Tobias Schulze über den eventuellen US-Truppenabzug
: Zu früh gefreut

Die Stationierung von US-Truppen in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten nicht viel zum Weltfrieden beigetragen. Die US-Armee nutzt ihre hiesigen Stützpunkte als Drehscheibe für desaströse Kriege wie den im Irak und als Funkstation für völkerrechtswidrige Drohnenangriffe auf der halben Welt. Mit Unterstützung von Bundeswehr und Nato bevorratet sie hierzulande zudem Waffen für einen potenziell apokalyptischen Atomkrieg. Die amerikanischen Medienberichte, denen zufolge Präsident Donald Trump Tausende seiner Soldat*innen aus Deutschland abziehen will, sind daher zunächst einmal erfreulich.

Die Ernüchterung folgt allerdings schon auf den zweiten, dritten und vierten Blick. Ob Trump an seinen Plänen, wenn er sie denn wirklich hegt, auch tatsächlich festhalten wird, ist erfahrungsgemäß unsicher. Selbst wenn: Den größeren Teil der US-Truppen will er den Berichten zufolge in Deutschland belassen. Die für die US Army so wichtige Militärinfrastruktur in Deutschland wird er nicht aufgeben.

Vor allem aber will er die Solda­t*in­nen den Berichten zufolge nicht nach Hause zurückholen, sondern zu­mindest einen Teil von ihnen künftig in Polen stationieren. Näher also an ­Russland und dessen Ostsee-Enklave Kaliningrad. Die Eskalationsgefahr im Ost-West-Konflikt könnte damit steigen.

Komplett neu wäre diese Entwicklung allerdings nicht. In den letzten zwanzig Jahren hat die Nato zunächst ihr Bündnisgebiet schrittweise nach Osten erweitert und dann auch ihre Truppenpräsenz erhöht. Sollte es für diese Entwicklung keine Haltelinie ­geben, sollten die USA irgendwann auch Kampftruppen fest in Polen stationieren oder gar ihre Atomwaffen dorthin verlagern, wäre die Chance auf Entspannung dauerhaft verbaut. Für den Truppenabzug aus Deutschland würde das bedeuten: zu früh gefreut.Zum Thema

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