Ulrike Herrmann über die hohen Umsätze im Einzelhandel
: Coronapolitik hat funktioniert

Es wirkt widersprüchlich: Die deutsche Wirtschaft wird von der Coronakrise gebeutelt – aber der Einzelhandel brummt. Um satte 5,3 Prozent nahm der Umsatz 2020 zu, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag schätzte. Derartige Zuwächse gab es zuletzt 1994.

Mitten in der Krise wird geprasst. Das erscheint seltsam, ist aber schnell erklärt: Es war bekanntlich schwierig, im vergangenen Jahr ins Ausland zu reisen. Also blieben die verhinderten Ferntouristen in Deutschland – und gaben ihr Geld hier aus. Essen muss man schließlich immer.

Auch der Blick aufs eigene Heim veränderte sich, weil zeitweise mehr als 14 Millionen Angestellte im Homeoffice saßen. Da fiel schnell auf, dass das Sofa etwas beult oder der Küchentisch leicht angekratzt ist. Für Möbelverkäufer war 2020 ein Ausflug ins Paradies.

Die Optik täuscht also. Regelmäßig wird geklagt, dass die Innenstädte veröden und Geschäfte schließen müssten. Doch der Handel bricht nicht ein – er verlagert sich. Vor allem Online profitiert, aber auch vielen Spezialanbietern geht es gut.

Einige Verlierer gab es allerdings auch: Kleider und Schuhe wurden zu Ladenhütern – was vor allem die Modegeschäfte in den Stadtzentren traf. Prompt wird gefordert, für diese Läden ein Hilfsprogramm aufzulegen.

Der Staat kann sich ruhig großzügig zeigen, dennoch dürften nicht alle Läden in den Innenstädten zu retten sein. Corona verstärkt einen Trend, den es schon vorher gab: Zunehmend wird im Internet bestellt. Das kann man doof finden. Aber es ist keine „Krise“, sondern normaler Strukturwandel.

Der Boom im Einzelhandel zeigt, wie gut die Coronapolitik funktioniert hat: Die Deutschen konnten nur so munter einkaufen, weil fast alle über ein sicheres Einkommen verfügten. Überflüssig war einzig, die Mehrwertsteuer vorübergehend zu senken. Dies hat zwanzig Milliarden Euro gekostet, den Konsum aber nicht weiter angeheizt – denn die Kauflaune der Deutschen war schon maximal.

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