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Kolumne Dumme weiße MännerDie Prinzen von Clausnitz

Clausnitz zeigt, dass dumme weiße Männer wegen Wehwehchen an die Decke gehen. Ihre Opfer sind Leute, denen es wirklich schlecht geht.

Verzogene Kleinstadtbewohner: Dumme weiße Männer brüllen in Clausnitz vor einem Bus Screenshot: youtube.com/user/janboehm

I ch frage mich, ob Hans Christian Andersen sein Märchen von der „Prinzessin auf der Erbse” wirklich über eine Frau geschrieben hat. Darin prüft eine alte Königin, ob die junge Frau, die bei einem Unwetter vor dem Schlosstore auftauchte, wirklich eine Prinzessin ist, indem sie ihr eine Erbse unter zwanzig Matratzen legt. Am nächsten Morgen beschwert sich die Prinzessin, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen: „Ich habe auf etwas Hartem gelegen, so dass ich am ganzen Körper braun und blau bin.”

Eine Frau hätte sich in der Realität vermutlich noch mehr zurückgehalten. Nicht so aber die wahren Sensibelchen der Welt, dumme weiße Männer, die so daran gewöhnt sind, dass die Gesellschaft sie auf zwanzig Matratzen bettet, dass sie bei der kleinsten Erbse darunter die ganze Nacht wach bleiben um Flüchtlingsheime anzünden, und drohen, bei der nächsten Wahl braun und blau zu wählen.

Einige solche empathielose Sensibelchen standen vor wenigen Tagen in Clausnitz, Sachsen, vor einem Bus voller Flüchtlinge und brüllten „Ab nach Hause” und „Wir sind das Volk”. Man fragt sich, was so Schlimmes passiert sein musste, dass sie eine Straße absperrten und stundenlang in der Kälte ausharrten. Gibt es in Clausnitz nichts Spannenderes, nichts Gemütlicheres, als verunsicherten Menschen auch noch Angst einzujagen?

Jakob Augstein fragt zu Recht: „Sind alle, die jetzt den verschärften Ton anschlagen, selber in so hohem Maße von dieser Migrationsbewegung betroffen? Müssen sie herben Verzicht leisten?” Wohl kaum. Im Jahr der Flüchtlingskrise hat die Bundesregierung mehr Geld eingenommen denn je – doch weder deutsche noch ausländische Arme werden davon etwas abbekommen. Man sehe sich nur die Weiße-Männer-Partei CSU an, die zwar schon Flüchtlingen nichts gönnt, aber auch nicht deutschen Armen. „Als wir weniger Flüchtlinge hatten, ging es Ihnen da besser?”, fragte Linke-Politiker Gregor Gysi im vergangenen Jahr einen aufgebrachten weißen Mann, der sich um „sein” Geld sorgte. Die Frage könnte man heutzutage sehr oft stellen.

Also, ein Bus mit Geflüchteten wird zum Halt genötigt, die darin sitzenden Menschen verbal bedroht, doch das Problem ist die Angst der Opfer. Ein Kurzhaarschnittblonder in Uniform schafft es nicht einem Kind das Vertrauen zu vermitteln, dass in Deutschland die Polizei Schwache vor den Bösen schützt, und packt ihn stattdessen am Hals und zerrt ihn hinaus. Später wird sein Chef, ein weißer Heuluwe von einem Polizeipräsidenten, solches Verhalten auch noch rechtfertigen: Die Flüchtlinge hätten nämlich provoziert. Sein Chef, Ministerpräsident Stanislaw Tillich, ebenfalls ein weißer Mann, wiederum sorgt sich eher um das Ansehen seines Bundeslandes als darum, ob Menschen in seinen Städten noch sicher vor der eigenen Bevölkerung sind.

Was kommt als Nächstes? Eine Rechnung, weil die Tränen des Jungen staatliches Eigentum beschmutzten? Oder fordert der Beamte gar Schadenersatz, weil die Nackenattacke des Jungen ihn traumatisiert hat? Undenkbar wäre es bei solchen weißen Männern, die nur ihre eigenen Wehwehchen kennen, ja nicht – aber die Absurditäten von Clausnitz sind ja schon vielfach zusammengetragen worden. (Zumindest ermittelt die Polizei nicht mehr gegen die Flüchtlinge in Clausnitz.)

Dumme weiße Nazis im Bus

Müssen die Flüchtlinge in Clausnitz jetzt Angst um ihr Leben haben?, fragt ein Reporter einen weißen Clausnitzer. „Noch nicht”, antwortet der. Na dann! Anders als die verzogenen Kleinstadtbewohner werden die Flüchtlinge in Clausnitz ihr Trauma hoffentlich wegstecken. Wer vor Krieg flüchtet, wird mit dem Mangel an Zivilisation vielleicht klarkommen; wer vor Folter flüchtet, kennt wahrscheinlich noch ganz andere willkürliche Polizeigewalt; und wer vor autoritären Regimen flüchtet, hat womöglich schon Übung im Umgang mit Lynchmobs und staatlich ausgebildeten Hilfssheriffs, die nach drei Monaten schon mal Pistolen tragen dürfen.

Wer mal sehen will, wie weiße Männer wie die Neonazis in Clausnitz reagieren, wenn sie selbst in ähnlicher Situation im Bus sitzen, kann sich dieses Video von Pogidisten zu Gemüte führen, die sich angesichts der lautstarken Gegendemonstration in die Hose machen. „Feige Dreckschweine”, rufen sie den Antifaschist*innen zu. „Keinen Cent in die Staatskasse gezahlt und dann so etwas abziehen.” Dem Busfahrer raten sie, in die Menge reinzufahren, den Polizisten, sie sollten endlich mal die „Knüppel raus” holen und freuen sich, als diese Pfefferspray verschießen. Man wünscht sich, sie wären in Clausnitz dabei gewesen, um die Beamten mal zu beraten.

Und nein, Rechtsextremen Angst einzujagen ist nicht genauso schlimm wie Flüchtlingen Angst einzujagen. Dumme weiße Nazis können etwas dafür, dass sie niederträchtige Vollpfosten sind.

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Lalon Sander
Datenjournalist
Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.
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25 Kommentare

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  • Der Fußballtorwart Robert Enke hat so ziemlich alles erreicht, was man als Fußballer in Deutschland erreichen kann. Aber er war nicht nur beruflich erfolgreich. Er hatte auch eine intakte Familie und war gesellschaftlich voll eingebunden. Trotzdem hat er sich mit 32 Jahren vor den Zug geworfen. Ich weiß nicht, was genau die "Erbse" war, die Robert Enke das Gefühl gegeben hat, am ganzen Körper grün und blau zu sein. Aber ich glaube kaum, dass es ihn von seinem Selbstmord abgehalten hätte, hätte man ihn darauf hingewiesen, dass es anderen noch sehr viel schlechter geht und dass er sich deswegen doch bitte nicht so anstellen, sondern sich lieber ein Beispiel an den Frauen seines Heimatlandes nehmen soll.

     

    Was ich damit sagen will? Ich verstehe den Frust, den Lalon Sander empfindet. Ich empfinde ihn auch. Es wäre wirklich schön, wenn alle Menschen so vernünftig wären wie der taz-Chef vom Dienst. Leider kann ich nicht erkennen, dass sein Text uns diesem Ideal auch nur das aller kleinste Schrittchen näher bringt. Es wäre vermutlich sinnvoller, das deutsche Trinkwasser flächendeckend und permanent mit Antidepressiva zu versetzen. Nicht nur in Clausnitz. Überall. Vielleicht, dass dann nicht mehr gar so viele der "Prinzen" (und "Prinzessinnen"), die es hierzulande ja tatsächlich zu geben scheint, ihre überforderungsbedingten Aggressionen an sich selbst oder an anderen ausleben müssten.

     

    Allerdings sollen ja Pillen auch nicht immer unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein. Vielleicht sollte man also langsam anfangen, das Erfolgsmodell Deutschland zu hinterfragen. Ist es der Titel "Supervolk aller Zeiten" tatsächlich wert, dass ein Teil der Nation am Rad dreht? Womöglich nicht. Aber das, nicht wahr, wäre dann ja wohl auch wieder eine "Erbse" unter 20 Matratzen. Zum Beispiel für Lalon Sander, der so ganz alleine auch nicht sehr viel daran ändern kann.

