Kommentar EU-Flüchtlingsdeal für Afrika: Menschen und Probleme abschieben

Die EU-Kommission will Staaten belohnen, die Flüchtlinge zurücknehmen. Besonders für Afrika könnte das verheerend sein.

Eine Mutter und ihr Kind in einer Flüchtlingsunterkunft in Kenia

In der EU nicht gewollt: eine Mutter und ihr Kind im Flüchtlingslager Dabaab, Kenia Foto: dpa

Die Rolle rückwärts in der europäischen Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik erreicht nun auch Afrika. Nachdem EU-Staaten wie Großbritannien, Frankreich oder Belgien gegenüber afrikanischen Zuwanderern lange einen liberalen Kurs fuhren, fordert Brüssel nun plötzlich eine harte Linie.

„Schotten dicht für illegale Migranten“ heißt das neue Motto, das die EU-Kommission ausgegeben hat. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ihr fast jedes Mittel recht.

Für jene Staaten, die „ihre“ Auswanderer brav zurücknehmen, soll es künftig Zuckerbrot in Gestalt von Finanzhilfen und Investitionen geben. Wer sich querstellt, muss hingegen mit der Peitsche rechnen – dann drohen Mittelkürzungen. Sogar Wirtschaftssanktionen werden in Brüssel erwogen. Dabei würden sie das Elend in Afrika noch vergrößern und den Migrationsdruck weiter erhöhen.

Dass die EU-Kommission nicht zimperlich ist, zeigt auch die Liste der Staaten, die in den „Migrationspakt“ aufgenommen werden sollen. Der „failed state“ Libyen gehört ebenso dazu wie die brutalen Regimes in Niger, Eritrea und sogar im Sudan, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden.

Gewiss, zunächst will man es mit „vorzeigbaren“ Partnern versuchen. Doch auch dort steht nicht etwa die Bekämpfung der Fluchtursachen im Vordergrund, wie die EU-Politiker in Sonntagsreden gern behaupten. Vielmehr sollen Grenzen „gesichert“ und Fluchtwege abgeschnitten werden. Es geht um die Verhinderung der Flucht, nicht um die Lösung der Konflikte.

Dass für das neue Programm ausgerechnet der schmutzige Deal mit der Türkei Pate steht, zeigt, wie tief die EU schon gesunken ist. Sie versucht nicht einmal mehr, eine selbständige, kohärente Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik zu konzipieren, wozu zwingend auch sichere und legale Fluchtwege zählen müssten. Stattdessen setzt sie auf Verdrängung und Abschiebung – erst der Probleme, dann der Menschen.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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