Grüne fordern fairere Impfstoffverteilung

Die Grünen wollen im Kampf gegen Corona mehr Hilfen für ärmere Staaten: mehr Geld für die weltweite Impfkampagne Covax, Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe

Kein Abstand möglich: Gedränge an einem Bahnhof in Mumbai, Indien Foto: Francis Mascarenhas/reuters

Von Ulrich Schulte

Die Grünen fordern im Kampf gegen die Coronapandemie mehr internationale Hilfen für ärmere Staaten. „In vielen ärmeren Ländern sind die öffentlichen Gesundheitssysteme an der Belastungsgrenze oder bereits zusammengebrochen“, heißt es in einem Positionspapier von Parteivorstand, Bundestagsfraktion und Europaabgeordneten. Besonders dort, wo wenig Zugang zu hygienischer Versorgung, staatlicher Unterstützung und einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung bestehe, „trifft die Pandemie die Menschen mit voller Wucht und Härte“.

Die Grünen fordern nun mehrere Gegenmaßnahmen auf internationaler Ebene. So müsse im Rahmen der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und internationaler Impfallianzen eine globale Impfstrategie erarbeitet werden, welche jahrelange Verzögerungen bei der Impfstoffverteilung verhindere. Die internationale Einkaufsplattform Covax brauche mehr Geld, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Und reiche Industriestaaten müssten überschüssige Impfdosen an Covax spenden.

Das Positionspapier haben Grünen-Vizechefin Jamila Schäfer, die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger und das Parteiratsmitglied Pegah Edalatian verfasst. Schäfer sagte der taz am Sonntag, Union und SPD verhedderten sich in Schuldzuweisungen, statt sich darauf zu konzentrieren, wie möglichst schnell möglichst viele Menschen geimpft werden könnten. „Wir brauchen doch eine globale Kraftanstrengung, um diese schwere Krise gemeinsam und solidarisch zu schultern.“ Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass der Impfstoff, Textmaterialien und wichtige Medikamente überall dort ankämen, wo sie gebraucht würden.

Die sogenannte Covax-Initiative wurde von der WHO angeschoben. Sie soll allen Staaten einen fairen Zugang zu Impfstoffen ermöglichen und wird von 190 Ländern unterstützt. Wohlhabende Nationen zahlen den vollen Preis für die Impfstoffe, ärmere Länder haben einen Anspruch auf Gratislieferungen.

„Wir brauchen doch eine globale Kraftanstrengung“

Jamila Schäfer, Grünen-Vizechefin

Die Grünen weisen allerdings auf Probleme in dieser Struktur hin. Sie begrüße das Engagement der EU, aber es reiche nicht aus, sagte die Europaabgeordnete Anna Cavazzini. „Die EU muss sich bei der Welthandelsorganisation dafür starkmachen, dass auch Länder des globalen Südens wie Indien oder Südafrika den Impfstoff produzieren können.“ Man könne Covid-19 nur besiegen, wenn so schnell wie möglich alle Menschen geimpft würden.

Die Forderung bezieht sich auf einen Antrag, den Indien und Südafrika schon im Oktober bei der Welthandelsorganisation gestellt hatten. Beide Länder fordern wegen der Coronapandemie, den Patentschutz auf Covid-19-Impfstoffe auszusetzen. Dadurch würde die Produktion von günstigen Nachahmermedikamenten ermöglicht, um die Herstellung großer Mengen zu beschleunigen. Der Antrag wird von den USA und der EU im Moment blockiert. Neben den Grünen wollen auch Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen die Aussetzung des Patentschutzes.

Auch die WHO drängt auf eine fairere Verteilung der Impfstoffe. „Zu Beginn haben die reichen Länder den Großteil des Vorrats an verschiedenen Impfstoffen aufgekauft“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Freitag. Kein Land dürfe jedoch „die Warteschlange überholen und seine gesamte Bevölkerung impfen, während andere Länder gar keine Impfstoff-Lieferungen erhalten“. Ghebreyesus rief die Hersteller dazu auf, keine bilateralen Geschäfte mit einzelnen Ländern auf Kosten der Covax-Kampagne abzuschließen.