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Digitale UrlaubsplanungDer Buchungswahn zerstört das Reisen

Viele buchen ihren Urlaub früh, klicken sich durch Angebote, vergleichen Unterkünfte. Höchste Zeit, den Reiseportalen den Mittelfinger zu zeigen.

Das war noch Urlaub analog: auf der Griechischen Insel Kos in der 1980er Jahren Foto: United Archives/imago

S pätestens jetzt geht es wieder los mit dem Buchungswahnsinn. Stundenlang wird für den Sommerurlaub durch Onlineportale gescrollt, wird studiert, verglichen, abgewogen, mit einem Aufwand, als ginge es um den Erwerb einer Eigentumswohnung. Ich glaub, ich buche jetzt dieses Hotel, das sieht so idyllisch aus da in der Bucht. Ach nee, die Kacheln im Bad gefallen mir nicht. Mmh, soll ich Frühstück gleich dazunehmen? Wenn ich’s jetzt buche, spare ich 2 Euro. Lieber nicht, ich mach’s so wie die in Südeuropa, die frühstücken gar nicht.

Urlaubsvorbereitungen sind zur Qual geworden – der Digitalisierung sei Dank, die ja angeblich das Leben einfacher machen soll, die Reisende aber vor allem stresst und zu Planungsneurotikern werden lässt. Man möchte gar nicht wissen, wie viele Beziehungsstreits es deshalb schon gab: Du wolltest doch buchen, jetzt ist unser Urlaub geplatzt! Was machen wir denn nun? Ich will nicht in Kühlungsborn zelten! Und so weiter.

Vorabbuchung – dieses Wort hat ungefähr den gleichen Sexappeal wie Riester-Rente und Aktiensparplan. Und doch wählen die meisten Menschen, darunter auffallend viele junge Leute (war Spontaneität nicht einmal das Privileg der Jugend?), ihre Unterkünfte über Onlineportale wie booking.com aus, die nebenbei von den Hotels hohe Provisionen verlangen und die kleinen Pensionen an den Rand drängen.

Dadurch wird es auch für eigentlich Spontanreisende eng. Aus Angst, ohne Zimmer dazustehen, buchen sie ebenfalls vermehrt vorab. Der fiese Trick Dynamic Pricing (Zimmer sind angeblich billiger, je früher man sie bucht) macht zusätzlichen Druck. Der harte Kern der Traveller, der sich dieser Logik widersetzt, hat inzwischen den Status einer skurrilen Minderheit.

Früher fuhr man einfach los, erreichte einen neuen Ort und ließ sich von den Sinneseindrücken überwältigen. Nahm das Licht, die Farben und die Gerüche auf, das im Vergleich zum heimischen Paderborn oder Großburgwedel Andere, beobachtete die Ortsansässigen, staunte über die Details. Wie beiläufig in Italien der Euro über die Theke für den Espresso geschoben wird. Wie gut das organisierte Verkehrschaos in Rom funktioniert.

Einfach mal treiben lassen

Der Reisende ließ sich treiben, ging auch in unbekannte Viertel, und irgendwann am Nachmittag begann er oder sie – durchaus mit einem leichten Kribbeln im Bauch, findet man noch ein Bett? – nach einer Bleibe zu suchen. Man fand immer ein Zimmer. Außer auf Capri im Hochsommer vielleicht.

Auf einer griechischen Insel war es damals sogar noch einfacher: Am Fährhafen standen Pensionsbesitzer mit ihren kleinen Lieferwagen und warteten auf ankommende Spontankundschaft. Den Rucksack auf die Ladefläche geworfen, und los ging’s. Jahre später übernachtete ich mal in der Bretagne in der Pension eines alten Mannes, der mir die halbe Nacht von seiner Zeit als Zwangsarbeiter in Nazideutschland erzählte. Das sind Erlebnisse, die sich eher nicht über eine Instagramsuche der most beautiful apartments bestellen lassen. Aber es sind genau die Erfahrungen, die bleiben.

Und dann muss die Enttäuschung auch noch sofort online in die Welt posaunt werden: In der Küche fanden wir drei Ameisen, wie eklig!

Heute beugen sich die Touristen, einmal angekommen, angestrengt über Google Maps, um ja nicht die ein halbes Jahr vorher gebuchte Unterkunft zu verpassen. Ihre Umgebung nehmen sie gar nicht wahr, so sehr sind sie aufs Handy fixiert. Und dann die Enttäuschung, die natürlich sofort über Bewertungsportale in die Welt hinausposaunt werden muss: In der Küche fanden wir drei Ameisen vor, wie eklig!

