Neues Vorsitzenden-Duo der SPD Berlin: Giffey will den Unterschied machen

Auf einem digitalen Parteitag werden Franziska Giffey und Raed Saleh an die Spitze der Berliner SPD gewählt. Doch hinter den Kulissen beginnt der Flügelkampf.

Franziska Giffey und Raed Saleh sitzen auf einem Motorrad

Ein sehr bemühtes Symbolbild von Franziska Giffey und Raed Saleh im BMW-Motorenwerk im Mai 2020 Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN taz | Der Abschied war emotional. So emotional, wie er bei einem hybriden Parteitag mit nur wenig physisch Anwesenden eben sein kann. „Du warst mit zwölfeinhalb Jahren der am längsten amtierende Landeschef der Berliner SPD nach dem Krieg“, würdigte Berlins Innensenator Andreas Geisel den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der am Freitagabend als SPD-Landesvorsitzender abtrat. Zum Abschied gab es einen Originaldruck von Andy Warhol mit dem Konterfei von Willy Brandt und einen Satz, den man sonst nur aus der linken Szene kennt: „Michael, der Kampf geht weiter.“

Zweimal hatte die Berliner SPD ihren Landesparteitag wegen Corona verschieben müssen. Zweimal musste Bundesfamilienministerin Franziska darauf warten, zusammen mit dem Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, zur neuen Doppelspitze der SPD in der Hauptstadt gewählt zu werden. Und auch am Freitagabend musste sich Giffey, nachdem sie den Genossinnen und Genossen bei einer emotionalen Rede versichert hatte, den Unterschied machen zu wollen, noch etwas gedulden. Weil die 279 Delegierten, die der Parteitagsregie im Hotel Estrel in Berlin-Neukölln von zuhause aus digital zugeschaltet waren, zu später Stunde noch in ihre zwölf Wahllokalen zur Abstimmung mussten, wurde das Ergebnis erst am Samstagmorgen verkündet. Giffey kam auf 89,4 Prozent der Stimmen. Saleh bekam 68,7 Prozent.

„Ich will Euch auch sagen, wenn ihr es wollt, dann bin ich auch bereit, Eure Spitzenkandidatin zu sein für das nächste Jahr“, erklärte Giffey nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Zwei Stunden später äußerte sie bei einem ersten Pressestatement: „Ich freue mich über das Ergebnis, das Solidarität und Rückendeckung bedeutet. Wir schlagen mit der Doppelspitze jetzt ein neues Kapitel in der Geschichte der Berliner SPD auf.“ Erstmals sei eine Frau nun Landesvorsitzende. Dass Giffey von ihren Genossinnen und Genossen tatsächlich zur Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im nächsten Herbst gekürt wird, ist nur noch Formsache.

In ihrer Bewerbungsrede am Freitagabend hatte Giffey, die ein langes rotes Kleid trug, noch einmal ihren politischen Werdegang nachgezeichnet. „Ich fühle mich hier ein bisschen zu Hause“, sagte sie und erinnerte daran, dass sie sich als Bildungsstadträtin und Bezirksbürgermeisterin in Neukölln dafür eingesetzt habe, „dass jedes Kind die gleichen Chancen hat“. Nun gehe sie den Weg zurück vom Bund ins Land Berlin. „Das ist eine klare Entscheidung. Weil mir meine Heimatstadt Berlin am Herzen liegt“, sagte die in Frankfurt (Oder) geborene Giffey.

Kein Wort über den Fall ihrer Doktorarbeit

Dass die Freie Universität Berlin ihre Doktorarbeit noch einmal prüft, erwähnte Giffey mit keinem Wort. Sie sagte lediglich an die Adresse der Delegierten. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen, egal was passiert und was die Leute sagen. Ich bin da, und ich will gemeinsam mit Euch, dass wir für die Sozialdemokratie in Berlin das beste tun.“ Für Giffey ist die Sache mit ihrer Entscheidung, den Doktortitel nicht mehr zu führen, also beendet.

Inhaltlich brachte Giffey ihre Botschaft mit „fünf B“ an die Delegierten: Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit. Letzteres, betonte die 42-jährige, bedeute nicht nur soziale Sicherheit, sondern auch innere Sicherheit. „Wer in Berlin lebt, soll sich sicher fühlen können. Wir müssen denjenigen den Rücken stärken, die sich dafür einsetzen.“ Giffey fand dafür auch einen einfachen Claim: „Wir wollen eine Stadt, in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts.“

Schon im Vorfeld ihrer Wahl hatten sich Giffey und Saleh dafür eingesetzt, mehr Polizei, unter anderem auch „gegen Linksextremisten“, einsetzen zu wollen, neue U-Bahnen bauen und bei der Verkehrswende auch die Autofahrer nicht benachteiligen zu wollen.

Doch dass bei diesem von vielen als rückwärts gewandt empfundenen Programm auch die Parteibasis ein Wörtchen mitreden will, machte der Parteitag bereits am Freitag deutlich. Ein Antrag der „AG Migration und Vielfalt“ forderte die Delegierten auf, das Wort „Clan-Kriminalität“ aus der so genannten Konsensliste zu streichen. Begründung: Es sei als „Konzept des Racial Profiling“ ersatzlos abzulehnen. Der Antrag, ein Affront nicht nur gegen Giffey, sondern auch Innensenator Geisel, der zuletzt mit Razzien gegen die organisierte Kriminalität mobil gemacht hatte, kam zunächst durch, weil die Antragskommission seine Annahme empfohlen hatte.

Für Giffey und Saleh war das die erste Nagelprobe. Doch sie haben sie vorerst bestanden. Nach einer Intervention des amtierenden Neuköllner Bezirksbürgermeisters und Giffey-Nachfolgers Martin Hikel wurde der Antrag wieder von der Konsensliste genommen. Bei ihrem Pressestatement betonte Giffey am Samstag: „Die Bekämpfung der Clan-Kriminalität bleibt ein Schwerpunkt der Berliner SPD. Wer mich gewählt hat, weiß, wofür ich stehe. Ehrliche Politik beginnt damit, dass man sagt, was ist.“

Nun will die neue Landesvorsitzende mit der Erarbeitung eines Wahlprogramms beginnen. Bis zum Frühjahr soll es fertig sein. Giffey nennt es ein Programm, von dem viele Berlinerinnen und Berliner sagen sollen: „Find ick jut.“

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