Kommentar AfD: Eine Partei dreht am Rad
Die kompromisslose Ablehnung von Flüchtlingen rechnet sich für die AfD. Auch dumpfe Parolen schrecken das rechte Wählerpotenzial nicht ab.
A ller Dilettantismus, alle peinlichen Fernsehauftritte, alle Demonstrationen mit gewaltsuchenden Neonazis haben nichts genutzt: Der Stimmungsaufschwung für die AfD hält an. Erstmals seit ihrem Bestehen sieht sie ein Meinungsforschungsinstitut als drittstärkste Partei des Landes. Die 10,5 Prozent stehen dabei nicht für eine kluge Strategie – sondern für die zunehmende Radikalität ihrer Anhängerschaft.
Für die Partei geht die Fokussierung auf die kompromisslose Ablehnung von Flüchtlingen auf. Die geschürten Ängste einen das rechte Wählerspektrum wie nie zuvor. Schon seit vielen Jahren wird dieses Potenzial jenseits der Union auf bis zu 20 Prozent geschätzt. Bislang scheiterten alle Versuche, diese Wählerschichten zu binden, ob durch „Republikaner“, Schill-Partei oder Pro-Bewegung. Schuld war stets die eigene Unfähigkeit.
Auch die AfD stellt sich kaum klüger an als ihre Vorgänger. Ihre Fraktionen in drei ostdeutschen Landtagen fallen vor allem durch dumpfe Parolen auf, etwa wenn sie in Thüringen die Zahl der Homosexuellen erfragen will. Darüber hinaus ist wenig zu vernehmen.
Auch der Balanceakt, radikal, aber nicht gewalttätig zu sein, gelingt ihr nicht. Die im Zuge ihrer „Herbstoffensive“ organisierten Demonstrationen waren ein Anziehungspunkt für Nazi-Hools und NPD-Funktionäre – von einem bürgerlichen Erscheinungsbild keine Spur.
Selbst die hierzulande so hoch gelobte innerparteiliche Einigkeit fehlt. Der nächste Machtkampf – diesmal zwischen der Vorsitzenden Frauke Petry und dem Rechtsaußenflügel um Björn Höcke – steht vor dem offenen Ausbruch.
Doch all das wirkt für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung nicht mehr abschreckend. Für den Moment ist der Wunsch nach Ruhe, Ordnung und Seriosität in den Hintergrund gerückt. Die AfD hat das Signal verstanden; sie wird ihren Kurs noch weiter verschärfen. So gefährlich das ist, liegt darin auch eine Chance: Sie könnte das Rad überdrehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier