Jährliches Tannensterben: Baumleiche im Wohnzimmer

Für Weihnachtsromantik müssen allein in Deutschland jedes Jahr 27 Millionen Bäume sterben. Ein barbarischer Akt.

Frau vor geschmücktem Baum

Zwei Wochen lang siecht ein Baum im überhitzten Weihnachtszimmer seinem Ende entgegen Foto: Arun Kuchibhotla/Unsplash

Weihnachten ohne Baum? Ist für die meisten Deutschen nicht vorstellbar. 27 Millionen Weihnachtsbäume werden nach Angaben des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger jährlich allein in Deutschland gefällt und für zwei Wochen in Wohnzimmer gestellt. Und dann wandern sie auf den Müll. Einfach so. Job erledigt. Tot.

Es ist ein arborischer Weihnachtshorror, der viel zu wenig Aufmerksamkeit findet. Statt dessen vernebeln und übertünchen Politik, Verbände und Medien diese Barbarei mit einer groß angelegten Greenwashing-Kampagne: Der Massenmord an Bäumen sei nachhaltig und ökologisch verträglich, es sei im Gegenteil ein naturnahes Erlebnis für die ganze Familie. Es kommen weihnachtsbaumapologetische Infos, die sogar eingefleischte Konsumkritiker_innen weich werden lassen – aber tatsächlich in die Irre führen.

„Weihnachtsbaum geht doch auch in Bio!“ – Ja, Marktanteil derzeit 0,5 Prozent. „Man kann auch einen lebendigen Baum mieten.“ – Kann man, aber es ist ökologisch auch bedenklich, weil das überheizte Weihnachtszimmer den Baum sehr irritiert. „Dann nehme ich halt einen Plastikbaum!“ – Das rechnet sich ökologisch je nach Quelle erst nach acht Jahren oder nach 20 Jahren.

Dabei sollte man sich allein mal die Zahl klarmachen. 27 Millionen, siebenundzwanzig Millionen, 27.000.000 Bäume werden acht bis zwölf Jahre herangezüchtet, meist in Monokulturen und mit Pestiziden besprüht, um dann zwei Wochen lang in muckelig warmen Buden ihrem endgültigen Ende entgegen zu siechen. Eine Baumleiche im Wohnzimmer, beladen mit Kerzen, Tand und Lametta.

Das nächste Weihnachten kommt bestimmt

27 Millionen Bäume, das ist Wald in einer Fläche von ca. 400 Quadratkilometern, also 56.000 Fußballfelder, ungefähr halb so groß wie die Stadt Hamburg. Das ist natürlich sehr wenig im Vergleich zu der Zerstörung des Amazonas, angeblich wurden allein im Juli 2019 rund 2.500 Quadratkilometer zerstört – und es ist im Gegensatz zum Regenwald auch kein verlorenes Gebiet, sondern wird brav wieder aufgeforstet (das nächste Weihnachten kommt bestimmt).

Doch dieser Vergleich führt sowieso in die Irre: Anstatt mit dem Finger auf Brasilien oder Indonesien zu zeigen, sollten die Deutschen selbst nachdenken, wie sie diese Untat verhindern können, dieses nahezu sinnfreie Massaker an wehrlosen Lebewesen, die keiner Fliege etwas zuleide tun.

Denn es geht auch anders! Bereits im vergangenen Jahr erörterte die taz am Wochenende sechs umweltschonende Weihnachtsbaum-Alternativen, vom patenten Kleiderbügel-Drahtbaum bis zur pfiffigen Leitervariante. Und warum muss es ein sterbender Nadelbaum sein, der mit Lichtern behängt wird? In deutschen Haushalten stehen genug Grünpflanzen rum, denen sich ein Weihnachtsengel aufstecken ließe. Dafür müssen wirklich keine Tannen sterben.

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