taz-Autor:innen und die Wahl: Im Wechselbad linker Gefühle
In jungen Jahren immer grün gewählt, aber dann kamen eine rot-grüne Regierung, der Niedergang der SPD und diverse Zweifel. Und jetzt?
Früher war es einfacher: grün wählen, was sonst? Dort konnte man einigermaßen guten Gewissens sein Kreuzchen machen, wenn man eine Jugend in der Sponti-Linken in Westberlin erlebt hatte, mit allen Antis von Antikapitalismus bis zu Antiatomkraft. Die Partei konnte der jungen Mittelschichtlerin eine Illusion von Antibürgerlichkeit vorgaukeln wie die billige Altbauwohnung mit Kohleheizung und Etagenklo.
Die Zeiten ändern sich.
Heute, im Alter von über 60 Jahren, sind die Dinge komplizierter und die linke Wählerin gerät in einen Sturm widersprüchlicher Gefühle. Dabei gibt es doch eine Auswahl: Linkspartei, Grüne, SPD.
Die Linkspartei kann ich nicht wählen, da ist mir zu viel Wünsch-dir-was drin, auch wenn ich unbedingt für höhere Erbschaftssteuern bin. Maximalversprechen, das klappt doch nicht. Man weiß, dass der Vorschlag, einfach nur von den Reichen mehr Geld nehmen zu wollen und ein Grundeinkommen von 1.200 Euro für alle einzuführen, ein Märchen ist. Die Linke zu wählen ist ein Statement, okay, aber ich bevorzuge Programme, die näher dran sind an der Realität.
Wen wählen eigentlich die Leute, die für die taz arbeiten? In unserer Serie berichten Autor:innen und Redakteure über ihre ganz persönlichen Überlegungen zur Bundestagswahl am 26. September.
Bei den Grünen kann ich natürlich wieder mein Kreuzchen machen, erst recht in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels, der bedrohlichen Welterhitzung. Im Alter wächst ohnehin die Liebe zur Natur. Auch ich würde gerne die Zukunft retten, wegen der Enkelkinder und auch um die Gewissheit zu haben, dass das Leben weitergeht, wenn ich nicht mehr bin, was ja auch ein Stück Unsterblichkeit bedeutet.
Aber in meinen Fünfzigern hatte sich noch ein anderes Gefühl in den Vordergrund geschoben: Mitleid, eine zuvor ungekannte Solidarität mit der neuen Randständigen. Mit der SPD, deren Absturz allenthalben Häme hervorrief. Die Partei verkämpfte sich für kleine Erfolge in der Sozialpolitik, die niemand würdigte. Sozialleistungen reichen nie aus, bezahlen will aber auch keiner dafür. Dabei haben wir Solidarsysteme, um die man uns überall in der Welt beneidet, sei es die Krankenversicherung oder die kostenlose Bildung. 2013 und 2017 machte ich meine Kreuzchen bei der SPD und fühlte mich auf eine angenehme Weise unberechenbar.
Doch nun ist die SPD samt Olaf Scholz wieder ins Umfragehoch geschwebt. Die Rede ist von Rot plus Grün plus X als künftiger Regierungskoalition. Da werden Erinnerungen wach, hellwach. Hat Scholz nicht diesen SPD-Opportunismus, den man von Rot-Grün aus den Nullerjahren kennt? Hartz IV hatten auch die Grünen abgenickt, damals. Es ist noch nie ein schöner Anblick gewesen, Linke an der Macht nach rechts driften zu sehen.
Ein paar Bekannte berichten von ähnlichen Konflikten und wollen nun Die Partei wählen, als Ausweg aus ihrer Ratlosigkeit. Bierpreisbremse! Bezahlbares Schwarzfahren! Harhar. Die Witzwahl ist nichts für mich. Ich horche noch in mich hinein. Ist ja noch etwas Zeit.
Leser*innenkommentare
OndaOnda
SPD-Hubertus Heil verfügt aktuell die De-Facto-Absenkung bei der Grundsicherung um 6 € ab 01/2022 und nennt das auch noch Erhöhung um 3 Euro! Als Inflationsausgleich würde eine Erhöhung um 9 € gerade ausreichen. Das S in der SPD ist eben doch immer wieder eine Mogelpackung. Und die Grünen sind doch sozial gesehen erfahrungsgemäss auch nicht zuverlässig. Da bleibt ganz realistisch betrachtet wirklich nur die Linke auf dem Wahlzettel!
joaquim
Eigentlich die alte Leier von "das kleinere Übel wählen" oder? Warum nennt man eine ehrliche und klare und vor allem richtige Forderung zu Reichensteuer und Verzicht auf Militäreinsätze nur Statement? Lieber mit den Grünen, oder schlimmer noch SPD weiter die Waffenindustrie und alle Reichen noch reicher werden lassen! Das ist die Lösung! Hab ich nicht bedacht!!!
Martin Rees
Wahl-o-Mat ist auch mal interessant, außerdem bis zum Wahltag zu warten, vielleicht gibt's noch überraschende Enthüllungen oder unerwartete Entgleisungen. Der Druck auf Laschet und Scholz wächst, beide sind auf den pseudopopulären Merkel-Kurs "Mainstream" eingeschwenkt. Soviel Mitte geht nicht, mathematisch, geografisch und politisch. Mehr zu wagen als den Pragmatismus der Alternativlosigkeit, das könnte einem modernisierungswilligen Deutschland zum Aufbruch verhelfen. "Weiter so" war lang genug. Willy Brandt hätte das verstanden, denke ich: Im Sinne der Jugend, MEHR SOLIDARITÄT UND DEGROWTH IM KLIMASCHUTZ WAGEN, ZUKUNFT IST VIEL MEHR ALS SLOGANS UND WAHLVERSPRECHEN.
Jossito
Manche Vorschläge zur Wahl bzw Wahlverweigerung verblüffen mich, indem sie eine mentale Schlichtheit signalisieren, die mich an das grafische Hufeisenmodell der Parteiverortungen mit einer anschaulichen Nähe von Linken und AfD erinnert.
Und an den kindlichen Ausspruch: „Ist meine Mutter doch selbst schuld, wenn ich nasse Füße kriege, warum kauft sie mir keine Gummistiefel“.
MahNaMahNa
Dicken "Filzer" mitnehmen und einfach mal quer drüber eine schöne dicke, schwarze Linie ziehen.
Stell dir vor es ist Wahl und .......
MahNaMahNa
@MahNaMahNa ....achja, den Wahl-O-Mat habbich auch befragt, an erster Stelle kam "Die Partei", wäre also auch noch möglich, laßt sie die 5%-Hürde doch mal locker nehmen.
Tom Farmer
Ich bin zugegebenermaßen leicht verbittert derzeit. Die Grünen haben zu viel Fehlergemacht als dass ich dass gutieren könnte, Scholz gehört wegen Beihilfe zum Steuerbetrug angeklagt oder wegen Erinnerungsschwierigkeiten die Mündigkeit Kanzler zu werden abgesprochen. Links ist in weiten Teilen ohne Sinn, speziell internationale Politik sowie Stichwort Wolkenkuckucksheim.
In der Tat: Die Partei wählen oder auch Volt, schau ich mir mal noch an. Noch ist zwei Wochen Zeit.
Ataraxia
@Tom Farmer Na ja, ich singe Hallelujah! Endlich eine Regierung ohne CDU/CSU. Das ist wie Schokoladeneis mit Himbeersoße (keine Farbenspiele beabsichtigt).
Sonst teile ich Ihre Wahrnehmung, aber was sind die Optionen? Der anständige Nowabo mit seinen Steuer-CDs hat ja nicht ohne Grund einen Pragmatiker wie Scholz vorgeschlagen.
In Krisenzeiten werden eben nicht die Bernie Sanders, sondern die Joe Bidens gewählt.
Andererseits ist hier etwas ins Rutschen gekommen, wenn die Leute ihr Kreuzchen nur noch von Personen abhängig machen (also bei Söder 37% für die CDU, bei Laschet 20%, dabei ändert sich an den Inhalten überhaupt nichts).
Im Gegensatz zu Belarus, Myanmar, China etc verfügen wir hier über Alternativen und müssen vor allem die AfD kleinhalten, die uns in die "Normalität" der 1930er Jahre zurückversetzen würde.
SPD und Grüne haben ihre inhaltlichen Ansprüche klar formuliert (u.a. 12 Euro Mindestlohn bei Rotgrün, Politik für Mieter, Pariser Klimaziele konsequent umsetzen bei den Grünen). Das ist kein Kleinkram. Wir sollten uns alle Flausen abschminken und eine lähmende Dreierkoalition verhindern, um Scholz und Baerbock später klar an ihre Versprechen messen und unter Druck setzen zu können.
Grenzgänger
@Tom Farmer „Die Menschen wollen Heilige, deshalb werden sie enttäuscht. In der Demokratie können die Gewählten aber nicht besser sein als die, die sie wählen.“ - W. Kretschmann
Die Grünen machen Fehler, ja, denn wo Menschen arbeiten, werden nun einmal Fehler gemacht. Was beruhigen mag: andere machen auch Fehler. Ergo wird es keine fehlerfreie Partei geben. Gemachte Fehler sollte man bewerten und gewichten um ggf. festzustellen, dass es verzeihliche Fehler und eventuell doch schwerwiegendere Fehler gibt.
Wollen Sie Ihre Stimme verschenken, wählen Sie halt 'Volt' oder 'die Partei'.
Tragen Sie Verantwortung für Kinder (oder gar schon Enkel), sollten Sie die kommenden 2 Wochen nutzen, um sehr in sich zu gehen, um Ihrer Verantwortung für die Nachkommen gerecht zu werden.
Anne Pipenbrinck
Es wäre aber schon angebracht, die Programme nicht nur zu lesen, sondern auch zu verstehen: Die Linke fordert kein Grundeinkommen. Die Idee hat in der Partei keine Mehrheit.
Was gefordert wird, ist eine Abschaffung von HartzIV und das Ersetzen durch eine Zahlung, die für ein Leben in Würde reicht, wie auch bei der Rente. Warum es da so eine Panik gibt, ist unverständlich, denn das Geld würde sofort in die Binnenkonjunktur fließen.
Ressourci
Es bleiben uach noch die Optionen zuhause zu bleiben und damit seinen Widerspruch gegen das bestehende System kundzutun oder aber den Stimmzettel mit einem übergroßen Kreuz zu versehenen und so kundzutun, dass man Wahlen zwar durchaus nutzt aber leider keiner der Bewerber die eigenen Kriterien zur Auswahl erfüllt hat.
Beides ernsthafte und demokratische Alternativen.
Jossito
@Ressourci Mit Verlaub: Beide vorgeschlagene Optionen und Intentionen sind kein 'Kundtun', weil ja niemand Kunde über die implizierte Message erhält.
Somit ist es schlichte, wenn auch legitime, Wahlverweigerung.
Eine Idee, die nur im Kopf stattfindet, findet halt nicht in der Welt statt.
Grenzgänger
Frau Dribbusch, vielleicht hilft Ihnen ja Herr Welzer, eine Enscheidung zu treffen:
taz.de/Harald-Welz...mpf-2021/!5799346/
Sehr gerne! ;-)
Grenzgänger
@Grenzgänger ich kaufe mir ein 't' :-)
Klaus Waldhans
So geht es wohl sehr vielen, auch mir.
Was sagt der Kopf, was meint der Bauch?
Vielleicht doch Erst- und Zweitstimme splitten?
Dieses ständige hin und her und abwägen, das Hinterfragen von Parteiprogrammen, der Parteien und der Kandidaten ist anstrengend und macht auf Dauer gaga.
Was gar nicht geht, sind rechte Parteien
Spassparteien oder linke Splitter-Betonkopfparteien, da bin ich komplett humorlos.
Noch 2 Wochen durchhalten....
yul
Ach Gott ja, die Realität. Die Welt ist ungerecht, da kann man nix machen. Steuersätze wie zu Kohls Zeiten sind heute natürlich nicht mehr drin. Und bei 13€ Mindestlohn muss ich am Ende womöglich noch was für mein Paket aus dem Internet bezahlen.
Wer den Spruch "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen" für sinnvoll hält, kann gerne die SPD wählen. Und wer seine Schäfchen schon im Trockenen hat, kein sein Kreuz natürlich auch bei der Partei machen.
Für mich sind Einkommen aus Besitz widersinniger als ein solidarisch erarbeitetes Grundeinkommen. Deswegen teile ich die Vision der Linken von einer gerechteren Zukunft, bei der ich gerne meinen Beitrag leiste. Dabei dürfte jedem denkenden Menschen klar sein, dass die Maximalforderungen der Linken nur in einem generationenübergreifenden Zeitraum erreichbar sind. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, den Weg in die richtige Richtung einzuschlagen. Denn sonst, fürchte ich, führt Kapitalismus bloß wieder zu Faschismus. Die Ansätze sind m.E. überall deutlich sichtbar.
Jossito
Wie wäre es mit dem Wahl-o-mat, Frau Dribbusch?
Und wenn die PTBS aus der Rot/Grün- oder anderen Epochen zu sehr dagegen spricht, bitte berücksichtigen:
The contemporary witness is the enemy of the historian.
Im Übrigen kenne ich in einer nicht-idealen Welt nur zwei relevante Motive: entweder wählt man das kleinere Übel (nicht auf die Parteigröße bezogen) oder man versucht, zu bestrafen.
Am besten, man verbindet beides miteinander. Wenn man überhaupt wählt und nicht nur da ankreuzt, wo man immer schon angekreuzt hat.
Shasu
"Maximalversprechen, das klappt doch nicht. Man weiß, dass der Vorschlag, einfach nur von den Reichen mehr Geld nehmen zu wollen und ein Grundeinkommen von 1.200 Euro für alle einzuführen, ein Märchen ist."
Das einzige Problem ist nur, wenn man mit einem Wischi-waschi Wohlfühlprogramm in Koalitionsverhandlungen reingeht, dann kommt nachher nur Einheitsbrei raus, siehe letzten Jahrzehnte. Wenn man mit Maximalforderungen reingeht, kann man den angehenden Partner, je nach Größenunterschied, zu mehr Zugeständnissen bewegen. Oder andersrum gesagt, niemand geht in eine Verhandlung, wo der Kompromiss schon die erste Forderung ist.
Šarru-kīnu
Zum Glück gibt es ja noch den Wahlomat. Der empfiehlt mir gleich auf als Parteien mit den meisten Übereinstimmungen DKP und FDP. An dritter Stelle kommen dann die Grauen. Das ist wahrscheinlich ein Zeichen dieses Jahr zu Hause zu bleiben.
Rainer B.
@Šarru-kīnu Das kommt dann eben dabei raus, wenn man bei allen Fragen „neutral“ auswählt und anschließend alle Punkte zusätzlich noch gewichtet haben möchte (;-))
Jalella
Tja, das Problem haben auch TAZ LeserInnen.
Ich lebe in Hessen, weiß also, was Grüne so alles durchwinken können wenn sie in einer Regierung sind. Z.B. den Ausbau des Flughafens, der nun noch mehr wunderschönen Fluglärm verursacht. Kleine Erinnerung: in Hessen kamen die Grünen wegen ihres Widerstandes gegen die Startbahn 18 West in die Landesregierung.
Und die SPD, speziell Scholz? Oh nein, keinesfalls die Niedriglohnsektorschaffer mit ihrem Hartz IV (unter anderem mit Scholz ganz vorne damals). CDUler mit SPD-Parteibuch.
Da bleiben mir nur die Linken. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was da so verzapft wird. Aber wenigstens eine politische Partei, die Nein zu dem wiederestarkendem Militarismus hierzlande sagt. Und eine Partei, die auch in Betracht zieht, wirklich Wohnraum wieder bezahlbar zu machen. Alle anderen behaupten ja, man müsse nur genug Luxuswohnungen schaffen, dann würden schon welche übrig bleiben für die NiedriglöhnerInnen. Das kann ja nicht ernsthalft jemand glaube, dass es an der schlichten Menge der Wohnungen liegt.
Also die Linke! Gerade mit der jetzigen Situation, in der man fürchten muss, dass diese einzige linke Kraft durch die schwachsinnige Propaganda, die gerade wieder gegen sie läuft, aus dem Bundestag ganz verschwindet.
Carsten1250
@Jalella Quote
Das kann ja nicht ernsthalft jemand glaube, dass es an der schlichten Menge der Wohnungen liegt.
Unquote
Doch - genau so ist es! Angebot und Nachfrage - einfach mal googeln. Mietendeckel wird zu weniger Wohungen führen!
Rainer B.
„Die Linke zu wählen ist ein Statement, okay, aber ich bevorzuge Programme, die näher dran sind an der Realität.“
Die Realität - das ist der Klimawandel; das ist Kinderarmut; das sind für immer mehr Menschen unbezahlbare Mieten; das ist die soziale Schere, die immer weiter aufgeht; das sind einige wenige, die fast das gesamte Vermögen halten; das ist Monopolismus statt Markt; das ist Klassenjustiz; das eine nur gefühlte Gleichstellung von Frauen und Männern; das sind rechtswidrige Polizeieinsätze; das ist Bildungsnotstand; das ist Kulturfeindlichkeit; das sind Rechtsradikale in Polizei und Verwaltung; das ist organisierte Naturzerstörung; das ist schleichende Korruption auf allen Ebenen; das ist ein asozialer „Sozialstaat“; das ist eine Bundeswehr, die dieses Land im Ernstfall tatsächlich gar nicht verteidigen könnte und deshalb lieber in sinnlose und kontraproduktive Auslandseinsätze geht; das sind Rüstungsexporte in Krisengebiete; das ist eine Aussenpolitik, die die stündlich wechselnden Interessen der USA über alles und jede Vernunft stellt; das ist marode Infrastruktur in vielen Bereichen; das ist Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten; .....
