Kommentar Schnellere Abschiebungen: Deutsche Unwillkommenskultur
Bund und Länder planen ein neues Gesetz, um effektiver abschieben zu können. Deutschland zeigt sich von seiner engherzigen und kalten Seite.
E s klingt wie ein Begriff aus dem Urlaubskatalog, doch niemand würde hier freiwillig ein Zimmer buchen: im Ausreisezentrum. Dahinter verbergen sich Sammellager, die in Flughafennähe entstehen sollen, in denen Menschen, deren Asylantrag abschlägig beschieden wurde, bis zur Abschiebung festgehalten werden.
Diese Zentren sind Teil eines Maßnahmenbündels, auf das sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die MinisterpräsidentInnen am Donnerstagabend geeinigt haben. Grundsätzliche Einsprüche meldete lediglich der Thüringer Ministerpräsident von der Linkspartei an.
Ansonsten sind sich Bund und Länder darin einig, Ausländer schneller und effektiver abzuschieben und dafür neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen: Gefährder sollen länger in Abschiebehaft genommen und besser überwacht werden.
Doch auch wer sich nichts zuschulden kommen ließ, muss mit Verschärfungen rechnen. Menschen, die keine Aussicht auf Asyl haben, sollen künftig möglichst aus der Erstaufnahmeeinrichtung abgeschoben werden, wer nicht kooperativ an seiner Abschiebung mitarbeitet, muss mit Sanktionen rechnen.
Die Länder, die bisher allein für Abschiebungen zuständig waren, bekommen nun aktive Unterstützung vom Bund. Materiell stellt der Bund 90 Millionen Euro für freiwillige Ausreisen zur Verfügung und logistisch beteiligt er sich in Form eines gemeinsamen Zentrums zur Unterstützung der Rückkehr, dass Sammelabschiebungen koordinieren soll.
Die Beschlüsse sind folgerichtig und passen in den neuen Dreiklang der Bundesregierung. Eindämmen, abschrecken, abschieben. Keine Rede ist mehr davon, dass es gilt, Fluchtursachen zu bekämpfen und legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen.
Deutschland zeigt sich von seiner engherzigen und kalten Seite und sendet die Botschaft in die Welt: Kommt bloß nicht zu uns.
Die Gründe, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen, haben sich nicht verändert: fehlende Perspektiven, wirtschaftliche Not, Bürgerkriege. Während das Rote Kreuz seine Mitarbeiter aus Afghanistan abzieht, beharrt die Bundesregierung darauf, in dieses sichere Herkunftsland abzuschieben.
Die Bereitschaft, Empathie für diese und alle Menschen zu zeigen, die es in ihren Heimatländern nicht mehr aushalten, ist im Wahlkampfjahr bei Null. Es passt, dass in den Beschlüssen nur noch von „Ausreisepflichtigen“, „Personen“ und „Asylsuchenden“ die Rede ist. Der Begriff „Menschen“ taucht nicht auf. Der Sound der Willkommenskultur ist offiziell verstummt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung