Anbiederungen an Elon Musk: Der deutsche Kriecher
Die Unterwürfigkeit hiesiger Pseudoliberaler gegenüber Elon Musk scheint anlasslos und bizarr. Überlegungen zur Untertanenmentalität.
C hristian Lindner, der gerne ein Rechtspopulist für Villenbewohner wäre, war merklich betrübt, dass der bewunderte Multimilliardär Elon Musk auf seiner Fake-News-Plattform die Werbetrommel für die AfD rührte, statt Lindners Qualitäten ausreichend zu würdigen.
„Elon“, schrieb er ranschmeißerisch, „ich habe eine Politikdebatte angestoßen, die von Ihren und Mileis Ideen inspiriert ist. Während die Migrationskontrolle für Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, stellt sich die AfD gegen die Freiheit, die Wirtschaft – und sie ist eine rechtsextreme Partei. Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse aus der Ferne. Lassen Sie uns treffen, und ich zeige Ihnen, wofür die FDP steht.“
In dem Augenblick, als man diese Bettelei las, war man froh, dass der Begriff des „Fremdschämens“ schon erfunden war.
Elon Musk freilich dürfte unterwürfige Briefchen der deutschen Stützen der Gesellschaft gewohnt sein. „Warum kaufst Du nicht Twitter“, schrieb ihm Springer-Boss Mathias Döpfner seinerzeit und bot gleich an: „Wir managen es für dich“. Musk antwortete nur knapp „Interessante Idee“. Musk hatte die offenbar schon vorher, nur ohne irgendeine Rolle für Döpfner vorzusehen.
Einige Tage später, der Deal war da schon über die Bühne, fasste der Springer-Chef nach und pries seine Dienste erneut an: „Klar, lass uns gerne reden“, gab Musk nach ein paar Stunden zurück. Dann wieder eine schnörkelvolle Nachricht Döpfners, und abermals ein maximal kurzes „Klar“ zurück. Döpfner schreibt wieder, bekommt nichts zurück, säuselt und schleimt ein paar Tage später erneut: „Ich würde sehr gerne Twitters Zukunft diskutieren, wenn du bereit bist. So aufregend.“ Eine halbe Stunde später kommt laut Spiegel die letzte Antwort: „Interessant“.
Der Kontext zählt
Jeder Digital Native weiß natürlich: Wer elaborierte Liebes-, Bewunderungs- und Anbiederungstexte schreibt und darauf mal ein schmallippiges „klar“, mal ein kaum begeistertes „interessant“ zurückbekommt, sollte diese Nachrichten nicht buchstäblich lesen, sondern im Kontext interpretieren.
Die Botschaft ist: „Gib Ruhe, Du Nervensäge“. Früher hätte man das „zwischen den Zeilen lesen“ genannt – was natürlich hier eine unangebrachte Formulierung wäre. Musk gönnte Döpfner ja nicht mal einen Plural an Zeilen, zwischen denen man lesen hätte können.
Die Lektüre dieser Textkommunikationen setzte bei mir sofort Überlegungen über den Typus des deutschen Kriechers in Gang. Immerhin haben wir es bei Lindner und Döpfner nicht mit Untergebenen zu tun, die von den Launen eines Dienstherrn oder Hochwohlgeboren abhängen, und wegen eines Abhängigkeitsverhältnisses in eine zwar unschön anzusehende, aber irgendwie nachvollziehbare Bücklingshaltung gezwungen werden. Vielmehr sehen sie sich als die Mover und Shaker, wissen wohl, sich in ihren Kreisen als Stützen der Gesellschaft zu renommieren, und fallen ohne erkennbare Not in einen Ton der Servilität.
Jeder Mächtige findet einen noch Mächtigeren
Heinrich Mann hat in seinem Roman mit dem kanonischen Titel „Der Untertan“ den Mechanismen ein Denkmal gesetzt, die alle sozialen Beziehungen mit Macht durchziehen und wie diese Machteffekte auf nahezu jeder Stufe der sozialen Hierarchie einerseits Selbstrespekt untergraben, das Empfinden von Entehrung sich zugleich aber in Gemeinheit und Herablassung gegenüber Niedriggestellten verwandelt. Die Macht wandert in die Subjekte und versehrt sie, sogar die Mächtigen, die immer noch einen anderen Mächtigen finden, vor dem sie ihre Schleimspuren ziehen.
Bemerkenswert: Die Macht und das scheinbare Imponiergehabe sind selbst bei den Gewinnertypen offenbar ein dünner Firnis, unter dem die Bereitschaft zur Unterwürfigkeit schlummert. Ein kleiner Dienstbote und Untertan steckt am Ende auch in ihnen und ist nicht herauszubekommen.
Das ist insofern interessant, als unsere Protagonisten Individualismus und Autonomie hochhalten, diese sogar in einen autoritären „Libertarismus“ eskalieren lassen, also die Idee, dass dem Starken jedes Recht gebührt und den anderen nur die Pflicht zur Huldigung.
Dieser Pathos des Individualismus ist meist auch von der Vorstellung einer Würde des starken Subjekts grundiert. Der linke Philosoph Ernst Bloch sprach einst von den „Tagträumen vom aufrechten Gang“, und auch wenn Libertäre bei Gott keine Linken sind, hätte man doch vermutet, dass sie den Imperativ des aufrechten Ganges mit ihnen teilen.
Von Ermächtigten und Unterwürfigen
Die Vorstellung vom autonomen Menschen ist von Würde und Freiheitspathos gespeist, die diesen, wie Thomas Mann meinte, „ungeeignet zum Fürstenknecht“ machen. Anders gesagt: Sie verträgt sich schlecht mit Kriechertum und Würdelosigkeit. „Würde“ ist ein altmodisches Wort, das Beiklänge von „Ehre“ und Selbstrespekt hat. Alle Revolten der Geschichte waren und sind bis heute in irgendeinem Sinne auch „Revolten der Würde“.
Man muss da nur an die Arbeiterbewegung denken, die darauf bestand, dass einem Respekt für harte Arbeit zusteht und dass es entehrend ist, wie eine Nummer oder ein Bückling behandelt zu werden. Ähnliches gilt für Erhebungen gegen die Sklaverei und andere antikoloniale Auflehnungen.
„Eine erniedrigte Gruppe, die ihre Würde wiederherstellen will, verfügt über weit mehr emotionales Gewicht als eine, die nur ihren wirtschaftlichen Vorteil verfolgt“, formuliert der liberale Politiktheoretiker Francis Fukuyama. „Letztlich ist es das innere Gefühl der Würde, das nach Anerkennung drängt.“ Subalterne, also erniedrigte Gruppen kämpfen stets nicht nur um formale Rechte oder materielle Besserstellung, sondern auch um ihren Selbstwert.
Der pseudoliberale deutsche Spießer nimmt dagegen schnell die Bücklingshaltung ein. Er gibt jene Selbstachtung und Würde auf, die andere in prekäreren Positionen entgegen allen Widrigkeiten verteidigen. Man kennt es aus Literatur und Lebenserfahrung, staunt aber dennoch immer wieder aufs Neue.
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