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Hungerstreik von Klima-Aktivist*innenNeues Ultimatum

Die Hungerstreikenden in Berlin setzen den Kanz­ler­kan­di­da­t*in­nen ein Ultimatum bis Donnerstag: Ein Gespräch – oder der Hungerstreik werde verschärft.

Mitten im Regierungsviertel findet der Protest der Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen statt Foto: dpa

Berlin epd | Die seit Wochen im Berliner Regierungsviertel hungerstreikenden Klimaaktivistinnen und -aktivisten drohen mit einer Verschärfung ihres Protestes. Sollte das gewünschte Gespräch mit den Kanzlerkandidaten und der Kanzlerkandidatin von Union, SPD und Grünen nicht zustande kommen, will ein Teil der Gruppe in den sogenannten trockenen Hungerstreik treten und auch die Aufnahme von Flüssigkeit verweigern. Der andere Teil der Gruppe wolle den Hungerstreik in diesem Falle abbrechen, kündigte das Unterstützerteam am Montag an.

Die Hungerstreikenden fordern ein öffentliches Gespräch mit Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) noch vor der Bundestagswahl. Als Termin dafür haben sie den kommenden Donnerstag, 19 Uhr, festgelegt. „Sollten die drei Kanzlerkandidaten selbst nach fast vier Wochen Hungerstreik nicht einmal unserer Forderung nach Kommunikation nachkommen, dann steht für uns das Ergebnis fest: Die Politiker sind durchgefallen“, hieß es dazu in einer Erklärung vom Montag.

Die Gruppe von ursprünglich sechs jungen Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren hatte den Hungerstreik im Berliner Regierungsviertel am 30. August aufgenommen. Nach Angaben der Grünen-Pressestelle hatten Baerbock, Scholz und Laschet in der vergangenen Woche den Streikenden eine gemeinsame Botschaft übermitteln lassen. Demnach wären alle drei, „einzeln, persönlich und nicht öffentlich – nach der Wahl“ zu einem Gespräch bereit.

Die Hungerstreikenden wiesen vergangene Woche das Angebot mit der Begründung zurück, es sei das Gegenteil dessen, was sie forderten. Ein Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit sei undenkbar: Auch „ein Gespräch nach der Wahl – die ja die Schicksalswahl ist, um die es uns geht – ist ausgeschlossen“.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert beobachtet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Klima-Hungerstreik in der Nähe des Kanzleramts weiterhin mit Sorge. Einschalten will sich Merkel aber offenbar nicht.

Mahnung von Merkels Sprecher

Seibert äußerte am Montag in Berlin die Hoffnung, dass es nicht zum Äußersten der Ankündigungen kommen werde. Die politische Debatte um den Klimaschutz sei immens wichtig, sie sollte aber so geführt werden, ohne dass sich eine Seite dabei selbst gefährde und in eine hochriskante gesundheitliche Situation bringe, sagte der Regierungssprecher.

Auf die Frage, ob Merkel empfiehlt, dass das geforderte Gespräch stattfindet, sagte Seibert, er habe keine Empfehlungen auszusprechen. Auch richteten sich die Forderungen nicht an die Kanzlerin. Aber aus rein menschlichen Gründen habe man doch Sorgen auszudrücken.

Soli-Hungerstreik gestartet

Seit Montag werden die noch verbliebenen vier Klimaaktivisten zudem von vier weiteren Menschen unterstützt, die in dem Camp in den solidarischen Hungerstreik getreten sind, teilte eine Sprecherin der Initiative „Hungerstreik der letzten Generation“ mit. Nach wie vor verweigerten auch Menschen in Hannover, Bonn und Schwerin bereits seit Wochen die Nahrungsaufnahme.

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5 Kommentare

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  • Ich möchte in mehreren Abschnitten darlegen, weswegen ich die Aktion für wahrscheinlich kontraproduktiv halte, was ich für einen besseren Weg halte, und ein konkretes Beispiel zeigen, was die politische Diskussion braucht.

