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Kritik an Grünen-Plakat zu Glyphosat„Bild“ und CDU irren

Die „Bild“-Zeitung und die CDU werfen den Grünen Täuschung vor – zu Unrecht. Anlass ist ein Plakat zum Pestizid Glyphosat.

Kartoffelfeld Foto: VIADAT/imago

Berlin taz | Die Bild-Zeitung und die CDU dachten, sie könnten den Grünen mal richtig eins auswischen: Wählertäuschung und Ahnungslosigkeit warfen sie der Partei vor, weil die im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlkampf mit einem Plakat wirbt, auf dem eine Kartoffel unter dem Slogan „Grün ist, auch ohne Glyphosat die dicksten Kartoffeln zu haben“ zu sehen sind. „Beim Kartoffel-Anbau ist das umstrittene Herbizid in Deutschland verboten“, schrieb das Springer-Blatt. Doch das ist falsch.

In dem am Freitag auf bild.de erschienenen Artikel unter der Überschrift „Grüne täuschen mit Kartoffel-Plakat“ heißt es: „In Wahrheit wird Glyphosat von Bauern nur benutzt, um Unkräuter zu bekämpfen. […] Die Knollen würden bei Glyphosat-Einsatz beschädigt oder absterben.“ CDU-Generalaekretär Josef Hovenjürgen sagte in einem weiteren Text der Boulevardzeitung: „Das Plakat ist ein Beleg dafür, dass man vom Sachverhalt keine Ahnung hat.“ Für Vizefraktionschef Gregor Golland ist das Motiv „ideologische Wählertäuschung“.

Tatsächlich bestätigt die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, dass Kartoffelpflanzen vor der Ernte nicht mit dem unter Krebsverdacht stehenden Pestizid gespritzt werden. Aber um das Feld für die Pflanzen zu säubern und vorzubereiten, „wird auch mal Glyphosat eingesetzt“, sagte Pressesprecherin Lea Piepel am Montag der taz. Nach der Ernte könnten Kartoffelpflanzen, die aus übriggebliebenen Knollen gewachsen sind und die dann ausgesäte Frucht stören würden, mit dem Gift vernichtet werden. Das bestätigte auch Jan Wittenberg, Ackerbauexperte der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Das Plakat der Grünen ist keine Irreführung“, sagte der Bauer der taz. Und: Laut Pflanzenschutzmittel-Datenbank des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind in Deutschland 82 Pestizide mit dem Wirkstoff Glyphosat bei Kartoffeln zugelassen.

Foto: Die Grünen

Mona Neubaur, Vorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, teilte mit: „Wir sehen aktuell keinen Grund, die Plakate abzuhängen.“ Sie wies darauf hin, dass die Wahlkampagnen vieler Parteien mit zugespitzten Wortspielen arbeiteten. „So steht ‚Dickste Kartoffel‘ im Deutschen sprichwörtlich für eine reiche Ernte, und Glyphosat steht als bekanntestes Ackergift symbolisch für landwirtschaftliche Praktiken, die unsere Natur zu stark belasten.“

Bild und CDU wollten ihre Kritik auf taz-Anfrage nicht widerrufen. Generalsekretär Hovenjürgen präzisierte aber, dass beim „eigentlichen Anbau“ von Kartoffeln kein Glyphosat eingesetzt werde. Die Behandlung des Feldes vor dem Legen der Saatkartoffeln und nach der Ernte erwähnte er damit nicht.

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15 Kommentare

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  • Zugespitzte Sprache also? Na, die benutzen die Parteien aus der rechten Ecke auch und da wird es (zu recht) als billiger Populismus angeprangert. Sind die Grünen die neue AFD? Und wie Herr Witte anmerkt haben die Grünen das Sprichwort falsch in Erinnerung. Es geht nicht um die reiche Ernte, sondern steht für die angeblich so dummen Bauern. Man sollte wissen, worüber man sich äußert, aber darum geht es dieser Partei schon längst nicht mehr.

  • "BILD und CDU irren" ist ein Allgemeinplatz wie "Wasser ist nass"

  • Normal heißt es ja, die dümmsten Bauern ernten die Dicksten Kartoffeln, könnte wirklich der Leitspruch für die Grünen sein.

  • Wirklich armselig, sich an einem solchen Plakat abzuarbeiten.

    Keine bessere Angriffsfläche bei den Grünen gefunden? Autsch.

  • Das Glyphosat zur "auflaufenden Irgendwas"-Bekämpfung eingesetzt wird, ist trivial wahr.



    Es gilt nicht nur für Kartoffeln, sondern für jede Feldfrucht, die nicht von "Irgendwas" überwuchert werden soll.

    Glyphosat speziell mit Kartoffelanbau in Verbindung zu bringen ist irreführend:



    Denn Krautabtötung wird vor der Ernte mechanisch oder chemisch durchgeführt, aber eben nicht mit einem Herbizid, dass in den Saftstrom der Pflanze gerät: Denn diese würde dadurch zerstört.