Warum nicht mal irgendwohin?

Spontan reisen hingegen ist perfektes Erwartungsmanagement. Weil man ja nicht weiß, wo man landen wird, und weil die Kreditkarte noch nicht belastet ist, hat man keinerlei Erwartungen. Man freut sich über ein schlichtes Zimmer, da man sowieso die ganze Zeit draußen ist. Und wenn es gar nicht geht, zieht man einfach weiter.

Der Buchungswahn hat diese Freuden des Reisens bedenklich eingeschränkt und aus vielen Touristen ignorante, ängstliche und selbstbezogene Social-Media-Befüller gemacht, die keinen Blick mehr für das Überraschende haben. Es wird höchste Zeit, den Buchungsportalen den Mittelfinger zu zeigen.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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34 Kommentare

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  • Warum nicht einfach mal nicht verreisen, sondern schauen, ob einem das eigene Leben zu Hause nicht auch gefällt. Als ich jung war, ist man zwei Wochen im Sommer in den Urlaub gefahren. Das war schön, man hat sich drauf gefreut.



    Heute ist jeder mindesten gefühlt zehnmal im Urlaub und nimmt vermutlich Fotos der eigenen Wohnung mit, damit er weiß, wie sie aussieht.



    Dadurch ist es überall zehnmal voller als früher, man muss deswegen auch immer früher buchen (sic!) und die Klimakatastrophe feiert ob des ausgetoßenen CO2s fröhliche Urständ.

  • Der Mensch heutzutage ist zu komfotabel geworden. Früher ist man irgendwo hin gereist, dann gab es keinen Linienbus mehr zurück in die Stadt, musste im Dorf übernachten und das Hotel verlangt inflationsbereinigt 90€ für die Nacht, also einen ganzen Tageslohn, wo es früher vielleicht ein Stundenlohn war, weil billiges Land.

    Heute will man das Risiko nicht eingehen. Dank der Digitalisierung kann der Durchschnittsreisende ganz sicher wieder um Punkt 18 Uhr im Hotel zurück sein fürs Dinner, z.B. mit dem Mietauto.

  • "Spätestens jetzt geht es wieder los mit dem Buchungswahnsinn. Stundenlang wird für den Sommerurlaub durch Onlineportale gescrollt, wird studiert, verglichen, abgewogen, mit einem Aufwand, als ginge es um den Erwerb einer Eigentumswohnung..."



    Und der echte Unterschied zum Wälzen der Reiseprospekte seinerzeit liegt jetzt wo?



    "Man fand immer ein Zimmer."



    Ja, damals war alles besser.



    In letzter Zeit schon mal wieder versucht?



    Seit ich vor in paar Jahren in England so gut wie keine B&Bs mehr fand und mich die Spontanität häufig über hundert Pfund die Nacht kostete, habe ich meine Gewohnheiten den Gegebenheiten angepasst.



    "Der Buchungswahn hat ... aus vielen Touristen ignorante, ängstliche und selbstbezogene Social-Media-Befüller gemacht..."



    Unsinn. Das waren die (a)sozialen Medien ganz alleine.

  • Es gibt nur, was der Verbraucher sich wünscht.

    Früher gab es Kataloge mit Frühbucherrabatt, Anzeigen in Tageszeitungen etc. Heute halt digital über Plattformen, immer noch Reisebüros und Reiseanbieter im Stadtanzeiger.



    Für Deutsche immer gerne der Schnäppchenpreis. Wir mögen es standardisiert und billig. Die Löhne!!



    Das Schnitzel auf Malle schmeckt auch einfach spanischer.

    Einfach ins Blaue fahren geht aber immer noch. Dazu muss man nicht über den Buchugnswahn jammern. Einfach mal - Achtung: Reiseberichte von den vielen, vielen Influenzer-Reisenden lesen und die Marktlage der Camper anschauen. Auch Wurfzelte gibt es nicht umsonst.

    Also, Kopf hoch. Wenn all die anderen sich in Massen für 5 ,- EUR durch Venedig schieben, laufen wir vereinzelt über einen noch "nicht entdeckten" Pfad und posten ihn auf unserem Account/Profil oder was auch immer. Die kleine Pension ist im nächsten Jahr sicher ausgebucht. Liegt auch ein bisserl daran, dass sich immer mehr Menschen Urlaub leisten können.

    Ist das nicht eine gute Botschaft?

    • @Ansichtssache:

      "Es gibt nur, was der Verbraucher sich wünscht."

      Dann sollten sie das der Marketingindustrie mal unter die Nase reiben. Sie verlieren dann sofort jegliche Existenzberechtigung.



      Der Verbraucher wünscht nur, was er sich von profitmaximierenden Unternehmen einreden lässt. Über dem Berg an Müll hat er dann in der Regel vergessen, was davon eigentlich wichtig und schön ist.

  • Sehr guter und notwendiger Artikel.

    Mal mit Hoteliers gesprochen was die z. T. für gewisse Portale an Provision abdrücken müssen?

    Parasitär ist für manche Portale die richtige Bezeichnung.

    Und diese typischen Geiz-ist-geil-Gäste? Ist es nicht egal wohin sie fahren? Kriegen ihre Nase eh nicht aus den Smartphones raus.

    Wow, und wenn sie noch ein paar Euro sparen können ist das Glück vollkommen. Halleluja!

  • Schlimmer noch, der Buchungswahn hat eine Reiseform kaputtgemacht, der mal Inbegriff der Freiheit darstellte: das Camping. Noch in den späten Nullern sind wir in den Schulferien spontan losgefahren und haben erst auf dem Autlbahnkreuz entschieden, ob es nach Südwesten oder Südosten geht. Campingplätze waren meist eine Wiese oder gelichteter Wald mit einem Stromanschluss und einem Sanitärhaus irgendwo. Heute wird alles vorgebucht, ja das Buchen macht es dem Betreiber möglich, noch die letzte Parzelle in der Saison zu verplanen. Wobei wir beim Stichwort wären. Damit das geht, muss der Platz halt parzelliert sein. Also Schluss mit Wiese und Wald, jetzt campt man im Feeling einer Mischung aus Aldiparkplatz und Schrebergarten. Noch vor in denn Nullern stand das Zelt in Kroatien im Wald am Wasser, heute muss man dafür - ungebucht - sehr sehr weit in den Norden fahren. Selbst der Süden Skandinaviens ist komplett vorgebucht.

  • "Spätestens jetzt geht es wieder los mit dem Buchungswahnsinn. "

    Für 2027, richtig? Ist doch schon alles ausgebucht für 2025.

  • Wahre Worte. Mit Familie ist es noch schwieriger. Wer riskiert schon, irgendwo anzukommen und dann gibt es keine Bleibe? Und das mit quengelndem Anhang. (Allein pennt man notfalls irgendwo im Schlafsack.) Leider wartet auch niemand mehr am Hafen mit "Rooms"-Pappschild in der Hand. Kulturverfall wohin man schaut.

  • Es stimmt schon, dass wir uns immer mehr von diversen Hilfsmitteln abhängig machen. Dass man Einheimische kennenlernt, weil man die diese nach einem Weg oder einer Unterkunft fragt, ist nahezu ausgeschlossen. Entsprechend dann auch die Erlebnisse, die dadurch entstehen können.



    Dafür können wir uns digital vollpumpen mit Verschwörungstheorien, Meinungen von Fremden, die oft keine Ahnung haben und "Geheimtips", wo dann alle hin müssen um sagen zu können, dass sie da waren.



    Wirklich zufälligen Begegnungen und Erlebnissen vor Ort bleibt dann nicht mehr viel Platz. Stattdessen gibt es viele Menschen, die glauben zu wissen wie es dort ist und ihre "fachliche" Meinung wiederum digital verbreiten.

  • "Starke Gefühle" muss d/W/m sicher erarbeiten & auch aushalten können!



    -----



    Ich mache häufig Radreisen. Da wird dann immer vorgebucht, genau geplant, usw. weil Strecke, Sehenwertes, Wetter, Kondition & Pannen ja zu 100% kalkulierbar sind. Der 2 Pers. "Tunnel", Schlafsack, Kocher usw. bleibt aus Gewichtsgründen zu HAUSE. Beim Rad geht es um jedes Gramm! :-)



    Bei den IMMER vor-gebuchten Unterkünften hatten wir es nie nötig, die "Tourist-Information" zu belästigen, 2.3 Hotels anzufahren, gar Einheimische um eine Übernachtungs-, einen Zeltplatz zu bitten! :-)



    Wahlweise sind auch Bus-Häuschen oder Wetterschutzhütten im Wald geeignete Ziele.



    Die kann d/W/m leider nicht vorbuchen! ;-)



    Mein Fazit: Siehe Überschrift!



    Gr. Sikasuu



    Ps. Nach dem Beitrag ist MIR KLAR geworden, warum es kaum noch Anhalter in DE gibt! Zufällig nach "Irgendwo" fahren, Madrid oder Mailand, Hauptsache Italien scheint junge & auch mittelalte Menschen doch stark zu über "überfordern"! :-)



    Pps. Die o.a. Art zu reisen, macht sich auch sehr auf dem Bank-Konto bemerkbar, wenn d/W/m am "Trinkgeld oder kleinen Präsenten" spart.



    Nur auf dem Konto "soziale, reale Beziehungen" ergibt das fast immer ein GROßES PLUS! :-)

  • Digitalisierung und Globalisierung gehen Hand in Hand. Reisen ist schon lange ein Ding, das sich gemäß (digitaler) Globalisierung immer weiter entwickelt.



    Schwerpunktmäßig läuft hier eine enorme Informationsflut ohne Verdichtung. Die Selektion muss jeder selbst leisten.



    Genau das ist das Problem. Viele Menschen sind mit (der digitalen) Informationsflut überfordert, und das bereitet ihnen Stress. Andere sind zur Selektion fähig und begrenzen die Informationen, die sie zu berücksichtigen wünschen.



    Die Urlaubsbuchung ist selbstverständlich von Informationen abhängig. Aber die mobilen digitalen Infofluter, die wir fast alle längst permanent mit uns führen, haben über die Urlaubsbuchung hinaus weiteres Stresspotential, wenn der dadurch ebenfalls ausgeuferte „Bekanntenkreis“ ständig seinen Status und Erlebnisse postet! Und wir sehen es ja alle vielfach in unserer Umgebung, wie ständig der Kontrollblick auf das Handy geht, um ja nichts zu verpassen. Sich so zu verhalten, ist die Entscheidung jedes Einzelnen, und er kann dies auch einfach unterlassen. Und damit sich selbst den Stress ersparen!

  • Ja, früher war alles besser...

  • Der Song von Peter Rubin "Wir zwei fahren irgendwo hin", veröffentlicht im Jahr 1973, sollte wieder zum gesellschaftlichen Mainstream werden.

    Umweltfreundlich mit Fahrrad, Bus und Bahn nach Gefühl irgendwo hinreisen und zelten/campen anstatt teure Hotels zu buchen - das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.

    Und bietet obendrein - wie von der Autorin des Artikels geschildert - Live-Erlebnisse vor Ort in einem weitaus größeren Umfang als bei einem mehrwöchigen Hotelaufenthalt an einem bestimmten Urlaubsort (inkl. dessen näherer Umgebung).

    • @Jessica:

      "mit Fahrrad, Bus und Bahn nach Gefühl irgendwo hinreisen und zelten/campen anstatt teure Hotels zu buchen - das schont nicht nur den Geldbeutel"



      Mit Fahrrad ist es fraglos billiger, mit Bus ist es bei Spontanbuchungen maximal so günstig wie mit dem Auto - bei deutlich weniger Flexibilität und mit der Bahn sind Spontantickets teils teurer als wenn man fliegt - schauen Sie mal was Berlin -> München kostet wenn Sie jetzt direkt losfahren wollen bei der Lufthansa als auch bei der Bahn...🤷‍♂️



      Zum zweiten Punkt, den Unterkünften, egal ob Hotels oder Zeltplätze, die sind im Nahbereich, egal ob Deutschland oder Europa, so dermaßen teuer geworden, dass man draufzahlt wenn man hier bleibt.



      Gerade an den Küsten ist das Preisgefühl komplett abhanden gekommen.



      2 Wochen Usedom oder 2 Wochen Thailand - wenn ich mir Transport und Unterkunft online selbst organisiere komme ich am Ende, inklusive Essen, Trinken und Abendgestaltung in der Regel in Thailand billiger weg - plus echtes Badewetter und angenehm warmen Meer statt kalter Ostsee 🤷‍♂️



      Ab 3 Wochen sowieso und gegen Urlaubsziele wie Mittelmeer erst recht.



      Urlaub zuhause günstig war einmal, leider. Das passt hinten und vorne nicht mehr.

      • @Farang:

        Deutschlandticket, schon von gehört?



        .



        Und wer sagt was von Zeltplätzen?



        .



        Entweder in Deutschland nett die Besitzer eines Privatgrundstücks fragen.



        .



        Oder einfach mit dem Zug bis Österreich fahren. In den Bundesländern, die an Deutschland grenzen, ist Wildcampen nicht explizit verboten.



        .



        Die skandinavischen Länder ären natürlich optimaler, die spontane Anreise per Zug dann jedoch etwas teuer.

  • Sorry aber warum macht ihr dann Alle bei diesem Wahnsinn mit?



    Wer hier hat kein paypal, navigator, comood (oder so ähnlich), Bankäpps und "Einkaufsäpps"?



    In all diesen Bereichen pervertiert der Digitalzwang genauso wie im Tourismusbereich unser schönes Erleben, analoges Wahrnehmen und unesre Handlungsfähigkeit!



    Weil Alle schon seit jahren den Mist mitmachen, gibt es das jetzt eben auch noch pervertierter woanders. Super, wer hätte das jemals gedacht?

    Ein altes Sprichwort sagt ja schon "Tourismus ist pervertiertes Reisen" und vor diesem Hintergrund bin ich eher erstaunt, dass diese digitale Perversion jetzt erst auffällt.

  • Die Preise für Flüge sind enorm tagesabhängig, siehe "Google Flüge" (Start- und Zielflughafen eingeben, dann werden im Kalender die Tagespreise angezeigt). Und die vielen, neuen Wohnungen, die Airbnb erschlossen hat (ca. halber Preis gegenüber Hotel bei meist weitaus mehr Wohnfläche) wären mit konventioneller Nichtplanung gar nicht verfügbar. Hinck übersieht die enormen Effizienz- und Kostenvorteile, die die Digitalisierung auch beim Reisen gebracht hat. Bequemer und sicherer finde ich es auch.

  • Dieser "Buchungswahnsinn", wie es der Artikel ausdrückt, wird und wurde vor allem von jungen Menschen eingeläutet.



    Beispiel Asien, da ist man früher mit dem Rucksack frei Schnauze umhergereist, bezahlte täglich bar sein Zimmer so lange man Lust hatte und zog weiter wenn es einen passte.



    Vor spätestens 10 Jahren war das endgültig vorbei, wenn du da außerhalb vom Monsun ein Zimmer willst hast du keine Chance mehr vor Ort 🤷‍♂️



    Hinzu kommt, dass auch Einheimische durch eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage mit Touristen um Unterkünfte konkurrieren - früher blieben die in ganz günstigen Home Stays und waren so keine Konkurrenz für europäische Kunden.



    Zu guter letzt spielt auch die Abkehr von Bargeld eine entscheidende Rolle, immer mehr wollen nur noch online oder mit dem Handy bezahlen 🤷‍♂️



    Reiseportale, private Anbieter und Zimmerbörsen wie booking, agoda, airbnb, etc springen nur auf den Zug auf - der Kunde entscheidet wie üblich wohin die Reise geht, der Markt passt sich nur an.



    Wer zurück zu spontanem Reisen will müsste das Internet zurückdrängen - oder man urlaubt außerhalb der 'beaten tracks', den Osten Indonesiens, Papua oder die Salomonen kann ich aktuell noch empfehlen👍

    • @Farang:

      Es gibt Oster-, Pfingst- und Sommerferien?



      Damit sind Ferienzeiten definiert. An diesen richtet sich das Personal, der Lagerbestand etc. aus?



      Wir sprechen Menschenmassen, die sich reisend über den Planeten schieben.

      Ich erinnere mich an die Erzählung von einem alten griechischen Fischers. Die "Blumenkinder" kamen, waren oft Gast und gaben nichts zurück. Sie hinterliessen aber sehr viel Müll.

      Nehmen Sie eigentlich Reisende auf?

      • @Ansichtssache:

        Tatsächlich vermieten wir immer unseren Wohnsitz in Berlin über den Winter, wenn wir in unserer alten Heimat überwintern.



        Das machen wir aber nicht über Onlineportale, das ist uns zu unpersönlich, vor allem hast du da idR nicht final den Finger drauf, wer schlussendlich kommt.



        Wir hängen einen Zettel an der HU aus oder werden über Bekannte meist schon vorab gefragt, wenn diese beispielsweise Gastdozenten für ein paar Monate unterbringen wollen.



        Oldschool. Mundpropaganda.

  • Höchste Zeit, den Reiseportalen den Mittelfinger zu zeigen? Da leidet wer auf Kosten des Planeten und der Menschheit. Der Mittelfinger gehört dem Reise- und Mobilitätswahn gezeigt. Ohne all die kleinen und großen Fluchten, würden sich die Menschen vielleicht mehr darum kümmern, ihre Nachbarschaft, Stadt, Region und so irgendwann die ganze Welt zu einem nachhaltig lebenswerten Ort zu machen. Aber die taz ist ja selber Reiseanbieter und scheint, wie so viele Leute, zu glauben, dass Reisen bildet. Man müsse in der fremden Kultur deutsches Bier wertschätzen lernen, menschliches Leid aus der Nähe ignorieren und schützenswerte Natur schon selber tottrampeln (und davon noch ein schönes Foto posten): Erst dann könne man die notwendige Empathie entwickeln und wäre bereit, etwas im eigenen Leben zu ändern.

  • Wo ist der Unterschied zu früher?



    Nur früher ging es offline, Reisekatalog, Reisebüro, endlose Diskussionen und Nachfragen der Buchenden im Reisebüro.



    Sprechen Sie doch mal mit Menschen die im Reisebüro arbeiten, früher dort gearbeitet haben.

  • Ich bin da anderer Meinung. Das Suchen nach Unterkünften im Internet macht Spaß, erhöht die Vorfreude, und man muss nicht (aber kann) bei den großen Portalen (Expedia, Booking,,,) buchen. Gerade Google Maps bietet sich an, auch kleinere Gasthöfe und Pensionen zu finden. Da ist dann die Homepage oder zumindest eine email-Adresse und/oder eine Telefonnummer angegeben, über die man sich informieren und ggf. auch gleich buchen kann.



    Und in Großstädten ist für mich die Lage wichtig: mit dem Rollkoffer (zwei Wochen aus einem Kleidung, Waschzeug etc... aus dem Rucksack, dafür bin ich jetzt zu alt) ist eine anständige Verkehrsverbindung notwendig. Und was nützt das schönste Hotel, wenn man jeden Urlaubstag zwei Stunden Fahrzeit zusätzlich einplanen muss...

    Weitere Informationen zu ÖPNV-Fahrplänen, Tickets, Preise, Museen, Lokalen, die ich mir vorher zusammensuche, machen zumindest mir Lust aufs Reisen.



    Ein No-Go gibt es aber: keine Ferienwohnung in der Innenstadt, da sollen wieder normale Mietwohnungen draus werden.

  • Tja früher. Früher sind wir einfach losgefahren. Mit der 16PS-Ente. Amischlafsack dabei. Plane. Iso-Matte gab's noch nicht. So sind wir bis Agadir getuckert und durch's Atlas- und Riffgebirge zurück nach Spanien und dort in ein Hippienest. Kilometerweise veränderte sich die Landschaft, die Ortschaften, die Leute. Die Menschen waren hilfsbereit, entgegenkommend, freundlich, gastlich. Es waren gute Reisen. Schon nach den ersten Kilometern verschwand das was vorher war. Es gab nur das durch die Gegend Tuckern und Schauen. Das Jetzt. Das haben wir manchmal Wochen und dann Monate lang gemacht. Und - das hat uns verändert. Irgendwann zurück in der "Zivilisation", im Alltag, spürten das vor allem unsere Freunde und Bekannten, weil wir extrem fremdelten. Den großstädtische Rhytmus, den hatten wir nicht mehr drauf. So spürt man, dass es auch noch etwas anderes gibt als das was vorher war.

  • Also die Zeiten, in denen man komplett einfach mal drauflos gefahren ist, die waren doch auch schon früher nicht bei jedem da. Meine Eltern haben regelmäßig eine Ferienwohnung gebucht. Einmal hatten sie vor, einfach zu fahren und immer wo anders zu sein, was ich dann wohl recht schnell mit der Frage, wo denn der Urlaub sei, beendet habe. Wenn ich buchen, bin ich meist ziemlich kurz entschlossen, ich schau nach und buche das erste, das mir zusagt. Und heutzutage mit Familie schauen wir öfters mal wie weit wir kommen und schauen dann kurzfristig was zu bekommen. Am Urlaubsort selbst haben wir dann aber was vorgebucht.

  • Kann es sein, dass da ein klitzekleines bisschen romantische Verklärung und vielleicht auch Ignoranz durchscheint?



    Dieses Spontanreise-Abenteuer-Klischee kenne ich nur von Leuten, die nicht großartig irgendwas organisieren/koordinieren müssen. Urlaubsplanung für 2 beim jeweiligen Job (oder gar im Plural), ggf. Schulferien, ggf. Hsustierbetreuung etc. Und vielleicht steht ja auch gar nicht jeder auf spontan und „sich treiben lassen“ - als wenn das eine universell positiv gewertete Qualität wäre.

    Herr Hink, Sie haben sicherlich recht mit vielen der von Ihnen kritisierten Punkte hinsichtlich der Durchdigitalisierung der Urlaubsindustrie. Aber manches ist auch etwas anmaßend.

    • @Kawabunga:

      Das hört sich dolle nach "früher war alles besser"- verklärte Reisenostalgie an.



      Ich frag mich auch ob der Auto schon mal mit kleinen Kindern gereist ist....

      Btw: Wer auf eine Anfahrt mit dem Auto verzichtet, kann eher schlecht mitsamt Gepäck "staunend" durch Rom schlendern und hoffen, ein Bett zu finden :-D (musste sehr lachen, danke).

      • @N.Laj:

        Ich frag mich auch ob der Auto schon mal mit kleinen Kindern gereist ist....



        ----



        Mit Kindern muss d/W/m natürlich vorbuchen, doch nicht 1 Jahr im Voraus.



        Ok. 10 Tage Malle oder Malediven, Hauptsache Strand, für 299- X € ist 2-3 Monate vorher nicht zu bekommen, aber wo ist bei 10 Tagen den dann Urlaub?



        3-4 Tage Flug & um DE zu vergessen, 1-2 Tage zum Eingewöhnen & dann 3-4Tage fürs Packen, Flug usw.?

      • Gunnar Hinck , Autor des Artikels,
        @N.Laj:

        Guten Tag, dem Autor sind Reisen mit Kindern vertraut. Natürlich plant man da mehr, aber es planen mittlerweile auch Leute ihren Urlaub akribisch, die es eigentlich nicht müssten. MfG aus der taz - Gunnar Hinck

        • @Gunnar Hinck:

          Ich gebe Ihnen vollkommen recht, und ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es auch mit Kindern geht. Wir haben das jahrelang praktiziert und es war wunderbar.



          Einmal sogar ganz spontan mit Kleinkind auf Fahrrädern. Ohne Buchung der Schiffspassage, ohne Buchung einer Unterkunft. Unvergesslich die Begegnungen mit den Menschen des Reiselandes. Das heute erwachsene Kind macht‘s genauso.

        • @Gunnar Hinck:

          "aber es planen mittlerweile auch Leute ihren Urlaub akribisch, die es eigentlich nicht müssten"

          Auf welche empirische Untersuchung stützt sich diese Aussage? Welche Parameter wurden für die "Nichtplanungsnotwendigkeit" abgefragt? Nur so aus journalistischem Interesse.

          • Gunnar Hinck , Autor des Artikels,
            @Jürgen Meyer:

            1. Empirie = Das Leben der Mitmenschen mitbekommen, plus die Umfragen, die es zur jeder Tourismusmesse so zuverlässig wie den Frühjahrsbeginn gibt.



            2. Sie nennen es Nichtplanungsnotwendigkeit - man kann es auch "Freiheit und Selbstbestimmung" nennen. Wenn man keine Schulkinder (mehr) hat, die mitreisen, steigt der Grad der Selbstbestimmung natürlich. Ist sicherlich auch eine Typsache. Der Typus deutscher Ingenieur, der im Beruf alles immer plant und in Excel-Tabellen schreibt, kann im Urlaub davon tendenziell nicht lassen - Déformation professionelle

          • @Jürgen Meyer:

            Ich bin ja prinzipiell auch ein Freund von Quellen, aber Kolumnen dürfen - ganz journalistisch betrachtet - auch Meinungsäußerungen auf Basis persönlicher Eindrücke sein.