    Erstmal habe ich mit den eigentlichen Zielen kein Problem. Wie schon begründet, stimme ich der extremen Dringlichkeit des Anliegens voll zu:

    taz.de/!5797513/#bb_message_4186318

    Ich kann auch deswegen die Verzweiflung junger Leute nur zu gut verstehen. Andererseits kann auch niemand, der doppelt so alt ist, applaudierend daneben stehen und zugucken, wie sich Menschen zu Tode hungern. Ich halte die Protestform aber auch für taktisch nicht so geschickt, aus den folgenden Gründen:

    - erst mal finde ich es nicht geschickt, sein Leben ausgerechnet in die Hände von Menschen zu legen, die bisher keine Verantwortung für das Leben anderer übernommen haben und ganz den Eindruck machen, als würden sie zur Not auch über Leichen gehen. Da macht man sich nur zum Opfer mit - und Leute wie Laschet werden wissen, wie sie das auch noch zu ihrem Vorteil ausnutzen.

    - Zweitens fördert die Adressierung der Kanzlerkandidaten eine sehr problematische Reduktion der Politik auf Personen und ihren Charakter, ähnlich wie in den USA. Wir haben aber anders als da kein Präsidialsystem. Machtzenten, oder eher Machtknoten sind die Parteien mit ihren Finanziers und die Abgeordneten mit Parteidisziplin und mehr oder weniger legalen Geldspenden (siehe Rezo Teil 3).

    - Der Hungerstreik mit seinem Ultimatum muss notgedrungen zuspitzen, wir brauchen aber einen öffnenden Diskurs, der Perspektiven schafft.

    - eine weitere Polarisierung stärkt nur die Rechten

    - die hohen Einsätze mit denen gespielt wird, können Helden und Märtyrer schaffen, erhöhen die Distanz normaler Leute zur Beteiligung

    - letztendlich läuft man in eine militärische Logik hinein, aus der man schwer herauskommt, z.b. Opfer bringen zwecks mehr Glaubwürdigkeit

    - Gefahr der Wahrnehmung als bedrohliche Gruppe

    • @jox:

      Was wir dringend brauchen, ist eine breite Gesellschaftliche Mehrheit für das 1.5 Grad Ziel. Wie können wir da hin kommen?

      Zunächst mal haben wir drei wesentliche Probleme: Desinformation, Leugnung, und Prokrastination.

      Desinformation wird betrieben von den fossilen Konzernen mit dem Ziel, die Dringlichkeit des Problems zu verschleiern, und politisches Handeln, das sie nämlich Geld kostet, hinauszuschieben. Das wird auch von Politikern aufgegriffen, ein Paradebeispiel ist das Interview mit Lindner neulich in der taz,

      Leugnung ist eine individuelle Reaktion auf widersprüchliche und unklare Informationen. Damit kämpfen auch die Grünen, die den Weg gehen, das Problem immer noch nicht umfassend zu benennen.

      Gegen beides haben die Fridays in den letzten drei Jahren extrem viel erreicht. Eine Mehrheit stimmt nun zu, dass Klimawandel ein dringendes Problem ist.

      Prokrastination ist verursacht durch die Wahrnehmung, dass das Problem nicht bewältigbar ist, dass es vielleicht keine Lösung gibt, oder dass Lösungen erhebliche Nachteile für die Einzelnen bringen.

      Deswegen erscheinen folgende Strategien sinnvoll:

      Gegen Leugnung hilft m.E. ein detaillierter, offener Diskurs. Äußere Ereignisse werden, wie z.B. Fukushima gezeigt hat, bald dazu beitragen, dass das umschlägt und flippt (vielleicht eine Sturzflut in einer europäischen Großstadt mit vielen Toten in der U-Bahn).