    ("Kontaktherbizide" werden benutzt, die aber nicht in der Knolle landen. Denn die ist UNTER der Erde, liebe Grüne und TAZ-Leser)

    Aber schöner, dünner Versuch, die peinliche Wählerverarsche der Lieblingspartei noch zu retten!



    (AbL zu zitieren ist auch schön: Sind da überhaupt Bauern in dem Verband? Wie groß ist der eigentlich?)

  • Immer rinn mit den Giften, wenn nichts mehr wächst, können wir direkt Glyphosat&Co fressen!

  • Wenn das Wort 'Lügenpresse' irgendwo zutrifft, dann ist es bei der sog. 'Bildzeitung' - vielleicht mit Ausnahme einiger Hetzblätter besonders aus Nazihänden.

    Lügen und Hetze haben ja bei diesem 'Revolverblatt' eine lange Tradition, wir mussten es allzu oft wahrnehmen.

    Und dass wir eine CDU-'Landwirtschaftsministerin' haben, der nur das Wohl und der dicke Geldbeutel der Ganzen Kette der Nahrungsmittelindustrie wichtig ist, ist auch hinreichend bekannt. Ach wäre sie doch lieber nur Weinkönigin geblieben!

    Können wir als Besseres von diesen beiden Spießgesellen CDU und 'Killt' erwarten?

  • Bevor Kartoffeln gelegt werden, wird üblicherweise der Boden tief gepflügt. Damit sind alle Pflanzen, die vorher dort standen, untergegraben und stören den Kartoffelanbau nicht mehr. Somit ist Glyphosat als Totalherbizid im Normalfall nicht erforderlich.



    Aber klar - innerhalb der Fruchtfolge kann eine Anwendung vor oder nach dem Kartoffelanbau erfolgt sein.



    Auf dem Bild geht es aber doch vor allem um die Symbolik, da ist die konkrete Kultur nicht so bedeutend.



    Glyphosat ist mittlerweile leider so stark verbreitet, dass es auch in Impfstoffen gefunden wird.

  • Die Aussage meines früheren Deutschlehrers in den 80er Jahren gilt unverändert: "Die Bild-Zeitung ist nicht gut genug, um darin einen faulen Knochen einzuwickeln."

    Rezo, wann geht es weiter? :-)

  • Bei der CDU kommt es auf eine Lüge mehr oder weniger echt nicht mehr an.

    Wenns so weitergeht muss die CDU den Hammelsprung im Bundestag verbieten weil sie mit den kurzen Beinen die Treppe nicht mehr hochkommen.

  • Schließe mich an. So ein: „Ätsch, selber Trottel!“ hätten sich Bild und die CDU mehr als verdient mit ihrer dämlichen Aktion. Und wusste nicht schon ihrerseits die Oma meiner Oma: „Wer andern eine Grube gräbt...“?

    Traurig nur, dass es anno 2020 im Muster-(Schüler*innen-)Land Deutschland möglich ist, mit dermaßen kindischem Verhalten Wahlausgänge zu beeinflussen. Scheint nicht all zu weit her zu sein mit der Mündigkeit (zu) vieler Bundesbürger. Kein Wunder angesichts unseres Bildungs- und Erziehungs-(un-)wesens. Fehlt ja auch ganz gewaltig an positiven Vorbildern.

  • Um der Sogwirkung derart haltloser Beschuldigungen zu begegnen, wäre ein kleines Zusatzplakat auf die Wahlplakate der Grünen anzuraten mit dem augenzwinkernden Text '.. und es stimmt doch, CDU und BILD!😉' denn unwidersprochen bleibt immer etwas hängen, und das kann dem Ruf ärger schaden, als man zunächst denken mag. Damit musste ich schon mehrfach Erfahrungen sammeln. Also Grüne, wehret den Anfängen!

    • @noevil:

      Ja unbedingt, sehr zu empfehlen, hier nochmals "nachzulegen".



      CDU und Bild hauen solche ungeprüften Behauptungen ja gerne raus, auch mit der Gefahr das alles haltlos ist; Populismus in Reinstform.



      Wenn am ende des Tages alles widerlegt ist, bleibt häufig doch etwas negatives durch die Berichterstattung hängen.



      da hilft einfach nachlegen, mit Bezug auf die Falschmeldung von Bild und CDU, damit das Negative da ankommt wo es hingehört.

      • @Sonnenhaus:

        na ja, die Kommunalwahl NRW war am 13.9.2020.

        Die Plakate zur Wahl sind lange auf dem Müll, die der Grünen im Recycling.

    • @noevil:

      Das traurige dabei ist, dass der durchschnittliche Bild-Leser jetzt schon den Unsinn der Zeitung weiterverbreitet. Selbst wenn sie jetzt wieder was anderes behaupten würden (wie üblich irgendwo ganz klein geschrieben), würde das nichts bringen.



      Deswegen finde ich die Idee mit dem Zusatz ziemlich gut.