Welches Programm, bitte, sollte denn „näher dran“ sein an der Realität, als das der Partei Die Linke?
Jossito
@Rainer B. Sorry, Rainer B., das, was Sie beschreiben, bzw aufzählen, ist nicht 'die Realität' sondern ein spezieller Ausschnitt der Realität, offenkundig Ihr ganz persönlicher, eine reine Mängelliste, aber das ist total okay für mich. 'Die Realität' indes enthält viel mehr als das; Sie sehen das andere mglw nicht oder wollen es nicht sehen und ich erspare uns eine entsprechend lange Liste.
'Die Linke', (die ich für eine wichtige und notwendige Partei halte) die mit ihren legitimen Utopien nach Ihrer Auffassung 'nah an der Realität' ist, hat das alte Problem, dass mit einer Überdosis von Visionen und theoretischen Idealen in liberalen Demokratien schlechthin keine Mehrheiten zu gewinnen sind und damit das linke Spektrum eher geschwächt und sein politisches Realisierungsergebnis vermindert wird. Wenn die schönste Utopie dauerhaft wird, bleibt lediglich das Verliebtsein in dieselbe. Soll das der Sinn politischer Ideen sein?
Immerhin macht mir Hoffnung, dass Herr Bartsch beginnt, das Anti-Nato-Dogma zu relativieren. Was mir als Symptom eines linken Realismus gut gefällt.
Rainer B.
@Jossito Sie werden nicht ernsthaft von mir erwartet haben, dass ich „die Realität“ in Gänze und umfassend hier abschließend beschreiben könnte und wollte. Darum geht es doch gar nicht. Es geht um die Realitäten, die es in Zukunft in besonderer Weise politisch zu beackern gilt und die deshalb auch mehr oder weniger in Parteiprogramme einfließen. Sich dieser Realitäten programmatisch anzunehmen, hat doch nichts mit Utopien zu tun - ganz im Gegenteil. Alles so weiter machen wie bisher und dabei anzunehmen, es könnte trotzdem irgendwie ohne negative Folgen für alle bleiben, das ist in der Tat pure Utopie.
Apropo Nato-Dogma: Wäre Donald Trump Präsident geblieben, hätten sich hier nicht nur Linke verzweifelt gewünscht, man hätte beizeiten die Nato verlassen. Der nächste Donald scharrt doch jetzt schon mit den Füßen.
Ingo Knito
@Jossito Was die Autorin und auch Sie hier übersehen ist die Rolle der linken als Oppositionspartei. Eine Rolle, die sie in meinen Augen sehr gut ausfüllt und ein Grund ist sie zu wählen, auch wenn es für die Regierung nicht ausreichen sollte.
vergessene Liebe
Naja Frau Dribbusch... "Der Garten der Lüste"... oder mit anderen Worten: "Der innere Zwang der Moral des Gefühls für eine 'bessere' WELT" ... der führte ja in den Sechzigern zur Kultur der APO? Und die heutige TAZ besitzt ja ihre Wurzeln im humanen, im Ökologischen und im Friedlichen (freudevollen.. ) 'dionysischen Sumpf' der APO...
Und nun? "Der Marsch durch die Institutionen" ist ja vollbracht... Es gilt m.E. nur, die einstige Freigeistigkeit der APO zu erinnern und im Lichte der heutigen (Welt) Probleme
aktiv zu werden..
Ria Sauter
Gast
DANKE vielmals für diesen Artikel und den Einblick in Ihren Konflikt!
Sie sind im Spektrum der Ü 60jähriigen mit Ihren Gedanken nicht allein. Im Gegenteil!
Auch ich höre immer wieder diese Argumente und teile sie selbst.
Bin mal gespannt ob am Wahlabend "Die Partei" die 5 % Marke überschreitet.
Diese Partei ist momentan die Alternative für die ältere Generation.
97287 (Profil gelöscht)
Gast
@Ria Sauter Für die Ü-60 mag das gelten, für die Ü-70 kommt nur die SPD in Frage. 40 h - Woche, Bildungsoffensive, Bafög und eine auskömmliche Rente wenn man als Arbeiter oder Angestellter im öffentlichen Dienst 45 Jahre gearbeitet hat. Heute empfinden es manche schon als Zumutung , wenn im Anschluss an das Abitur ein Zimmer in einer fremden Stadt gesucht werden muss.