Abschlussprüfungen an Stadtteilschulen: Ins kalte Wasser

Hamburgs Schulsenator will die Prüfungen an den Stadtteilschulen durchziehen. Elternräte fordern eine Absage analog zu Berlin und NRW.

Schüler am Schultisch schreibt auf ein Blatt

Prüfungen nach sechs Wochen Schulschließung sind sehr umstritten Foto: dpa

HAMBURG taz | Erst vier Tage und nur stundenweise gingen die Schüler der 9. und 10. Klassen wieder zur Stadtteilschule. Nun sollen sie von Morgen an gleich Prüfungen schreiben: in Englisch, Deutsch und Mathe. „Die Eltern machen sich große Sorgen“, sagt Thomas Köster von der Elternkammer. Sie sähen ihre Kinder nicht genug vorbereitet und hätten gesundheitliche Bedenken.

Die Elternräte mehrerer Stadtteilschulen fordern die Absage. Es sei nicht möglich, dass in so kurzer Zeit sechs Wochen Schule aufgeholt werden, schreibt der Elternrat der Stadtteilschule Lurup. „Die Jugendlichen konnten die Prüfungsvorbereitungen zu Hause nicht so wahrnehmen wie in der Schule“, ergänzt Nina Steffen vom Elternrat der Reformschule Winterhude. „Chancengleichheit ist nicht gegeben.“

Die zentralen Prüfungen für den Ersten und den Mittleren Schulabschluss, ESA und MSA, wurden erst nach der Pisa-Studie eingeführt. Früher gab es den Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife auf Basis der normalen Noten. So könnte es im Corona-Jahr 2020 auch sein.

Besonders ärgert die Eltern eine Reaktion von Schulsenator Ties Rabe (SPD). Eine Umfrage der Elternkammer hatte kürzlich ergeben, dass sich ein Drittel der Familien an Stadtteilschulen mit Homeschooling überfordert fühlt und jeder zweite Schüler sich nicht gut auf die Prüfungen vorbereitet sieht.

Prüfungen binden das Personal

Darauf erklärte Rabe: „Zu jeder Prüfung gehört dazu, dass man das Gefühl hat, nicht perfekt vorbereitet zu sein.“ Diese Äußerung nehme die Ängste und Nöte „in keinster Weise ernst“, kritisiert der Elternrat der Ida-Ehre-Schule. Ohnehin sei dort ein Drittel des Kollegiums aktuell nicht einsetzbar. Die Prüfungen würden nun viel Personal binden und dazu führen, „dass alle anderen Kinder noch schlechter begleitet werden“.

Zudem müssen die Eltern an einigen Schulen vor einer Prüfung unterschreiben, dass es im Umfeld des Schüler keinen Covid-19-Fall gibt oder gab. Damit werde Verantwortung auf die Familien abgewälzt, obwohl derzeit niemand eine solche Garantie übernehmen könne.

Die Schulbehörde führt ins Feld, dass die gerade erst durchgeführten Abiturprüfungen gut liefen. „Im Vorwege gab es viele Befürchtungen, die sich nicht bewahrheitet haben“, sagt Sprecher Peter Albrecht. Sorgen seien verständlich, aber nicht berechtigt. Alle Länder hätten sich darauf verständigt, die Prüfungen stattfinden zu lassen. „Hamburg wird hier nicht ausscheren.“

Nordrhein-Westfalen hingegen verzichtet auf zentral gestellte Prüfungen. Und Berlin sagt die schriftlichen MSA-Prüfungen gar ganz ab. Ohne die könnten die Schulen mehr Unterricht bieten, „gerade auch für die benachteiligten Schülerinnen und Schüler“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Nach Berlins Vorbild die Prüfungen abzusagen und die Kinder in die Schule zu holen, die es am nötigsten brauchen, fordern auch Lehrerverbände und die GEW. „Ich erwarte von einem modernen Schulsenator eine offene Debatte über diese Vorschläge“, sagt Elternrätin Nina Steffens. Andernfalls frage sie sich, ob Rabe für eine neue Legislatur „der Richtige ist“.

Eltern können Entschuldigung schreiben

Die Elternkammer fordert nun mindestens drei Wochen Prüfungsvorbereitung in der Schule. Es sollte möglich sein, dass ein Schüler von der Prüfung zurücktritt „ohne negative Folgen“, sagt Thomas Köster.

Die Schulbehörde erlaubt nun den Neuntklässlern, die nicht abgehen, die ESA-Prüfung 2021 zu schreiben. Zudem hätten Eltern „grundsätzlich das Recht, ihr Kind nicht zur Schule zu schicken, wenn davon besondere Gefahren ausgehen“, so Albrecht. Eine Entschuldigung für die MSA-Prüfung sei möglich. Dafür gebe es Nachschreibtermine Ende Mai.

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