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Der Höllenritt in den Syrien-Krieg

Bundestag Die Oppositionsparteien beklagen das rasante Tempo, mit dem die Bundesregierung aus Union und SPD die Beteiligung der Bundesrepublik am Anti-Terror-Einsatz in Syrien vom Parlament absegnen lassen will

Aus Berlin Ulrich Schulte

Die Bundesregierung verschickt die entscheidende Mail am Dienstag um kurz vor 10 Uhr. Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses finden in ihren Postfächern den Mandatstext, den das Kabinett gerade beschlossen hat. 1.200 Soldaten will die Regierung in den Anti-Terror-Kampf schicken. Dazu sechs Tornados, ein Tankflugzeug und eine Fregatte.

Gerade mal drei Tage später, am Freitagmorgen, soll der Bundestag den Bundeswehreinsatz endgültig absegnen. Egal ob man diesen Einsatz für richtig oder falsch hält, angesichts dieses Drucks stellt sich die Frage: Können die Abgeordneten ihrer Pflicht, sorgfältig zu prüfen, überhaupt nachkommen?

„Die Solidarität mit Frankreich nehmen wir sehr ernst“, sagt Britta Haßelmann, Frak­tions­geschäftsführerin der Grünen. „Doch halte ich es für unverantwortlich, in nur 3 Tagen dieses Syrien-Mandat zu beschließen.“ Viele Fragen seien nicht geklärt, zu Bündnispartnern, zur Gesamtstrategie oder zur Rolle des syrischen Präsidenten Assad.

Auch Petra Sitte, Fraktionsgeschäftsführerin der Linkspartei, ist empört. „Auf einer unklaren rechtlichen Grundlage sollen die Abgeordneten innerhalb von nur drei Tagen eine Entscheidung über die Beteiligung an einem unglaublich komplexen Konflikt treffen“, sagt Sitte.

In der Tat ist die Eile der Regierung bemerkenswert. Am Donnerstag vor einer Woche wurde öffentlich, dass die Deutschen Soldaten schicken wollen. Die Regierung informierte zwar noch am gleichen Tag die Obleute der Fraktionen im Auswärtigen Ausschuss. Details erfuhren die Parlamentsexperten aber erst durch die Medien. Ihnen lag der Kabinettsentwurf über den Einsatz eher vor als dem Parlament, das ihn beschließen muss.

Haßelmann beschwerte sich bei den zuständigen Ministern der Koalition – bei Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU). Sie gehe davon aus, dass die beiden in Zukunft dafür sorgen würden, „dass die Fraktionen entsprechende Dokumente vor ihrer Weitergabe an die Presse erhalten“, schrieb sie.

Selbst erfahrenen Parlamentariern ist kein Auslandseinsatz in Erinnerung, der in einem solchen Tempo durchs Verfahren gedrückt wurde. Die Koalition sieht kein Problem. Der Zeitplan sei sicher ambitioniert, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht. Sie betont, es habe bei der Entscheidung keine Vorgabe gegeben.

Die Grünen haben eine andere Vermutung. Die SPD veranstaltet kommende Woche ihren Parteitag. An der Basis gibt es viele Kriegsskeptiker. Es bleibe der Verdacht, sagt Haßelmann, dass die Sache vor dem SPD-Parteitag vom Tisch muss.

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