den Vorwurf der Erpressung habe ich auch in anderen Kommentaren und sozialen Netzwerken schon gesehen. Ich find ihn hanebüchen.

      Grundsätzlich erst mal, kann man Leute nicht zu etwas erpressen, was sie selber wollen. Nun sagen alle Kandidaten, dass sie mehr Klimaschutz wollen, also worum geht es?

      Letztlich wollen die Politiker gerade etwas von uns, den Wählern, nämlich gewählt werden, und versprechen viele Dinge. Beim Klimaschutz sind die Aussagen extrem unkonkret. Auch die der Grünen.

      Dass Wähler Dinge fordern, ist keine Erpressung. Das ist unser Recht. Wenn ich eine Sache kaufe, ist es ja auch mein Recht, dass sie die beworbenen Eigenschaften erfüllt.

      Beim Klimaschutz geht es auch um Grundrechte, siehe Urteil des Verfassungsgerichts.

      Nun sind diese Versprechen der Kandidaten, auch der Grünen, aber extrem unkonkret, und die Forderung der Streikenden ist im Kern, diese Versprechungen zu konkretisieren. Dazu machen sie Druck. Druck ist angemessen hier, denn es geht ganz objektiv um das Überleben unserer Zivilisation.

      Das sagen führende Wissenschaftler wie Schellnhuber, und ist Stand der Wissenschaft. Und ob genug getan wird, wird exakt in der nächsten Wahlperiode, in den wenigen nächsten Jahren, entschieden, nicht später. Man kann später noch die Katastrophe vielleicht abmildern, aber nicht mehr sicher verhindern.

      Wenn Leute was verlangen würden, was unangemessen und ethisch inakzeptabel ist, gäbe es keinen Grund einem Hungerstreik nachzugeben. Die Kandidaten würden einfach öffentlich darlegen, warum sie das nicht tun wollen, und damit hat sich's. So würde man reagieren auf einen Hungerstreik von, sagen wir, islamistischen Terroristen. Unberechtige Anliegen erzeugen keinen Druck.

      Das Anliegen ist aber berechtigt, wird von vielen Wählern gefordert, und die Kandidaten weigern sich, konkret zu machen, was sie konkret tun wollen.

      Wenn das nun Druck erzeugt, dann nur deswegen, weil die uns nach Strich und Faden verarschen wollen.

      • @jox:

        Was ich tragisch finde, nämlich im Sinne der Unausweichlichkeit, den der griechische Begriff der Tragödie hat, und unmöglich zu akzeptieren, ist dass sich hier extrem junge Menschen buchstäblich opfern beim Versuch, den Untergang unserer Zivilisation zu verhindern.

        Und unsere Zivilisation geht nicht zugrunde am mangelnden guten Willen der Mehrheit, sondern an Lügen, Gier und Machtgeilheit der sogenannten politischen Klasse.

        Würden die Politiker die Wahrheit sprechen, stünde uns ein interessanter aufregender Ritt bevor. Nicht alles wäre einfach, aber es gäbe Lösungen, und erstrangige Herausforderungen für unsere kollektive Intelligenz, und die Reise würde sicher auch Spaß machen. Sie wäre ja nichts weniger als ein neues Kapitel in der Geschichte intelligenten Lebens auf dem Planeten.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Hoffe sie kommen bald zur Besinnung und es geht ihnen bald wieder gut. Aber so geht Demokratie nun mal nicht.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Sondern alle 4 Jahre seine Stimme in eine Mülltonne schmeissen und hoffen, dass sich was ändert.

      Aber so Funktioniert Aktivismus nun mal nicht.

      • @Upgrade:

        So funktioniert Demokratie. Sie möchten eine Diktatur? Auch dafür stehen Parteien zur Wahl.

        • @Ber.lin.er:

          Unsere Demokratie ist doch eine Farce.



          Ich will Anarchy.



          Lieber was Utopisches wollen, als was Dystropisches leben.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      So geht auch Klimaschutz nicht.