      - weiter brauchen wir breiten, sehr niedrigschwelligen zivilen Ungehorsam mit Fokus auf ganz konkrete Ziele. Die Castor-Transporte sind ein gutes Beispiel, die Proteste von Sand im Getriebe zur IAA sind auch gut gelungen. Zum einen stellt breiter ziviler Ungehorsam die Legitimität des bisherigen Handelns in Frage, und das ist ein Problem für den Staat. Zum anderen ist die Fokussierung auf konkrete Einzelthemen wie z.B. Braunkohleabbau, Großflughäfen oder ein Verbot von SUVs wichtig, um Alternativen aufzuzeigen.

      Breiter, niedrigschwelliger ziviler Ungehorsam führt natürlich zur Frage "wozu das alles?".

      • @jox:

        Als ein Beispiel für eine praktische Frage, wo m.E. auch Prokrastination im Spiel ist, und die Zuspitzung und Polarisierung nicht hilft, möchte ich die aktuelle Benzinpreis-Diskussion nennen.

        Alle Parteien sprechen sich für Schritte aus, die Spritpreise erhöhen werden. Für normale Leute ist das eine Herausforderung. Beispiel:

        twitter.com/MaluuM...440009359333941252

        > "Pflegekraft.



        Haus/ Wohnraum in der Stadt nicht bezahlbar.



        Pendle jeweils 50 km zur Arbeit.



        Neues Auto nicht realistisch.



        Öpnv keine Option.



        #Benzinpreis geht durch die Decke.

        > Ich bin pro Klimaschutz, was genau soll ich tun?"

        Die Idee ist, ausgehend vom Prinzip der CO2-Bepreisung, die Kosten für Benzin so zu erhöhen, dass die Leute umsteigen. Ein Problem ist, dass aber frei verfügbare Einkommen sehr ungleich verteilt sind. D.h. für gut verdienende Leute ist die zusätzliche Ausgabe kein Problem, für Menschen die eh nicht viel Geld haben und aufs Auto angewiesen sind ist das schwierig. Die Grünen z.B. wollen das dann ausgleichen durch ein Energiegeld.

        Das Problem ist aber, dass die Benutzung von PKW gar nicht rationalen Erwägungen folgt und daher auch durch hohe Preise kaum zu beeinflussen ist. Das ist ein Ergebnis der Verkehrswissenschaft:

        www.moment.at/stor...trassen-mehr-bauen

        > MOMENT: Das Verkehrsministerium hat errechnet, dass Haushalte rund 14 Prozent ihres Budgets für das Auto ausgeben und 1,1 Prozent für den öffentlichen Verkehr. [ ...] Der Kostendruck beim Autofahren ist also eigentlich schon jetzt enorm hoch.



        >



        > Knoflacher: Ja, aber er wirkt nicht und wird nicht wirken. Ich kenne das seit Jahrzehnten. Zum Beispiel haben Israel oder Dänemark sehr hohe Kaufpreise bei den Autos und bei Treibstoffen. Das wirkt nicht.

        Was Verkehrswissenschaftler statt dessen vorschlagen, ist das Autofahren weniger bequem zu machen, indem Parkplätze z.B. weiter weg von Wohnungen gelegt werden.

        • @jox:

          ... und der Grund, warum die Bequemlichkeit so ausschlaggebend ist, dass das Auto quasi eine Droge ist, ist dass unser Stammhirn evolutionär darauf getrimmt ist, überflüssige Anstrengung zu vermeiden. Wie jeder weiß, der sich am 1. Januar schon mal vorgenommen hat, mehr zu joggen, sind Menschen bequem.

          Wenn man die Parkplätze ein paar Minuten zu Fuß von der Wohnung bzw. vom Arbeitsplatz weg legt, entfällt diese Bequemlichkeit, und das Auto wird automatisch weniger genutzt - denn die meisten Fahrten sind ja nur wenige Kilometer lang. Und das tolle daran ist, dass es Menschen mit niedrigem Einkommen nicht stärker belastet als solche mit hohem.

  • Sollen sei mal machen.



    Die werden sehen, was sie davon haben.