Anhörung von Amy Coney Barrett: Reichlich wortkarg

Trumps Aspirantin für das Oberste Gericht, Amy Coney Barrett, laviert bei der Anhörung herum. Ihre Bestätigung erscheint ohnehin bereits ausgemacht.

Amy Coney Barrett, Kandidatin für das Richteramt am Obersten Gericht der USA, spricht während der Anhörungen im Justizausschuss des Senats

Hat „keine festen Ansichten“, nicht mal über den Klimawandel: Amy Coney Barrett Foto: Rod Lamkey

NEW YORK taz | Amy Coney Barrett wiederholt drei Tage lang einen Satz: „Dazu kann ich mich nicht äußern.“ Immer wenn ein:e Demokrat:in im Justizausschuss sie auf eine ihrer vielen reaktionären Stellungnahmen der vergangenen Jahre anspricht, versteckt sie sich dahinter, dass sie im Obersten Gericht jeden Fall anhören, prüfen und entscheiden werde.

Barrett kann sich nicht zu der gleichgeschlechtlichen Ehe äußern. Nicht dazu, wie sie über die Gesundheitsreform denkt. Und nicht dazu, ob sie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch verteidigen wird. Sie will auch nicht sagen, ob sie sich für befangen erklären wird, falls im November – wie erwartet – der Ausgang der Präsidentschaftswahlen angefochten wird.

Sie hat „keine festen Ansichten“ über die Frage des Klimawandels. Und sie beantwortet nicht einmal Fragen, über die es in der US-Verfassung keinen Zweifel gibt. Darunter jene, ob der Präsident das Recht hat, Wahlen zu verschieben. Die Antwort lautet: Das hat er nicht. Die Festlegung des Wahltermins ist ein Privileg des Kongresses. Aber Barrett kann sich nicht äußern.

Barrett bleibt lang wortkarg. Sie lässt die Demokrat:innen mit ihren Fragen auflaufen. Sie lässt sich die Lobhudeleien der Republikaner:innen gefallen, die sie nicht fragen, sondern ihre Verdienste preisen. Barrett tut es in dem Wissen, dass ihre Bestätigung für das Oberste Gericht längst wie eine abgemachte Sache erscheint und dass allen wichtigen Instanzen ohnehin klar ist, wo sie steht.

„Homosexualität wegtherapieren“

Zum Beispiel wissen sowohl LGBTQ-Gruppen, die um ihre rechtliche Gleichstellung (nicht nur vor der Ehe) bangen, als auch radikal rechte Organisationen wie die National Organization for Marriage, die an der Abschaffung dieser Gleichstellung arbeiten, dass Barrett die Ehe als eine Verbindungen zwischen Mann und Frau betrachtet. Beide Seiten verstehen auch, was Barrett meint, wenn sie von „sexuellen Präferenzen“ spricht. Der Begriff unterstellt, dass Homosexualität eine Wahl oder spielerische Entscheidung sei. Er wird unter anderem von jenen benutzt, die sie wegtherapieren wollen.

Im Weißen Haus kann sich US-Präsident Donald Trump, der Barrett für das Oberste Gericht nominiert hat, ins Fäustchen lachen. Zusammen mit Senatschef Mitch McConnell, der weiß, dass er die nötige Mehrheit hat, um Barrett zu bestätigen, haben beide geschickt gespielt.

Die Demokrat:innen machen bei dem Hearing nicht einmal mehr den Versuch, die Bestätigung von Barrett zu verhindern. Kaum eine:r von ihnen weist noch darauf hin, dass die Republikaner:innen im letzten präsidenziellen Wahljahr genau das mit Richter Merrick Garland getan haben, den Obama für das Oberste Gericht nominiert hatte. In einem Wahljahr könne das Oberste Gericht nicht neu besetzt werden, hatten die Republikaner:innen argumentiert.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das war Monate vor den Wahlen im Jahr 2016. Diese Mal wollen sie wenige Tage vor der Abstimmung mit der Bestätigung von Barrett gleich bei mehreren republikanischen Wählergruppen Vollzug melden: Bei den evangelikalen Christ:innen, denen Trump versprochen hatte, dass er nur „Lebenschützer“ an das Oberste Gericht und andere Gerichte schicken wird. Bei den Schusswaffenfreund:innen, die ihre Pistolen und Sturmgewehre behalten wollen. Und bei den Pharma- und Versicherungskonzernen, die weiter das Ende von Obamas Gesundheitsreform wollen.

Markante Spur

Barrett steht für all das. In ihrem Hearing äußert sie sich nicht dazu. Aber in ihrer langen Karriere als Professorin der Katholischen Universität Notre Dame, mit Reden, ihren Entscheidungen und ihrem Dissens während ihrer drei Jahre als Bundesrichterin hat sie eine markantere Spur von Meinungen hinterlassen als die meisten Obersten Richter:innen vor ihr.

Falls das, was die 48-jährige Barrett in ihrem bisherigen Leben geschrieben und gesagt hat, einen Hinweis auf ihre künftigen Positionen im Obersten Gericht gibt, bestehen kaum Zweifel daran, dass sie den zweiten Verfassungszusatz (das Recht auf Schusswaffen) vehement verteidigen, die Gesundheitsreform zurückdrehen und das Grundsatzurteil Roe gegen Wade, das Frauen im Jahr 1973 das Recht auf Selbstbestimmung über ihre Körper gab, weiter aushöhlen wird.

Bei dem Hearing haben die Demokrat:innen ein Thema in den Vordergrund gestellt. Die Gesundheitsreform, das einst bei der republikanischen Basis verhasste „Obamacare“, ist selbst dort heute (knapp) mehrheitsfähig und eines der wichtigsten Themen im demokratischen Wahlkampf.

Andere Spezialitäten von Barrett – darunter ihre Positionierung gegen staatliche Regeln für Arbeitsplätze, Umwelt und Klima – kamen nur kurz zur Sprache. Fast alles drehte sich bei dem dreitägigen Hearing um US-Innenpolitik.

Doch ein Oberstes Gericht mit Barrett kann auch Auswirkungen auf die Außenpolitik haben. Ihr verstorbener Mentor Antonin Scalia sowie andere libertäre und konservative Richter:innen wie sie betrachten das internationale Recht und internationale Verträge als grundsätzlich dem US-Recht untergeordnet.

Sobald mit der 48-jährigen Barrett die konservative Mehrheit am Obersten Gericht auf sechs zu drei aufgestockt sein wird, können Trump und die Republikaner:innen gewiss sein, dass ihr Nationalismus – unabhängig vom Ausgang künftiger Wahlen – viel Zukunft hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.