Zu Gast im ARD-Presseclub: Die Frage zur Homosexualität

Beim Presseclub wird unser Autor von Anrufer Andreas nach seiner Haltung zu Homosexualität gefragt. Zeit, den Andreassen mal etwas zu erklären.

Schwarz-weiß Foto einer Demo. Auf dem Banner steht: Schwul? Ruf mal an.

Protest gegen Diskriminierung in München 1987 Foto: imago

Am Sonntag war ich Gast beim ARD-„Presseclub“. Es ging um Kritik an (emanzipatorischer) Identitätspolitik. Ich habe mir Mühe gegeben, zu beruhigen (zu viel Aufregung erzeugt Bluthochdruck, Identitätspolitik ist vor allem ein rechtes Projekt, Antirassismus ist jetzt halt fester Bestandteil des gesellschaftlichen Diskurses). Der „Presseclub“ endet stets mit einem Call-in-Segment. Andreas aus Berlin rief an und richtete ein Statement samt Frage an mich. Ich möchte ihn an dieser Stelle ausgiebig zitieren:

„Ich bin Jahrgang 1961, schwul und habe also erlebt, wie die Schwulen ihre Rechte erkämpft haben in sechzig Jahren. Zu meiner Kindheit kam man noch ins Gefängnis, jetzt kann man heiraten. (…) Wir haben dieses nicht erreicht, weil wir Geschäfte angezündet haben und weil wir die Heterosexuellen angegriffen haben. Wir haben das mit anderen Methoden erreicht. Ich würde allen benachteiligten Gruppen, die es gibt – und ich bin für Gleichberechtigung – wirklich empfehlen nicht in einen Kampf einzusteigen (…). Und ich hätte eine persönliche Frage an Herrn Amajid (…): Wie stehen Sie denn persönlich zur Homosexualität?“

Ich wurde in Sendungen, aber auch im nichttelevisierten Leben schon oft mit solchen Call-in-Andreassen konfrontiert. Also möchte ich drei Punkte klarstellen.

Antirassismus ist kein Angriff auf Weiße

1. Queers haben nicht ihre Rechte erlangt, indem sie nett danach gefragt haben. Der Stone­wall-Aufstand war ein Akt der Selbstverteidigung angesichts massiver Polizeigewalt gegen Queers in New York und anderswo auf dieser Welt. In Westberlin oder Hamburg folgten queere Demos, bei denen sich die Teilnehmenden auch hierzulande physisch gegen den queerfeindlichen Staat schützen mussten. Paragraf 175, der erst 1994 abgeschafft wurde, stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die spätere Professionalisierung der queeren Bewegung in Form von Abgeordneten, Verbänden und einem „bunten“ CSD ändert nichts an dieser Geschichte. Außerdem ist Queerfeindlichkeit heute noch ein großes Problem in Deutschland.

2. Ich weiß nicht, woher der Anschein kommt, dass rassifizierte und migrantisierte Menschen randalierend durch die Gegend ziehen und „Geschäfte anzünden“. Der Eindruck ist falsch. Das Gros der Antira-Bewegung ist friedlich. Antirassismus ist auch kein Angriff auf Weiße. Tone Policing, also die Kritik an Emotionen und deren Äußerung, ist fehl am Platz. Apropos Emotionen: Woher kommt diese überbordende Fürsorge für Schaufensterscheiben?

3. Die Frage, wie ich zur Homosexualität stehe, hat dazu geführt, dass (mit einiger Wahrscheinlichkeit) die einzige queere Person der Sendung mit der Frage konfrontiert wurde. Absurd. Für einige weiße Queers existieren nichtweiße Queers schlicht nicht. Ich habe direkt live darauf hingewiesen, dass es schon komisch ist, dass ausgerechnet ich diese Frage gestellt bekomme. Ich weiß nicht, ob Call-in-Andreas verstanden hat, worauf ich damit hinauswollte.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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