Seehofer entlässt Geheimdienstchef: Servus, Maaßen

Der Druck war weiter gewachsen. Nun trennt Seehofer sich von Geheimdienst-Chef Maaßen. Aber ausgestanden ist die Sache für ihn damit nicht.

Hans-Georg Maaßen blickt zur Seite, Seehofer guckt missmutig zu ihm

Schönen Ruhestand, Hans-Georg! Foto: dpa

Berlin taz | Von Horst Seehofer weiß man ja, dass er lieber in Ingolstadt weilt, seiner bayrischen Heimat, als im rauen Berlin. Am Montag hätte er dies wohl noch viel lieber getan. Stattdessen stand Seehofer am Nachmittag in der Hauptstadt, im Bundesinnenministerium, auf einer Pressekonferenz, und musste sich Rücktrittsforderungen erwehren. Wiedermals.

Zuvor war die wochenlange Posse um Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen endgültig ins Irre gekippt. Eigentlich hätte der oberste Geheimdienstler nach seinen umstrittenen Chemnitz-Äußerungen längst ins Innenministerium versetzt sein müssen, als „Sonderberater“. So war, nach heftigem GroKo-Krach, der Deal. Dann aber tat Seehofer nichts. Bis nun Maaßens Abschiedsrede auftauchte – in der dieser sich als Opfer einer linken Verschwörung inszeniert.

Nun verkündet Seehofer das Unvermeidbare: Er habe den Bundespräsidenten gebeten, Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Dieser werde ab sofort freigestellt und auch nicht ins Innenministerium versetzt. Grund seien die „inakzeptablen Formulierungen“ in Maaßens Rede, so Seehofer. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, in welcher Funktion auch immer, ist nicht mehr möglich.“ Die Führung des Verfassungsschutzes übernehme vorläufig Maaßens Vize, Thomas Haldenwang.

Für Seehofer geht es da aber schon um mehr. Denn längst steht auch er wieder unter Beschuss. Wenn die Bundesregierung „noch so etwas wie Selbstachtung hat“, müsse auch Seehofer gehen, sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Auch die Linke fordert Seehofers Rücktritt. In der SPD tut es Juso-Chef Kevin Kühnert: Er könne nur hoffen, dass auch der Mitverursacher der Misere, „ebenfalls bald seinen Sessel räumt“ – also Seehofer.

Maaßen strickte sich eine Märtyrerlegende

Tatsächlich hatte sich Seehofer lange vor Maaßen gestellt, ihn als „hoch kompetent und integer“ verteidigt – und damit die GroKo-Krise mitausgelöst. Nun könnte der freigedrehte Geheimdienstchef Seehofer mit aus dem Amt reißen.

Denn Maaßen legte in seiner Abschiedsrede, die er am 18. Oktober im Berner Club in Warschau hielt – einer Runde europäischer Geheimdienstchefs – mit seiner Politik- und Medienschelte im Fall Chemnitz noch einmal kräftig nach. Dass es in der Stadt „Hetzjagden“ gab, sei „frei erfunden“, bekräftigte er laut Manuskript. Er habe bereits „viel an deutscher Medienmanipulation erlebt“. Chemnitz aber sei „für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland“.

Maaßen strickt daraus eine Märtyrerlegende. Seine Entlassung gehe auf Medien sowie „grüne und linke Politiker“ zurück, „die sich durch mich bei ihrer Falschberichterstattung ertappt fühlten“. Zudem sei er als „Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt“. Mehr noch: „Aus meiner Sicht war dies für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vornherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren.“

Tatsache ist: Mehrere Beobachter hatten in Chemnitz Angriffe auf Migranten und linke Gegendemonstranten dokumentiert. Maaßen aber behauptet, er sei für seine vermeintlich unbequeme Meinung geopfert worden: „Ich hätte nie gedacht, dass die Angst vor mir und vor der Wahrheit Teile der Politik und Medien in solche Panik und Hysterie versetzt.“

Nur die AfD springt Maaßen bei

Maaßens Rede war später im Intranet des Bundesverfassungsschutzes eingestellt, frei zugänglich für die mehr als 3.000 Mitarbeiter. Und fand so ihren Weg ins politische Berlin.

Seehofer sagte, mit der Rede Maaßens sei ein Rauswurf nun „unvermeidlich“. „Natürlich ist man dann auch ein Stück menschlich enttäuscht.“ Selbstkritik wies Seehofer zurück: „Beim besten Willen nicht.“ Er stelle sich immer erst einmal vor seine Mitarbeiter. Schon zuvor hatte Seehofer angekündigt, sich nicht vor dem kommenden Montag zur eigenen Zukunft zu äußern – dann wird in Bayern das neue Kabinett vereidigt. Kanzlerin Merkel ließ ihren Innenminister vorerst gewähren. Ihr Sprecher verwies am Montag darauf, dass Seehofer die „nötige Entscheidung“ getroffen habe.

Maaßen dagegen scheint seinen Rausschmiss schon länger mit einkalkuliert zu haben. Er könne sich auch „ein Leben außerhalb des Staatsdienstes zum Beispiel in der Politik oder in der Wirtschaft vorstellen“, sagte er im Berner Club.

Politisch springt ihm einzig die AfD bei. Maaßen habe „Charakterstärke“ bewiesen, seine Entlassung sei „ein Armutszeugnis“, sagte Parteichef Alexander Gauland. Maaßen hatte hinter verschlossenen Türen im Bundestag zuletzt betont, seit 30 Jahren CDU-Mitglied zu sein. Eine AfD-Nähe weise er „mit Nachdruck“ zurück. Ob das noch gilt, ist offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.