Frankreichs Kasse streicht Homöopathie: Adieu Globuli
Unsere Nachbarn machen alles richtig. Die Kügelchen dürfen nicht alle bezahlen. Auch in Deutschland muss Schluss mit Hokuspokusbonus sein.
F ehler zu erkennen und zu korrigieren ist eine Leistung, die nicht zu gering geschätzt werden darf. In diesem Sinne: Großes Lob an Frankreich, genauer gesagt, an Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Sie nämlich hat entschieden, dass die Krankenkassen ab 2021 die Behandlung mit homöopathischen Pseudomedikamenten nicht mehr bezahlen dürfen. Das eingesparte Geld – rund 127 Millionen Euro im Jahr – kann dann für Therapieformen ausgegeben werden, die eine wissenschaftliche Grundlage haben.
Zugegeben: Im Vergleich zu den Gesamtausgaben im Gesundheitssystem ist die Summe nicht allzu groß. Aber es geht auch nicht nur ums Geld: Es geht darum, zu zeigen, was eine aufgeklärte Gesellschaft als Medizin akzeptieren darf (alles mit Wirkungsnachweis) und was nicht (alles andere).
Natürlich können in bestimmten Lebenslagen auch andere Dinge helfen (Zuckerkügelchen ohne Wirkstoff, Schokolade, Netflix), aber das ist dann eben keine Medizin, für deren Kosten die Krankenkassen aufkommen und damit die Solidargemeinschaft, also wir alle.
In Deutschland bezahlen bislang die meisten gesetzlichen Krankenkassen homöopathische Mittel, auch wenn sie es nicht müssten. Nicht etwa, weil sie belegen könnten, dass Globuli eine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus hätten – diesen Beleg gibt es ja auch nicht, die Homöopathen bleiben ihn seit 200 Jahren schuldig.
Unsere Nachbarn machen alles richtig
Es ist nicht einmal so, dass die Kassen irgendeine Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus vermuten. Sie wollen schlicht die Nachfrage der Globuligläubigen befriedigen, weil diese eine attraktive Kundengruppe sind: Homöopathie ist Marketing für jüngere und vergleichsweise gesunde Versicherte. Aber solche wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen dürfen nicht das Kriterium sein.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Aus diesem Grund gibt es nun auch hierzulande verstärkt Forderungen, Homöopathiekosten nicht mehr zu erstatten, aktuell auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Jetzt muss nur noch die Politik erkennen, dass für die Homöopathie kein Hokuspokusbonus gelten darf.
Schaut nach Frankreich, vertraut der Aufklärung, lasst Homöopathie Privatsache sein! Unsere Nachbarn machen dort alles richtig, wenn sie die Homöopathie-Industrie und ihre Anhänger in die Schranken weisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient