Kommentar US-Einreisestopp für Muslime: Der Firnis ist dünn geworden

Der Richterspruch für ein Abschiebeverbot ist ein Funken Hoffnung – mehr aber nicht. Zu dicht ist die Folge der Trump'schen Abscheulichkeiten.

die Silhouette eines Mannes vor der in der Abenddämmerung verschwimmenden Freiheitsstatue

Sag der Freiheit leise Bye Foto: ap

Entsetzen und Erleichterung liegen dicht beieinander – jedenfalls für all diejenigen, die es mit den sogenannten westlichen Werten ernst meinen. Und natürlich für die Opfer des neuen US-Präsidenten Donald Trump.

Das pauschale Einreiseverbot für Flüchtlinge und andere Bürgerinnen und Bürger einiger mehrheitlich muslimischer Staaten in die USA, das Trump verfügt hat, widerspricht allen möglichen Prinzipien. Diese lassen sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Das Dekret widerspricht der Menschlichkeit.

Deshalb ist das Abschiebeverbot für die Betroffenen, ausgesprochen von einer US-Bundesrichterin, nicht nur für diese eine Atempause. Sondern für alle, die fassungslos verfolgen, wie sich die USA verändern. Innerhalb von Tagen, innerhalb von Stunden. Der Spruch der Richterin rückt die Welt wieder ein bisschen zurecht. Aber eben nur ein bisschen.

Denn man kommt ja kaum noch nach. Widerspruch muss sein, allerorten. Aber niemand kann überall zugleich sein und gegen alle Abscheulichkeiten protestieren. Im Netz kursiert gerade ein bitterer Spruch: „Zuerst haben sie die Latinos verfolgt, die Muslime, die Frauen, die Homosexuellen, die Armen, die Intellektuellen und die Wissenschaftler, und dann war erst Mittwoch.“ Ja, man kommt kaum noch nach.

Die Freiheit bricht weg

Was mittelfristig besonders bedrohlich ist: Der Firnis der Gemeinsamkeiten innerhalb der US-Gesellschaft ist erstaunlich dünn – und bedrückend dünn. Drohnenkrieg, Waterboarding, Angriffskriege. Über all das – und mehr – ist erbittert gestritten worden.

Aber es schien stets eine grundsätzliche Übereinstimmung innerhalb der US-Gesellschaft zu geben, die übrigens dem Rest der Welt ziemlich auf die Nerven gegangen ist. Dass nämlich die Vereinigten Staaten als letzte Weltmacht den Begriff der Freiheit letztgültig definieren können. Weil sie ja – angeblich – am Ende doch nichts anderes taten, als die Werte der Freiheit zu verteidigen, wie auch immer sie konkret handelten.

Diese Übereinstimmung ist Vergangenheit. Wer US-Medien verfolgt, muss feststellen: Es gibt keine gemeinsamen Überzeugungen, keinen kleinsten gemeinsamen Nenner mehr zwischen den verschiedenen politischen Lagern. Sondern nur noch Unverständnis und Abscheu.

Das ging schnell. Sehr schnell. Und nun?

Die letzte verbliebene Weltmacht ist im Hinblick auf Menschenrechte endgültig nicht mehr zuverlässig. Nach Nachfolgern wird gefahndet. Was schafft die EU? Sie ist jetzt gefragt – im Hinblick auf ihre Werte.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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