Tarifabschluss im öffentlichen Dienst: Boni und Leid

Gut so: Beschäftigte in der Pflege erhalten Zulagen. Allerdings sind die Angestellten von Bund und Kommunen diejenigen, die für die Krise bezahlen.

Vier Männer sitzen hinter Tischen und Mikrofonen

Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter präsentieren den Vertrag Foto: dpa/Christoph Soeder

Die zweite Coronawelle wird hart genug. Gut, dass jetzt nicht noch ein endloser Tarifkonflikt obendrauf kommt. Ganz ohne Schuldzuweisung an die Gewerkschaften: Auf Streiks mit geschlossenen Kitas, Ausfall von Krankenhausterminen und überquellenden Mülltonnen können wir in den nächsten Wochen alle gut verzichten.

Dass sich Verdi und Co am Sonntag mit Bund und Kommunen auf einen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst einigen konnten, ist aber auch für die Gewerkschaften und deren Mitglieder eine gute Nachricht. Ihre Verhandlungsposition war nicht optimal und hätte sich in den nächsten Tagen weiter verschlechtert.

Die Pandemie hat die öffentlichen Kassen geleert und die öffentliche Meinung gegen Arbeitskämpfe gedreht. Im Worst Case wird sie auch noch dafür sorgen, dass öffentliche Einrichtungen noch mal über Wochen dicht bleiben. Bestreiken könnte man sie dann eh nicht mehr. Unter diesen Bedingungen kann sich der Tarifvertrag sehen lassen.

Es ist eine komplexe Einigung. Die Erfolge der Gewerkschaften stecken in den Details. Dazu gehören die Zulagen für Beschäftigte in der Pflege und der Intensivmedizin. Sie spiegeln die Anerkennung wider, die diese Berufsgruppe in der Coronakrise gewonnen hat – und könnten gleichzeitig der Personalnot in den Kliniken abhelfen. Dass die Arbeitszeit im Osten in den nächsten Jahren an die im Westen angeglichen wird, ist auch ein Fortschritt. Dass das Gehalt für Schlechtverdiener*innen prozentual am stärksten steigt, ist in puncto Verteilungsgerechtigkeit ebenfalls erfreulich.

Für das Gros der Beschäftigten bleibt die Einigung trotzdem weit hinter den ursprünglichen Forderungen. 4,8 Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres wollte Verdi erreichen, nur 3,2 Prozent über die nächsten 28 Monate sind es für manche Gehaltsgruppen am Ende geworden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurde ein neuer Tarifvertrag für die Angestellten der Bundesländer geschlossen. Sie schnitten deutlich besser ab als jetzt der Großteil ihrer Kolleg*innen in Bund und Kommunen. Über eine ähnliche Vertragslaufzeit bekommen sie 8 Prozent mehr Gehalt.

Weniger Lohnplus durch Corona

Wäre Corona nicht dazwischengekommen, hätten die Arbeitnehmer*innen jetzt womöglich einen ähnlichen Erfolg feiern können – auch diejenigen, die keine erhöhte Zulage wie in der Pflege erhalten werden. Kurzfristig gehören sie jetzt also zu denen, die für die Krisen bezahlen.

Und langfristig? 2023 steht die nächste Tarifrunde an. Aus welcher Verhandlungsposition die Gewerkschaften dann starten, hängt zum einen vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, zum anderen aber auch von finanzpolitischen Entscheidungen. Je schneller die neue Bundesregierung zur schwarzen Null zurückkehrt und je schneller sie die ­coronabedingte Schulden tilgen möchte, desto weniger Spielraum bleibt für höhere Gehälter.

Wer will, dass systemrelevante Arbeit in Zukunft endlich angemessen bezahlt wird, kann dazu also nächstes Jahr im September seinen ganz konkreten Beitrag leisten: an der Wahlurne.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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