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Zwei Bahntickets für BundesbediensteteCoronaschutz nur für Beamte

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Politik behauptet seit Monaten, Bahn und Flugzeug seien ohne Abstand sicher. Doch die eigenen Leute dürfen bei Dienstreisen zwei Plätze buchen.

Bundesbedienstete dürfen bei Dienstreisen mit dem Flugzeug zwei Sitze buchen Foto: Dimitri Drofit/imago

D iese Doppelzüngigkeit macht sprachlos: Seit Monaten erklärt die Politik, dass Reisen in Zug und Flugzeug sicher seien. Dort auf die Einhaltung der Abstandsregeln zu bestehen, die überall sonst gelten, dafür gebe es keinerlei Anlass. Die immer wieder erhobene Forderung, mindestens jeden 2. Sitzplatz frei zu lassen, müssen weder Fluggesellschaften erfüllen noch die – staatseigene – Deutsche Bahn. Doch während der allgemeinen Bevölkerung zugemutet wird, über Stunden unmittelbar neben einer fremden Person zu sitzen, gelten für Angestellte der obersten Behörden des Bundes andere Regeln: Diese dürfen bei Dienstreisen per Flugzeug oder Bahn derzeit ganz offiziell zwei Tickets für nebeneinanderliegende Sitze kaufen, um das Infektionsrisiko zu senken.

Neben der Unaufrichtigkeit der bisherigen Argumentation zeigt das Schrei­ben, dass die Zuständigen die Beförderungsbedingungen der Bahn nicht wirklich verstanden haben. Denn in der Bahn berechtigt ein zusätzlicher Fahrschein nicht dazu, einen weiteren Platz zu beanspruchen, sofern es keinen dazugehörigen Fahrgast gibt. Und um zu verhindern, dass der Nachbarplatz von jemand anderem reserviert wird (und damit die Chance auf einen freien Nachbarsitz zumindest deutlich zu erhöhen), braucht man keine zweite Fahrkarte, sondern nur eine – deutlich billigere – zweite Reservierung. Das aber nur am Rande.

Viel wichtiger ist: Eigentlich liegen die Behörden völlig richtig mit ihrer Einschätzung, dass es sinnvoll ist, den Nachbarsitz freizuhalten. Doch statt nur ihre Mitarbeiter*innen von dieser Erkenntnis profitieren zu lassen, müssen endlich alle Reisenden auf diese Weise geschützt werden. Gegen eine Pflicht, auch in Bussen, Bahnen und Flugzeugen den Infektionsschutz durchzusetzen, dürfte es nach diesem Eingeständnis der Behörden eigentlich keinen Widerstand mehr geben. Denn sonst würde ja offiziell bestätigt, dass es in Verkehrsmitteln jetzt auch beim Infektionsschutz eine Zweiklassengesellschaft gibt.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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30 Kommentare

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  • Oh, habe ich an Ihrem Feindbild gekratzt?



    Ich muss Sie enttäuschen, Ihre Vermutungen sind allesamt nicht zutreffend.



    Sie haben allerdings insofern Recht, dass man bei Beamten vom "Dienstherrn" spricht. Das bedeutet aber keinesfalls, dass Beamte nicht arbeiten und Dienstherrn nicht wie andere Arbeitgeber auch Fürsorgepflichten haben......



    Ich weiß auch nicht, warum Sie es zynisch finden, den Unterschied zwischen freiwilligen privaten Reisen und dienstlichen Verpflichtungen klarzustellen......



    Aber bleiben Sie gern Ihren gewohnten Frames treu, wenn es hilft.

    • @Life is Life:

      sorry, das sollte hier gar nicht stehen. War eine erste Antwort auf Frau Flieder weiter unten.....

  • So subventioniert man die Deutsche Bahn AG und die Luftfahrtbranche noch zusätzlich in Deutschland an der EU vorbei. Geld ist ja hierzulande genug da. Bleibt auf jeden Fall alles immer schön in der christlichen Beamtenversorgungsmaschine (;-))

  • Es steht doch auch "normalen" Passagieren frei, 2 Sitze nebeneinander zu kaufen, sowohl in Bahn und auch im Flugzeug.

    • RS
      Ria Sauter
      @Jossi Blum:

      Wenn mir der Staat, also der Steuerzahler, das auch zahlt, mache ich das gerne.



      Ansonsten kann ich mir das nicht leisten.



      Wo gibt es den Antrag in dieser Zweiklassengesellschaft?

