Kommentar Reaktionen auf Anschläge: Infame Scharfmacherei

Die Anschläge von Paris werden von konservativer Seite instrumentalisiert, um Angst vor Flüchtlingen zu schüren – ein gefährliches Fahrwasser.

Markus Söder beim Politischen Frühschoppen Gillamoos in Abensberg

Paris würde alles ändern, sagte Markus Söder (CSU) der „Welt am Sonntag“ Foto: dpa

Die Zurückhaltung währte nur kurz. In Paris waren die Leichen noch nicht gezählt, da leisteten die Scharfmacher schon ganze Arbeit. Seehofer und Söder, die AfD, Publizisten von Welt, FAZ und Cicero: Unisono verknüpfen sie die Anschläge von Paris mit der deutschen Flüchtlingspolitik. Und der dringenden Forderung: Jetzt muss Schluss sein mit Merkels Willkommenskultur. Sprich: Grenzen dicht.

Das ist infam.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich müssen Geflüchtete, die nach Deutschland kommen, registriert und überprüft werden. Auch ist es eine furchtbare Vorstellung, dass ein islamistischer Terrorist als Flüchtling in die EU ein- und nach Paris weitergereist seien könnte.

Dass dies in mindestens einem Fall so zutraf, ist derzeit allerdings noch nicht bewiesen. Und ist es nicht ebenso gefährlich, dass Belgier an den Anschlägen beteiligt sein könnten, wie jetzt ermittelt wird? Sollte man deshalb die Grenzen für Belgier dichtmachen?

Terror ist ein Fluchtgrund

Die Menschen, die aus Syrien zu uns kommen, wollen keinen Terror, sie flüchten vor ihm. Sie sind Opfer, nicht Täter. Wer Paris als Beleg dafür nimmt, dass die Grenzen geschlossen werden müssen, spielt aber mit der Vorstellung, dass in jedem Flüchtling ein Terrorist stecken könnte. Das ist ein gefährliches Fahrwasser.

Immer lauter werden die Stimmen, die vor den Flüchtlingen warnen. Wahlweise, weil es angeblich zu viele oder zu viele junge Männer sind oder sie ohnehin nicht zu uns passen.

Wer jetzt noch aus den Flüchtlingen potenzielle Terroristen macht, der zündelt. Als ob nicht jetzt schon immer mehr Menschen zur rechtspopulistischen AfD und Pegida überlaufen und fast täglich Flüchtlingsheime angegriffen werden.

Ein – wenn auch nachgelagertes – Ziel des Islamischen Staates ist es, die westlichen Gesellschaften zu spalten. Dabei sollten wir nicht mitmachen. Seehofer und Co. aber tun genau das. Viel spricht dafür, dass ihr Diskurs die kommende Zeit bestimmen wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.