Beyoncé ignoriert Arbeitsbedingungen: Emanzipiert, aber ausgebeutet

Die Textilindustrie ist bekannt für ihre Hungerlöhne. Davon profitiert auch das Modelabel der feministischen Popkultur-Ikone Beyoncé.

Zwei Frauen sitzen mit Gesichtsmasken an Nähmaschinen

Näherinnen in Sri Lanka – in der Textilindustrie müssen die Frauen oft lange für wenig Geld schuften Foto: Dinuka Liyanawatte/reuters

Ohne Beyoncé wäre der Feminismus heute nicht da, wo er ist. Wegen ihrer Kunst, aber auch ihrer Arbeit als Unternehmerin. Auch wenn darüber immer wieder diskutiert wird, denn wie viel Aktivismus kann man verkaufen, ohne dass er keiner mehr ist? Als Modeunternehmerin hat Beyoncé mit Adidas erst Ende Juni gezeigt, wie feministische Bademode aussieht: Unisex und für Körper, die in sehr unterschiedliche Größen passen.

Beyoncé also macht vieles richtig und deshalb ist die Enttäuschung besonders groß, wenn so jemand dann doch etwas falsch macht. Shame on you, Beyoncé, habe ich vor wenigen Tagen auf Instagram gelesen. Darunter eine Illustration, die Beyoncé zeigt. Sie schwingt eine Peitsche in Richtung einer Frau, die vor ihr an einer Nähmaschine sitzt.

Die Näherin trägt eine Fußfessel mit der Aufschrift „Ivy Park“. Ivy Park, das ist das Modelabel von Beyoncé. Die Illustration ist älter, genauso wie die Vorwürfe dahinter. Aber geändert hat sich nichts an der Kritik.

Im Jahr 2016 berichtete die britische Boulevardzeitung Sun on Sunday, dass sri-lankische Näherinnen „in den Sweatshops wie Sklaven für einen Hungerlohn von nur 56 Cent die Stunde arbeiten, um Beyoncés „emanzipierte“ Klamotten herzustellen“. Eine Pressesprecherin antwortete auf die Vorwürfe: „Ivy Park befolgt ein strenges ethisches Handelsprogramm.“ Neuere Reports darüber gibt es nicht. Was man aber sicher sagen kann: Für sehr viele Nä­he­r*in­nen auf dieser Welt ist die Situation weiterhin grausam.

Trend zu Fairtrade geht zurück

Ar­bei­te­r*in­nen in der Textilindustrie schuften in sehr langen Schichten für sehr wenig Geld. Die meisten sind Frauen, die auch geschlechtsspezifische Gewalt erleben. Das wissen wir seit Jahren. Nun kommt dazu, dass Nä­he­r*in­nen in Indien für ihre Coronaimpfungen Gehalt abgezogen wird, wie die NGO Femnet berichtet. Und dass Ar­bei­te­r*in­nen nicht ausreichend Essen kaufen können, weil durch die Pandemie ihr Lohn wegfiel. Das sagten viele dem Worker Rights Consortium. Darunter auch Näher*innen, die für Adidas arbeiten.

Es gab einen Boom von Fairtrade-Kleidung, der das Problem in einem sehr begrenzten Rahmen behebt. Und der im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 20 Jahren zurückging: 30 Prozent weniger Fairtrade-Textilien wurden 2020 in Deutschland verkauft als im Jahr zuvor. Es kommt hier jetzt immerhin ein Lieferkettengesetz.

Aber NGOs kritisieren, dass es zu viele Ausnahmen macht und zu wenig Unternehmen umfasst. Es bleibt die Frage, ob sich überhaupt Gerechtigkeit in der globalen Textilindustrie herstellen lässt, solange die Weltwirtschaft funktioniert, wie sie funktioniert.

Ob es jetzt besonders schlimm ist, dass auch Beyoncé diese Strukturen offenbar nutzt – oder ihr eher verziehen werden kann, weil sie sonst so viel Gutes tut? Diese Frage muss je­de*r für sich beantworten. Das ist hier ja keine Moralinsta.

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Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.

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