Frauen in Führungspositionen: Karriere im Eimerchen

Mutterschutz ist für eine Vorständin nicht vorgesehen. Das offenbart, wie sehr das deutsche Gesetz noch in den 50er Jahren steckt.

Diane Keaton sitzt lächelnd neben ihrem Baby im Film Baby Boom

Diane Keaton mit Karrierehemmnis im Film „Baby Boom“ Foto: Mary Evans Picture Library/picture alliance

Die ideale deutsche Mutter schneidet morgens um sechs Uhr Apfelschnitzen und stanzt belegte Toastbrote zu Sternen für die Butterbrotdosen aus. Das glockenhelle Kinderlachen beim Picknicken auf karierten Decken ist ihr größter Lohn. Abends hat sie Mehl auf der Nasenspitze und Sand in Schuhen.

Die weniger gute Version einer Mutter geht Vollzeit arbeiten, wirkt immer gehetzt, überfordert, hat ein merkwürdiges Elternsexleben und bei jeder Konferenzschalte Kacke unter den Fingernägeln. Kindergartenplätze sind rar, der grüne Rotz in der Kita ihres Kleinkindes ist allgegenwärtig. Irgendwann klappt sie zusammen und sieht ein, dass eine verlängerte Elternzeit doch vernünftiger wäre.

Mittelschichtmütter scheitern an fehlenden Betreuungsplätzen, innerer Zerrissenheit und schlechter Baby-Work-Life-Balance, Frauen mit Kindern in Führungsetagen schlicht am deutschen Gesetz. Das zeigt der Fall von Vorzeige-Gründerin und Vorständin Delia Lachance.

Lachance war zum 1. März von ihrem Amt als Vorstandsmitglied von Westwing zurückgetreten – „weil die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften aktuell nicht die Möglichkeit vorsehen, Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch zu nehmen“, heißt es in einer Erklärung von Westwing.

Auch Männer betroffen

Die Meldung hatte bereits im März in der deutschen Wirtschaft für Empörung gesorgt. Die Lobbyinitiative #Stayonboard rund um die Digitalunternehmerin Verena Pausder trommelt seitdem für eine Änderung des Aktiengesetzes zugunsten von Müttern. Nun hat das Bundesjustizministerium erstmals zur Initiative Stellung genommen und angekündigt, weiter zu prüfen, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion.

So oder so ist die Karriere also oft im Eimerchen. Tatsächlich aber gibt es hierzulande das grundsätzliche Problem, dass längerfristige Abwesenheit Vorstandsmitglieder zur Niederlegung ihres Mandats zwingt. Bleibt jemand im Amt, bestehen auch die Pflichten weiter, die die Position mit sich bringt – inklusive des Haftungsrisikos. Auch männliche Vorstandsmitglieder sind davon betroffen.

Schwangere Vorstände sind in diesem rechtlichen ­Konstrukt allerdings erst gar nicht vorgesehen. Das ist sogar politisch gewollt, wie der Leitfaden des Bundesfamilienministeriums zum Mutterschutz von 2020 nahelegt. Darin steht, dass Geschäftsführerinnen juristischer Personen oder Gesellschaften vom „MuSchuG“ ausgenommen sind.

Ja, Vorständin müsste man sein, dachte ich einst, als meine einjährige Tochter hochfiebrig mit eitriger Mittelohrentzündung und mein Sohn mit Lungenpfeifen zur üblichen Winter-Grippe-Saison zu Hause bleiben mussten. Vorständin müsste ich werden und gleich zwei Kindermädchen einstellen, die mir meinen Nachtschlaf sichern könnten. Dass eine Vorständin oder weibliche Führungskraft im Jahr 2020 von den gesetzlichen Errungenschaften einer Arbeitnehmerin wie mir träumen könnte, kam mir nicht in den Sinn.

Dann eben Apfelbrei

In Nancy Meyers Kultfilm „Baby Boom“ aus dem Jahr 1987 kämpft die Unternehmensberaterin J.C. Wiatt (gespielt von Diane Keaton) mit Baby gegen ihre grauhaarigen alten Männer-Kollegen, um Partnerin zu werden. Sie scheitert. Am Ende findet sie ihre Erfüllung, als sie (mehr durch Zufall) ein Start-up für Baby-Apfelbrei gründet. Die Botschaft ist unmissverständlich: Jede Bestrebung, die Mütter von ihrer eigentlichen biologischen Bestimmung (dem Baby) und aus ihrem natürlichen sozialen Gefüge (Heim & Herd) entfernt, rächt sich und kostet nur Zeit und Nerven. In Amerika war damals, als „Baby Boom“ in die Kinos kam, die Devise hip: „You can’t have it all“ (dt. „Du kannst nicht alles haben“). Nicht Karriere und Kinder gleichzeitig.

In Deutschland sind laut dem Ministerium von Franziska Giffey (SPD) keine Mütter von Babys als Vorständinnen vorgesehen. Dasselbe gilt übrigens auch für Selbstständige und natürlich für die Väter. Auch hier lautet die Aussage für alle Eltern, dass Leistung sich nicht lohnt.

Meine Tochter ist heute sechs Jahre alt, sie sieht mir zu, wie ich um sechs Uhr morgens Butterbrotdosen mit Melonen- und Birnenstücken kuratiere. „Ich will später mal keine Kinder. Viel zu anstrengend“, sagt sie trocken. Ich kann sie verstehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.