    • @mowgli:

      Der Vergleich hinkt. Robert Enke war psychisch krank und hat nicht andere verantwortlich gemacht für sein inneres Elend. Der Charakter des braunen Mob ist deshalb so schwer auszuhalten, weil er sich darin eingerichtet hat, für jedes persönliche Übel andere, vorzugsweise schwächere, verantwortlich zu machen und sie als Blitzableiter zu benutzen für das eigene Gefühl der Unzulänglichkeit. Egal, wie gut man gesellschaftlich gestellt ist, egal, wie privilegiert man ist, jeder Mensch kennt Sorgen und Schmerz. Aber privilegierte Menschen neigen dazu, eine verdrehte Realität so einzuordnen, dass am eigenen Elend grundsätzlich andere Schuld sind, die es noch dazu leichter zu haben scheinen. Man sieht das Phänomen auch imemr dann, wenn über Reichensteuer, Gleichstellung der Radfahrer im Straßenverkehr und die Frauenquote diskutiert wird. Übermäßig privilegierte schreien mimimi, weil sie nicht sehen können, in was für einer bevorzugten Situation sie sich befinden. Die eigenen Privilegien sind für sie unsichtbar.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wie jetze?

     

    "Die einzig wahre Alternative. Die PARTEI"

     

    hat immer recht?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Irrläufer, der schon wieder!

       

      Das hier sollte eine Antwort auf KABOOMs Kommentar sein.

       

      Scusi.

  • 3G
    30226 (Profil gelöscht)

    Gewöhnt Euch doch bitte dieses bekloppte "Weiße Männer"-Vokabular ab. "Critical whiteness" entstammt der politischen Kultur der USA und ihrer ungesunden Obsession mit Hautfarbe und Rasse. Die merkwürdigen Selbstgeißelungsrituale ähneln eher einer identitären, evangelikalen Erweckungsbewegung als einer politischen Position. Sie hat absolut NICHTS zur europäischen Debatte beizutragen. Von den Hipster-Publizisten, die mit ihr diskursiv angeben, wird sie ebenso tief rezipiert wie die hotteste Kaffeekreation aus Brooklyn, nämlich garnicht. Sie ist ein reines Konsumprodukt, eine T-Shirt-Ideologie.

  • Es scheint die auf der richtigen Seite zu geben und die auf der Falschen. Was ich nicht verstehe, warum die, die glauben auf der richtigen Seite zu stehen auf das gleiche Niveau herunterfallen, diese Diffamierung und diese Wortwahl, sind die Flüchtlinge nicht weiß (Irak, Syrien)? die Schwarzen müssen ja draußen bleiben und ich bin froh, dass niemand den Busfahrer in die Menge geschickt hat. Auch die andere Seite sind Menschen.

  • Ihre Kolumne ist eine Beleidigung für jeden weißen Mann, der dummen weißen Frauen Torten ins Gesicht wirft.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    >Jakob Augstein fragt zu Recht: „Sind alle, die jetzt den verschärften Ton anschlagen, selber in so hohem Maße von dieser Migrationsbewegung betroffen? Müssen sie herben Verzicht leisten?”

     

    Flüchtlinge personifizieren aber die Verteilungsfrage. Darum explodiert um sie herum die Neiddebatte. Darum nennt Schäuble den Vizekanzler "erbärmlich", wenn er so richtig wie tapsig (wie er nun mal ist) die Frage nach der Umverteilung in diesen Kontext etikettiert. Wer Stoiber dieser Tage hat ausrasten sehen, der hat doch wohl gemerkt, dass es nicht nur um Sein und Sollen, sondern um Sein und Haben geht. Darum bellen auch die mit ausreichend Haben so auffallend lauter als die kleinen Kläffer ohne Vorgarten und Mallorca-Rente.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @24636 (Profil gelöscht):

      "Flüchtlinge personifizieren aber die Verteilungsfrage."

       

      Also für mich personifizieren SUV-Fahrer die Verteilungsdebatte.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @889 (Profil gelöscht):

        "Also für mich personifizieren SUV-Fahrer die Verteilungsdebatte."

         

        Im Ernst? Oft genug haben diese im Geiste Ärmsten sonst nix...