      • @Ria Sauter:

        Hier zahlt nicht der Staat sondern der Arbeitgeber. Und zwar nicht für Privatreisen sondern weil er seinen Mitarbeiter auf eine Dienstreise schickt.



        Es ist jedem Arbeitgeber freigestellt, das für seine Mitarbeitenden auch zu tun und damit seinen Fürsorgepflichten nachzukommen.



        Das macht unter Umständen auch ökonomisch Sinn, wenn damit eine Erkrankung und damit ein Arbeitsausfall vermieden werden kann.



        Sie selbst sind im Privaten außerdem frei zu entscheiden wie fürsorglich Sie mit sich selbst umgehen und was sie sich leisten wollen.

        • RS
          Ria Sauter
          @Life is Life:

          Wer ist der Arbeitgeber von Beamten?



          Sie sind anscheinend einer, ansonsten sind Ihre zynischen Kommentare nicht zu verstehen.



          Bleiben Sie gesund!

          • @Ria Sauter:

            Sie haben Recht, bei Beamten heißt der Arbeitgeber "Dienstherr".



            Das bedeutet aber weder ,dass Beamte nicht arbeiten, noch das Dienstherrn keine Fürsorgepflichten haben.



            Ich bin im Übrigen keiner, da muss ich Sie enttäuschen.



            Mir ging es allein darum den Unterschied zwischen beruflich verpflichteten und privaten Reisen klarzustellen.

            • @Life is Life:

              Fakt ist und bleibt, dass bei Beamten die Kosten von den Steuerzahlern getragen werden, während nichtverbeamtete Mitarbeiter und /oder Arbeitnehmer der freien Wirtschaft keinen Anspruch auf eine solche Leistung geltend machen können, wenn sie in's mobile Arbeiten geschickt werden.

  • Doppelzüngigkeit gibt es ja allenthalben: da wundern sich Politiker öffentlich, dass nicht mehr Leute die Corona Warn App installieren. Gleichzeitig tönt Herr Seehofer, dass er mehr Terroristen überwachen will und in digitale Verschlüsselung Hintertüren einbauen lassen will. Finde den Fehler. Oder meint irgendjemand, das stärke Vertrauen??

  • Als diese ganzen Schutzmaßnahmen in Berlin losgingen, informierte uns im ÖRR ein leitender BVG-Mitarbeiter darüber, dass Öffi-fahren vollkommen harmlos sei, es wäre auch keine Ansteckung in Öffis bekannt.



    Der wird uns doch nicht belogen haben, oder?

    • 0G
      01349 (Profil gelöscht)
      @Carl Fischer:

      Nein. Er hat schon Recht, dass keine Ansteckung in Öffis nachgewiesen ist. Daraus zu schließen, dass es ungefährlich sei, ist aber ein Trugschluss. Denn man weiß ja von den wenigsten Infizierten, wer da noch alles im Waggon war; man könnte eine Ansteckung dort also höchstens durch Ausschluss aller anderen Möglichkeiten nachweisen.

      Und da kommt dann ins Spiel, dass jeder, der mit Öffis fährt, irgendwo hinfährt und irgendwo herkommt, wo er sich auch angesteckt haben könnte...

      • @01349 (Profil gelöscht):

        Sie arbeiten nicht zufällig bei GUD.berlin?

      • @01349 (Profil gelöscht):

        ÖPNV ist nicht immer gleich ÖPNV. Es macht schon einen Unterschied ob Sie 10 Minuten in einem vollen Bus unterwegs sind, dessen Türen sich an jeder Haltestelle öffnen oder ob Sie stundenlang in einem Zugabteil eines Fernzuges sitzen müssen.

        • 0G
          01349 (Profil gelöscht)
          @Life is Life:

          Ich dachte hierbei an die vielen, die jeden Tag 10 Minuten in einem mehr oder weniger vollen Bus unterwegs sind. Das mag ein geringes Risiko sein, aber die Anzahl macht's dann doch.

          • @01349 (Profil gelöscht):

            Ja, klar, das sehe ich genau so.



            Aber das sind Wege von und zur Arbeit. Darauf hat ein Arbeitgeber wenig bis keinen Einfluss.



            Im Artikel geht es aber um Dienstreisen, also Arbeitszeit. Darauf kann der Arbeitgeber Einfluss nehmen. Ich finde daran nichts zu meckern, wenn ein Arbeitgeber hier seien Mitarbeitenden höchstmöglichen Schutz verschafft.

            • 0G
              01349 (Profil gelöscht)
              @Life is Life:

              Ja, da sind wir ein bisschen vom Thema abgekommen.

              Den Artikel habe ich nicht als Kritik am Bund als Arbeitgeber verstanden, sondern als Kritik am Bund als demjenigen, der allen anderen zumutet, dicht an dicht in Bahn und Flugzeug zu sitzen.

              • @01349 (Profil gelöscht):

                Tut er doch gar nicht. Privat können Sie frei entscheiden, ob Sie Fliegen oder Zug fahren wollen.



                Wenn ihr Arbeitgeber Sie auf Dienstreisen schickt, finde ich es völlig selbstverständlich, dass er Sie weitgehend vor Risiken schützt.

  • Neben Belgien zahlen wir in Deutschland die höchsten Steuern und Sozialabgaben der Welt.

    Dafür erhalten wir unsere mickrigen Renten zum spätest möglichen Zeitpunkt. Ein weiterer Rekord.

    Froh, uns überhaupt eine teure Bahnkarte leisten zu können, sollen wir jetzt den Leuten, die gern und gut von unseren Steuern leben, eine Doppelkarte finanzieren.

    Eine echte Zweiklassengesellschaft, wobei die eine die andere bedenkenlos ausnimmt.

  • Im Flugzeug wird man doch eher von hinten angehustet. Die Reihe sollte also ebenfalls frei bleiben. Und bei einer Dreierreihe beide Nachbar.

    Sch... Doppelmoral.

    • @fly:

      Pssst! Sonst kommen die Verwaltungen auf dumme Gedanken und kaufen dann tatsächlich neun (Flugzeug) bzw. sechs (Bahn) Tickets für eine Person, damit alle Plätze drumherum freibleiben.

  • Allerdings nützt die Reservierung 15 Minuten nach Abfahrt vom Startbahnhof auch nichts mehr, weil sie dann aufgehoben wird. Somit kann an einem der nächsten Bahnhöfe der Platz wieder besetzt werden.

    • @snowgoose:

      Wenn man 2 Bahnkarten kauft, wohl kaum. Da hat man Anspruch drauf.

      • 0G
        01349 (Profil gelöscht)
        @Jossi Blum:

        Mit der Fahrkarte haben Sie lediglich den Anspruch, nicht als Schwarzfahrer rausgeworfen zu werden. Aber nicht auf einen Sitzplatz, und strenggenommen noch nicht mal auf's Mitfahren.

      • @Jossi Blum:

        Ich rede von der oben angesprochenen Reservierung (nicht der 2. Fahrkarte).

  • EIEIEIEI! Das ist ja mal ein dickes Ding. Echt jetzt? Da würd ich gern hören was der Seehofer dazu zu sagen hat.

  • Ich kann die Unterstellung der Privilegierung von Beamten nicht nachvollziehen. Es steht doch aich jedem anderen Arbeitgeber und jedem Privatkunden frei, zwei Tickets zu kaufen oder zwei Plätze zu reservieren. Es ist in jedem Fall auch gleichermaßen unsinnig - weil die zweite Reservierung verfällt - und unnötig - weil sowieso nur noch Fensterplätze reserviert werden können.



    Dieser Lösungsansatz der Bahn bleibt natürlich unerwähnt, weil, wie üblich, wenn es um die Bahn geht, nur gemeckert wird, ohne die vorhandenen Lösungen wahrzunehmen oder andere zu nennen.



    Wie soll denn der Infektionsschutz durchgesetzt werden, Herr Kreutzfeld? Wollen Sie zusätzlich noch eine Reservierungspflicht? Dann sagen sie aber bite auch dazu, dass dies mehr Autoverkehr, weniger Flexibilität und Mobilität für Menschen ohne Auto, teurere Tickets und Einnahmeverluste für dis Bahn bedeuten würde.

    • @Ruediger:

      Ich bin kein Bahnmeckerer, habe eine bahncard. Aber das mit „nur Fensterplatzreservierung“ ist ein Irrtum. Und es ging hier wohl nicht um Bahnschimpfe sondern um die 2 vom Arbeitgeber bezahlten Plätze. Bis September war ich allerdings in ziemlich leeren Zügen unterwegs, da gab es viel Platzauswahl.

  • Frage gilt die Regelung jetzt wie in der Überschrift suggerieren nur für Beamte oder wie im Text behauptet für Angestellte? Wenn es für beide Gruppen gelten sollte, schreiben Sie doch einfach "Beschäftigte". Ist diese Regelung an eine mindest Entgeldgruppe gebunden?

  • Jeder Arbeitgeber, dem die Gesundheit seiner Mitarbeiter etwas Wert ist darf für diese zwei oder mehr Plätze in einem Zug oder Flugzeug buchen.