Ski Alpin Chef über Sport trotz Corona: „Sonst gibt's den Sport nicht mehr“

Ski-Alpin-Chef Wolfgang Maier will mit dem Rennen in Sölden beweisen, dass der Weltcup trotz Corona möglich ist. Es gibt ein strenges Hygienekonzept.

Eine Skifahrerin trägt im Nebel ihre Skier auf den Schultern

Unklare Zukunft: Ramona Siebenhofer aus Österreich beim Training in Sölden Foto: imago/gepa

Herr Maier, am Wochenende beginnt in Sölden der Alpine Skiweltcup – unter außergewöhnlichen Voraussetzungen. Wie froh sind Sie dennoch, dass die Saison starten kann?

Wolfgang Maier: Was heißt froh? Es gilt den Beweis anzutreten, dass in dieser schwierigen Situation auch Wettkämpfe stattfinden können. Es hängt extrem viel von diesen Sölden-Rennen ab. Der gesamte Weltcup, nicht nur der alpine, auch anderer Wintersportarten, wird daran gemessen, wie gut man sich in Sölden präsentiert. Deshalb bin ich auf der einen Seite froh, dass man in Sölden eröffnet, weil man weiß, dass man einen extrem zuverlässigen Partner und Veranstalter mit höchstem Standard hat. Sportlich gesehen kommt der Auftakt allerdings zu früh.

Der 59-jährige Skitrainer ist seit 2006 Sportdirektor Alpin beim Deutschen Skiverband und verantwortlich für die Nationalteams.

Eine Woche früher als üblich.

Ja, aber wenn wir der Öffentlichkeit beweisen können, dass wir mit dem Covidthema verantwortungsvoll umgehen, dann ist es gerechtfertigt, dass man etwas früher mit dem Weltcup beginnt.

Sölden ist also ein Probelauf für alle im Skiweltverband FIS organisierten Sportarten. Auch für den Tourismus in Tirol?

Das zu beurteilen, benötigt mehr Kenntnis. Es ist natürlich schon so, dass es bei einer Weltcupveranstaltung unter anderem auch um die Darstellung bestimmter touristischer Regionen geht. Es mag eine Rolle spielen, dass die Söldener zeigen wollen, sie können verantwortungsvoll mit dem Thema Corona umgehen, und dass sie auf eine gewisse Signalwirkung hoffen. Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Österreich, dass Tirol durch das Thema Ischgl stigmatisiert wurde.

Das Hygienekonzept von Sölden mit Testungen vor Ort, Abschottung der einzelnen Gruppen – und das alles ohne Zuschauereinnahmen – ist sehr aufwändig, auch finanziell. Ist so etwas auf allen Stationen des Weltcups möglich?

In Sölden gibt es ein extrem großes Interesse, sportlich, politisch und wie gesagt auch touristisch. Und auch die FIS hat ein großes Interesse, denn man kämpft ums nackte Überleben. Die FIS sagt ja selbst, dass nach einem Winter ohne Weltcup 80 bis 90 Prozent der Verbände nicht mehr existieren würden – und somit der Sport auch nicht mehr. Deshalb will man in Sölden Standards setzen. Das Konzept der Testung, der Isolation ist verbindlich, ebenso wurden die Trennung von Damen- und Herrenwettbewerben sowie Disziplinen im Kalender verankert.

Auch die Kosten für die einzelnen Verbände steigen. Allein für die Testmaßnahmen aller Disziplinen in diesem Winter veranschlagt der DSV rund 1,2 Millionen Euro.

Wir müssen mit einem negativen Test zum Weltcup anreisen. Und der darf nicht älter als 72 Stunden sein, das heißt, es wird im Dreitagesrhythmus getestet. Wir bauen deshalb gerade mit Laboren ein Logistiksystem auf, weil wir ja im Weltcup zwar nur europaweit unterwegs sind, aber man diese Tests ja in die Labore bringen, um die engen Fristen einzuhalten.

Das Geld sitzt bei den Sponsoren in diesen Zeiten vielleicht nicht mehr so locker. Muss sich der DSV einschränken?

Unsere Hauptsponsoren haben ihr Engagement bestätigt. Wenn die Saison einigermaßen strukturiert abläuft, dann denke ich, dass der DSV sehr ordentlich aus der Pandemiezeit herauskommen kann. Wenn uns unsere Weltcupveranstaltungen allerdings wegbrechen, dann gibt es auch bei uns massive Probleme. Der DSV finanziert seinen Jahresgesamtbedarf von fast 37 Millionen Euro ja zu gut 90 Prozent selbst. Wir werden nur zu einem geringen Teil, gemessen am Gesamtaufkommen, durch die öffentliche Hand gefördert. Deshalb sind wir auch bestrebt, alle in Deutschland geplanten Weltcups stattfinden zu lassen und eine gute nordische Ski-WM in Oberstdorf zu zeigen.

Gehörte die logistische und organisatorische Vorbereitung auf diese Saison zu den größten Herausforderungen in Ihrer Zeit als Alpin-Chef?

Wir haben versucht, uns lösungsorientiert zu bewegen, die Vorschriften zu beachten und nicht zu lamentieren. Dass die Verhältnisse in Südamerika für ein Training ideal gewesen wären, haben wir nicht zum Thema gemacht, sondern uns stattdessen an die vorhandenen Möglichkeiten angepasst. Wir haben gute Voraussetzungen vorgefunden in Österreich, Italien, der Schweiz, am Anfang noch in Norwegen und versucht, das Beste daraus zu machen. Das Einzige, was uns wirklich massiv beeinträchtigt hat, ist unser Standortnachteil. Um uns herum hatten fast alle Na­tio­nen Möglichkeiten, im eigenen Land zu trainieren, als die Reisebeschränkungen unseren Aktionsradius massiv eingeschränkt haben. Wir haben zwar die Zugspitze, aber da konnten wir leider nicht trainieren.

Das betrifft aber doch vor allem den Nachwuchs?

Ja, da sehe ich auch das größte Problem überhaupt, weil es um die Nachhaltigkeit unseres Sports geht. Der Nachwuchs ist irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig, wenn er wie in diesem Jahr keine oder aufgrund der Reisebeschränkungen nur wenig Gelegenheit hat, zu trainieren. Ich glaube, das wird sich über kurz oder lang auch in anderen Sportarten zeigen. Es gibt einfach eine unterschiedliche Behandlung zwischen Auszubildenden, das sind die Nachwuchsfahrer für mich, und den Profis.

Viele Skirennläuferinnen und Skirennläufer des DSV beendeten in diesem Jahr ihre Karriere. Die größte Lücke hinterlässt wohl Viktoria Rebensburg. Wie schwer wiegt ihr Fehlen?

Der erste Impuls, der auch von außen kommt, ist da natürlich: Jetzt fehlt bei den Frauen eine Siegfahrerin. Natürlich wäre es uns in der Situation lieber gewesen, mit dem Flaggschiff Viktoria in den Weltcup zu ziehen. Ihr Rücktritt ist aber auch eine Chance für neue Gesichter.

Sie klingen ganz optimistisch …

Wir sehen im Nachwuchs Athletinnen, die unter den besten Zehn in der Weltrangliste ihres Jahrgangs stehen. Das lässt mich schon mit einem gewissen Optimismus rangehen, dass wir auch in den nächsten Jahren wieder im Weltcup der Frauen unter den besten Fünf oder Zehn dabei sein können. Das heißt nicht, dass wir ad hoc mit Mikaela Shiffrin konkurrieren können, aber das Potenzial dagegenzuhalten, haben wir auf alle Fälle.

Die Hoffnung ruht nun fast ausschließlich auf den deutschen Männern um Abfahrer Thomas Dreßen. In Sölden steht aber erst einmal Stefan Luitz im Fokus. Was erwarten Sie sich von ihm in dieser Saison?

Er macht einen guten Eindruck, aber auch die anderen Jungs aus der Technikergruppe, wie Linus Straßer oder Alexander Schmid, wirken gefestigt. Sie hatten alle eine schwierige Situation, nachdem die Galionsfigur Felix Neureuther weggebrochen war. Aber die Phase ist vorbei. Das Herrenteam sorgt bei mir jedenfalls für keine Sorgenfalten.

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