  • Mauer wieder aufbauen, fertig. Wählt massenhaft die einzige Partei , die man in diesem Land noch wählen kann, schon deshalb weil sie die einzige Partei ist, die sich dafür einsetzt. Kurz: Die einzig wahre Alternative. Die PARTEI

    • @Kaboom:

      "Die Partei" konnte ja nicht ahnen, dass man sie beim Wort nehmen würde.

      • @lions:

        Da sieht man mal wieder die unendliche Weisheit von Clodwig Poth. Ich zitiere:

        "Die endgültige Teilung Deutschlands - das ist unser Auftrag."

        • @Kaboom:

          Man muss ihn bloß noch verstehen.

          • @lions:

            Da gibts nichts zu verstehen. Im Programm der Partei steht ganz klar, dass die (noch zu schaffende) SBZ vom Rest der Republik auch baulich getrennt werden soll

            • @Kaboom:

              Das DIE PARTEI Satire übt, ist ihnen hoffentlich nicht entgangen bspw Begrenzung des Managergehalts auf das 4000 -fache des einfachen Arbeiters usw.

              Die Intention derer ist immer das Gegenteil, von dem was sie sagen. Klassische Parodie zu politischen Strömungen und etabliert-degenerierten Parteien, wie z.B Spalter.

              • @lions:

                Das ist doch eine Unterstellung. UND eine bodenlose Frechheit. Unser GröVaZ Martin Sonneborn, das zeigt doch schon seine Vita, ist völlig unzweifelhaft der seriöseste Politiker dieses Landes.

                Und DAS die PARTEI die einzige wahrhaft seriöse Partei in diesem Land ist, zeigt ein Blick ins Parteiprogramm. Gerade die Punkte 1 und 4 müssen nun wirklich jeden überzeugen. Satirepartei .... Frechheit!

                • @Kaboom:

                  Ihr erster Beitrag scheint nicht so ganz zur nun satirischen Beflaggung zu passen. Ob´s "nur" Satire ist, erkennt man an der richtigen Stelle, an die diese platziert wird.

                  Hier wäre die verkehrte für Mauer wieder hoch.

                  • @lions:

                    Tja. In Dresden, gerade in Dresden demonstrieren Leute, weil sie nicht wollen, dass Flüchtlinge, die vor Bomben fliehen, nach D kommen. In Polen entsorgen gerade Leute Lech Walesa. Und zwar genau jene Leute, mit denen er gemeinsam für die Freiheit gekämpft hat. In Frankreich erzählt gerade so ne Tante den Leuten, Deutschland hätte Frankreich den Euro aufgezwungen. In den USA erzählt ein Multimilliardär den Leuten, er würde gegen das Establishment kämpfen, wenn er Präsident wird. Und hier in D wird gerade von Teilen der Bürger das gemeinsame Demonstrieren mit Faschisten zur Tugend erklärt.

                    Da gibt es meiner Meinung nach genau 2 Möglichkeiten: Entweder man nimmt die Politik genau so ernst wie es die Partei tut, oder man verzweifelt

    • @Kaboom:

      Seh ich auch so, aber ich würde nur ungern mit den Braunen hier alleine bleiben. Ich beantrage hiermit Asyl im Westen.

      • @FriedrichH:

        Hab ich schon drüber nachgedacht. Wir lassen 12 Monate alle Übergänge offen, damit der sicher nicht kleine Teil der Demokraten unter den Bürgern der NBL flüchten kann. Später muss dass allerdings per Fluchthelfer organisiert werden.

        • @Kaboom:

          NBL = Neue Braune Länder, um sie besser von den ABL = Alten Braunen Ländern abzugrenzen?

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @S.R.:

            ABL gibt's nicht.

             

            Aber es gab die "Bonner Republik".

            (Beim Lesen Nase zuhalten, wg. Mief.)

            • @571 (Profil gelöscht):

              Die heutigen Enwticklungen wären in der Bonner republik undenkbar. Lieber Bonner Mief als sächsischer Nazi-Fäkalgestank.

              • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

                Ich halte die "weiße Weste" der ABL für einen gefährlichen Trugschluss. Stärkste Verbreitung hat ein gut organisierter "dritter Weg" in Bayern, nur haben dort die Nazis gelernt, vorsichtiger vorzugehen, weil es couragierte Politiker, wie ein Bürgermeister von Wunsiedel gab. M.M n. sind die aber auch einen Schritt weiter.