Susanne Schwarz über die geplante Verschärfung des EU-Klimaziels
: Klima der Unverbindlichkeit

Es hätte schlimmer kommen können. Ursula von der Leyen hat am Mittwoch erklärt, wie sich ihre EU-Kommission das neue Klimaziel des europäischen Staatenbundes für das Jahrzehnt vorstellt. Sie will, dass die Länder zusammen mindestens 55 Prozent der Treibhausgas-Emissionen gegenüber dem Niveau von 1990 einsparen. Zuvor war die Rede von einer Reduktion um 50 bis 55 Prozent gewesen. Die EU-Kommission will nun also ans obere Ende dieser Spanne. Jetzt müssen die Regierungen der EU-Staaten und das Europaparlament darüber verhandeln.

Ob die EU mit dem aktuellen Vorstoß das Pariser Weltklimaabkommen einhalten würde, ist schwer zu sagen. Es ist eines seiner großen Schwächen, dass es kaum Handwerkszeug liefert, um das Handeln einzelner Staaten zu bewerten. Fast 200 Staaten haben darin versprochen, die Erderhitzung gemeinsam bei „deutlich unter 2 Grad“, möglichst sogar bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu halten. Die Klimawissenschaft kann abschätzen, wie viel Treibhausgas dafür noch entweichen darf. Für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit auf das 1,5-Grad-Ziel muss die Welt laut Weltklimarat bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Auf diesen Pfad will die EU mit ihrem neuen Klimaziel kommen. Die Frage ist: Reicht uns eine Fifty-fifty-Chance bei der Bewahrung eines stabilen Weltklimas? Das regelt das Parisabkommen nicht.

Es macht auch kaum Aussagen darüber, wie viel die einzelnen Staaten von dem verbleibenden CO2-Budget abbekommen sollten. Geht man nach Bevölkerungsgröße? Nach der historischen Verantwortung eines Landes? Nach der aktuellen Finanzkraft?

Greift man solche Fairnessfragen auf, müsste die EU deutlich früher als 2050 klimaneutral werden, um anderen Staaten mehr Zeit zu geben. Das schwache Design des Parisabkommens hat es möglich gemacht, dass fast alle Staaten dabei sind. Es zieht die Regierungen aber nicht zur Verantwortung. Den Job muss die Zivilgesellschaft übernehmen. An den Wahlurnen, auf der Straße und – wie es in Form von Klimaklagen immer häufiger geschieht – vor Gericht.

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