Framing-Begriff „Schummelsoftware“: Ein Autohersteller ist kein Schulkind
Seit mehr als drei Jahren ist der Abgasskandal öffentlich bekannt. Dabei ist oft von „schummeln“ die Rede – obwohl es eigentlich um Kriminalität geht.
Wie kürzlich wieder, bei den vielen Berichten über das BGH-Dieselurteil. Da ist die Rede auch vom „Abgas-Schummel“ (Welt, Bild u.a.) und die betroffenen Autos heißen gern einmal „Schummel-Diesel“ (Merkur, Bild, u. a.). Ein Schummler ist ein kleiner Gauner, der sein Glück versucht hat und dabei aufgeflogen ist. Ein Schulkind, das beim Nachbarn abschreibt. Aber Autohersteller? Die Kategorie des Schummlers aktiviert in diesem Fall einen Schutzframe.
Einem Schummler kann man kaum wirklich böse sein. Einen Schummler behandeln wir anders als einen Betrüger oder Kriminellen. Dabei liefert gerade die Titelzeile das Mandat zur Polarisierung, um den unaufmerksamen Leser vom Sofa hochzuschrecken. Das Wort findet sich nicht nur in Titelzeilen. Es durchzieht ganze Textpassagen und setzt Leserinnen und Leser immer wieder seiner impliziten Botschaft („harmlos“) aus. Akzeptierter Sprachgebrauch verweist auf akzeptierte Einstellungen.
Wenn wir wissen wollen, warum in der Sache politisch so wenig passiert, warum Hersteller nicht angemessen bestraft und Kunden nicht angemessen entschädigt werden, dann gibt uns dieses Wort einen Teil der Antwort. Der herrschende Diskurs ist in Deutschland von einer verharmlosenden Sichtweise gegenüber diesem Betrug geprägt. Und die Politik? Politik springt vielleicht mal auf einen fahrenden Zug. Aber Politik verändert kaum aus eigener Motivation die herrschende öffentliche Meinung. Sie rennt ihr hinterher. Dann macht unser Verkehrsminister ja alles richtig.
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