US-Sängerin Beyoncé wird 40: Die Unantastbare
Die Sängerin Beyoncé hat in einer von weißen Männern dominierten Branche ein Imperium aufgebaut. Und wurde so zur Projektionsfläche. Nun wird sie 40.
Sie ist ein Popstar, an dem niemand vorbeikommt – egal wie man zu ihr steht. Was niemand bestreiten kann, ist, dass Beyoncé eine unglaubliche Entertainerin ist. Sie lässt seit über 20 Jahren ihre Arbeit für sich sprechen und hält sich, im Gegensatz zu vielen anderen Stars, sehr zurück, was mediale Auftritte betrifft. Am Samstag wird der Popstar Beyoncé Giselle Knowles-Carter oder „Queen B“, wie ihre Fans von der Fancommunity Beyhive sie nennen, 40 Jahre alt.
Ihre ersten Erfolge erlebte sie Anfang der 1990er mit der R&B-Band Destiny’s Child, und während sich viele andere Künstler:innen aus dieser Zeit aus dem Business zurückgezogen haben, ist sie als Solokünstlerin immer noch ganz oben.
Ich selbst habe Beyoncé nur einmal live gesehen: 2018 im Berliner Olympiastadion im Rahmen ihrer OTR-II-Tour mit ihrem Ehemann Jay-Z. Das Konzert begann, im Gegensatz zu so vielen anderen, pünktlich und war etwas ganz Besonderes. Während die Sonne langsam unterging und der Himmel sich pink färbte, wurden private Momente ihrer Touren mit Destiny’s Child, ihrer ersten Schwangerschaft und ihrer Kinder auf riesige Leinwände projiziert: Beyoncé strahlte, tanzte, und als die beiden den Schlusssong „Forever Young“ anstimmten, sangen meine Freundinnen und alle um uns herum mit. Die Energie war ansteckend.
In einem ihrer seltenen Interviews sprach Beyoncé exakt diesen Moment an, der auch für sie ein spezieller war, allerdings aus anderen Gründen. Sie erzählte von dem Leichtathleten Jesse Owens, der bei der Berliner Olympiade von 1936 vierfach Gold gewann, der erfolgreichste Athlet der Sommerspiele war und damit die Idee der weißen Überlegenheit infrage stellte. Als Schwarzes Paar Jahrzehnte später in ebendiesem Stadion aufzutreten, war auch für Beyoncé etwas Besonderes.
Mit Beyoncé aufgewachsen
Seit meinen Teenagerjahren ist Beyoncé immer präsent gewesen. Egal ob ich ihre Musik im Radio, bei MTV und Viva, beim Ausgehen oder auf Streamingplattformen hörte – sie hat für jede Situation, Stimmung oder Lebensphase einen Song geschrieben. Hits wie „Say My Name“, „Crazy in Love“ und „Halo“, die unter dem Management ihres Vaters entstanden, schrieben Popkulturgeschichte. Nachdem sich ihre geschäftlichen Wege trennten, lag Beyoncés Fokus stärker auf Schwarzer amerikanischer Kultur und führte zu Hits wie „Formation“, „Homecoming“ und „Brown Skin Girl“. Für viele, mich eingeschlossen, war das die Zeit, in der wir begannen, die Künstlerin in einem anderen Licht zu sehen.
Wir sind mit Beyoncé aufgewachsen und konnten ihr dabei zusehen, wie sie immer mehr zu dem wurde, was sie heute ist: einer kulturellen Ikone, die bei allem, was sie macht, Perfektion anstrebt. Aber perfekt ist sie trotzdem nicht.
Wenn Beyoncé von black excellence spricht und sich und ihren Mann in einem Atemzug mit dem Milliardär Bill Gates nennt, stößt diese Glorifizierung des Kapitalismus vielen Menschen sauer auf. „Black Is King“, ihre Disney-Koproduktion, wurde kritisiert, weil sie den afrikanischen Kontinent nicht in seiner Vielfalt repräsentierte, sondern ein buntes Kaleidoskop aus Kulturen, die nichts miteinander zu tun hatten, zeigte. Erst vor Kurzem machte sie wegen einer Kampagne für das Luxusunternehmen Tiffany & Co. Schlagzeilen, in der sie mit Jay-Z vor einem Bild des afroamerikanischen Künstlers Basquiat stand. „Hätte er das gewollt?“, fragten manche.
