Debatte über Vermögensteuer: Grüne bleiben lieber vorsichtig

Der SPD-Vorstoß für eine Vermögensteuer stößt bei den Grünen auf gebremste Begeisterung. Parteichef Habeck wirbt lieber für eine Digitalsteuer.

Annalena Baerbock und Robert Habeck sitzen nebeneinander an einem Tisch

Würden sie für die Vermögenssteuer kämpfen? Annalena Baerbock und Robert Habeck in Dresden Foto: dpa

DRESDEN taz | Eigentlich sind die Grünen ja für eine Vermögensteuer. So hat es ein Parteitag beschlossen, so steht es in ihrem Programm. Dennoch fällt die Begeisterung über den SPD-Vorstoß gedämpft aus. Gefragt, was er davon halte, sagt Grünen-Chef Robert Habeck, dass es „ohne Frage richtig“ sei, „dass höhere Vermögen einen größeren Beitrag zum Steueraufkommen leisten müssen“. Aber dann folgen mehrere Abers und Abschwächungen.

Aus Union und SPD komme „in großer Hektik jeden Tag irgendein neuer Vorschlag“, betonte Habeck am Montag bei einer Vorstandsklausur in Dresden – alles mit einer Haltbarkeit von 24 Stunden. Die SPD regiere, aber dem Staat entgingen durch Schlupflöcher viele Milliarden, es gebe keine Finanztransaktionssteuer und keine Digitalsteuer. Habecks Fazit: „Eigentlich ist der Appell: Tut das Mögliche, das Naheliegende.“

Manchmal ist die Tonlage entscheidend. Habeck unterstellt der SPD Unernsthaftigkeit, verweist auf andere Themen, lenkt also ab. Das „Naheliegende“ ist die Vermögensteuer für die Grünen jedenfalls nicht. Statt sich darüber zu freuen, dass die SPD auf die Linie von Grünen und Linkspartei schwenkt, ist die grüne Botschaft: Vermögensteuer schon, im Prinzip jedenfalls, aber lasst uns lieber über Wichtigeres reden.

Am Dienstag legt Habeck nach – mit einem ganz anderen Vorstoß in der Steuerpolitik. Finanzminister Olaf Scholz müsse endlich die Digitalsteuer in Deutschland voranbringen, fordert er. Die SPD sinniere abstrakt über eine Vermögensteuer, während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Europa vormache, „wie man dem Steuerdumping großer Digitalunternehmen einen Riegel vorschieben kann.“ Wieder dimmt der Grünen-Chef die Idee der Vermögensteuer herunter.

Erbitterter Widerstand

Frage an Grünen-Chef Habeck: Warum freuen Sie sich nicht, dass die SPD ein wichtiges linkes Projekt unterstützt? Er wiederholt, dass hohe Vermögen mehr zum Staatsaufkommen beitragen müssten. Aber das Wort Konzept für die SPD-Ideen zu verwenden, sei mutig, das sei ein „Wahlkampf-Gimmick auf den letzten Metern“. Man müsse aber weiter darüber nachdenken, wie man die Besteuerung hinbekäme. Begeisterung klingt anders.

Wer im Ungefähren bleibt, ist weniger angreifbar – das haben die Grünen gelernt. Die Vermögensteuer wird, anders als eine Digitalsteuer, von Konservativen, Liberalen und Wirtschaftsverbänden scharf attackiert – und als sozialistischer Irrsinn diffamiert. Ein klares Ja könnte die Grünen Stimmen in konservativen Wählermilieus kosten, in denen sie zunehmend erfolgreich sind. Die Steuer ist außerdem ein Symbol für ein Linksbündnis im Bund, weil sie nur gegen den erbitterten Widerstand der Union eingeführt werden könnte. An solch einer Lagerverortung hat die Grünen-Spitze kein Interesse.

Aus der zweiten Reihe kam hingegen grünes Lob für die SPD. „Gut, dass jetzt wieder über die Vermögensteuer diskutiert wird“, twitterte Sven Lehmann, der sozialpolitische Sprecher der Fraktion. „Wir müssen stärker investieren – in Klimaschutz, Infrastruktur und sozialen Zusammenhalt.“ Arbeitsmarktexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn schrieb: „Die reichsten ein Prozent müssen sich definitiv stärker an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligen.“

Die Vermögensteuer war bei den Grünen lange und heftig umstritten. Die einen sind entschieden dafür, die anderen lehnen sie ebenso entschieden ab. Der Streit wurde auf einem Parteitag in Münster Ende 2016 entschieden. Die Delegierten stimmten mehrheitlich für die Steuer. Die Formulierung im Wahlprogramm 2017 klingt wegen interner Kompromisse maximal vorsichtig. Die Grünen, heißt es da, wollten „eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche“.

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