Andere hielten die Verbindung zwischen Tiffany & Co. und De Beers, dem weltgrößten Diamantenhändler, der durch Apartheid, Kolonialismus und blood diamonds reich wurde, für wesentlich problematischer. Wieder andere fragten sich, warum es uns so sehr überrasche, dass Menschen wie Beyoncé und Jay-Z nicht die antikapitalistische Revolution anführten.
Sie überrascht immer noch
Während Beyoncé immer wieder Schlagzeilen macht und Diskussionen über sie zu trending topics in den sozialen Medien werden, reagiert sie auf jede Kontroverse gleich: mit Schweigen. Beyoncé hat sich medial so sehr zurückgezogen, dass bereits eine caption unter ihren Instagram-Posts Nachrichtenwert hat. In ihren raren Interviews scheut Beyoncé aber nicht davor zurück, darüber zu sprechen, wie selten es immer noch passiert, dass Schwarze Menschen begehrte Jobs in der Kreativbranche bekommen, und dass sie es deswegen als ihre Aufgabe sieht, diesen Talenten die Türen zu öffnen.
Tyler Mitchell etwa schrieb 2018 Geschichte, weil Beyoncé ihn als Fotografen auswählte und so zum ersten Schwarzen Coverfotografen in der damals 126-jährigen Geschichte des Magazins Vogue machte. Für ihr visuelles Album „Black Is King“ arbeitete sie mit Künstler:innen aus Ghana, Nigeria und Südafrika zusammen, um die (manchmal angespannte) Verbindung zwischen Afroamerikanern und der afrikanischen Diaspora zu zelebrieren.
Sie trug Outfits von afrikanischen Designer:innen, die dadurch international bekannt wurden. Ihre Charity BeyGOOD setzt sich für Katastrophenhilfe wie etwa nach dem Hurrikan „Katrina“ ein, fördert Schulprojekte in Südafrika, half Schwarzen Unternehmer:innen dabei, während der Pandemie liquide zu bleiben, und sorgte dafür, dass in den einkommensschwachen Teilen ihrer Heimatstadt Houston, Texas, Coronatestzentren errichtet wurden – um nur ein paar ihrer Projekte zu nennen.
Beyoncé lebt so zurückgezogen wie für einen Superstar nur möglich. Sie ist eine kulturelle Ikone, die es geschafft hat, in einer von weißen Männern dominierten Branche ein Imperium aufzubauen. Sie schafft es, uns nach all den Jahren im Geschäft immer noch zu überraschen. Sie ist eine Projektionsfläche für viele Wünsche und Hoffnungen – Projektionen, denen eine Person niemals gerecht werden kann. Gleichzeitig ist sie unantastbar. Einerseits weil der Beyhive jede Kritik im digitalen Raum zunichtemacht. Aber auch, weil Beyoncé es durch Ehrgeiz, Talent und Erfolg so weit nach oben geschafft hat, dass Kritik ihr nichts anhaben kann.
Vielleicht liegt das Fasziniertsein von ihr auch darin, dass sie sich davon frei gemacht hat. Denn Frauen, insbesondere Schwarze Frauen, wissen, wie anstrengend es ist, ständig unter Beobachtung zu stehen und sich keine Fehler leisten zu können. Auch in meinem Bekanntenkreis feierten bereits einige ihren 40. Geburtstag, und es ist schön zu sehen, wie viele gute Dinge seitdem in ihrem Leben passiert sind. Genauso geht es meinen Freund:innen und mir auch mit Beyoncé: Wir sind gespannt, wie ihre Reise weitergeht. Denn für uns alle steht fest, dass sie noch lange nicht vorbei ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf