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Zwangsbehandlung psychisch KrankerIm eigenen Zuhause

Lea De Gregorio
Essay von Lea De Gregorio

Psychisch Erkrankte können bald ambulant zwangsbehandelt werden. Das zeigt: Die Menschenrechte von psychisch Kranken haben in unserer Gesellschaft zu wenig Wert.

Bald auch zuhause möglich: Fixierte Hand eines Patienten Foto: Hans-Jürgen Wiedl/picture alliance

B isher können Menschen nur in Krankenhäusern oder Psychiatrien zwangsbehandelt werden. Wenn andere aufgrund von Demenz oder eines psychischen Ausnahmezustandes davon ausgehen, dass die betroffenen Menschen nicht selbst entscheiden können, wird dort zur Not für sie entschieden. Das ist legal, wenn die Betroffenen als selbst- oder fremdgefährdet gelten. Beispielsweise können sie ans Bett fixiert und Medikamente eingeflößt bekommen. Jährlich betrifft das in Deutschland rund 4.000 Patienten und Patientinnen.

Jetzt ändert sich die Lage: Das Bundesverfassungsgericht hat im November entschieden, dass Menschen mit psychiatrischen Diagnosen auch ambulant Zwangsmaßnahmen erfahren dürfen. Jedoch nur unter bestimmten Umständen und wenn es, wie immer, das „letzte Mittel“ ist. Bis Ende des Jahres 2026 muss sich die Regelung entsprechend geändert haben – so will es das Gericht in Karlsruhe.

Dass mit dem Urteil zumindest teilweise anerkannt wird, dass die mit Psychiatrien häufig verbundene Gewalt für Menschen schrecklich sein kann, ist ein Fortschritt.

Präzedenzfall vor Gericht

Auslöser dafür war, dass der Betreuer einer Frau in Karlsruhe klagte. Die Klinik inklusive der Fixierung am Bett habe sie retraumatisiert, so die Beschwerde. Weil die Patientin von selbst keine Medikamente nahm, hatte man die Frau regelmäßig in eine Klinik gebracht. Künftig könnte sie stattdessen im betreuten Wohnen gegen ihren Willen Substanzen bekommen. Ihr war eine Schizophrenie diagnostiziert worden.

Ist es die richtige Antwort auf das Problem, den Zwang aus der Psychiatrie zu den Betroffenen nach Hause zu holen?

„Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener ist bestürzt über das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das ambulante Zwangsbehandlungen erlaubt“, heißt es auf der Seite des Verbandes. Und der Verein Kellerkinder e. V. von Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen schrieb: „Mit großer Besorgnis erfüllt uns die Aussicht, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen nun auch noch außerhalb eines Krankenhauses zugelassen und verdeckte Medikamentengabe legalisiert werden könnten.“ Beides führe zu einem weiteren Entzug von Grundrechten.

Die Vereinten Nationen lehnen den Einsatz von Zwangsmaßnahmen daher ab. So forderte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung Deutschland im Jahr 2023 dazu auf, den Freiheitsentzug und die Zwangsbehandlung von Menschen mit Behinderung zu verbieten.

Das letzte Mittel ist subjektiv

In Karlsruhe wird erklärt, dass Zwang nur angewendet werden dürfe, wenn er notwendig sei. Dabei wird übersehen, dass dieses letzte Mittel subjektiv ist. Allein die Gabe von Neuroleptika an Menschen, die Psychosen erleben oder erlebt haben, ist unter Ärz­t:in­nen umstritten.

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie beantwortet den Fragenkatalog des Gerichts unter anderem so: Bei Psychosen sei eine Reduktion der Pillen oder sogar das Absetzen häufig besser für die Erholung des Patienten oder der Patientin, als bei einer durchgängigen Medikation.

Dass Zwang bereits unterschiedlich angewendet wird, zeigt nicht nur ein Blick auf andere Länder. Auch Statistiken über Deutschland weisen darauf hin, dass sich die Häufigkeit von Betreuung und Unterbringung zwischen Bundesländern signifikant unterscheiden.

Das Bundesverfassungsgericht sorgt dafür, dass sich Menschen nun zu Hause unsicher fühlen

Innerhalb von Städten gibt es zwischen Kliniken Differenzen. Und innerhalb von Kliniken gibt es Stationen, die mit weniger oder ohne Zwang auskommen, darunter etwa in einzelnen Städten die Soteria-Stationen.

Diese Stationen mit begrenzten Plätzen sind speziell für Menschen gedacht, die Psychosen erleben. Dort ist man zumindest im Kleinen bemüht, eine möglichst angstfreie Atmosphäre mit weniger Medikamentenvergabe zu schaffen.

Verpasste Chance für sensible Alternativen

Wie unübersichtlich dürfte der Umgang mit psychiatrischem Zwang erst werden, wenn dieses „letzte Mittel“ auf den privaten Wohnraum übergreift?

Der aktuelle Fall ist eine Gelegenheit gewesen, sich als Gesellschaft grundsätzliche Fragen in Bezug auf die Psychiatrie zu stellen. Also beispielsweise sensible Alternativen zu beängstigenden Behandlungen zu finden, bestehende Angebote zu überprüfen und innovative Wege für Inklusion zu schaffen.

Diese Chance ließ man ungenutzt. Stattdessen sorgt das Bundesverfassungsgericht dafür, dass sich Menschen nun zu Hause unsicher fühlen.

Eine kleine Gruppe betrifft das Urteil besonders: Diejenigen, die eine gesetzliche Betreuung haben und in Wohnheimen leben. Es trifft damit zugleich Menschen, die schon im Alltag am stärksten in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt werden und in der öffentlichen Wahrnehmung wenig Beachtung finden. Durch die ambulante Behandlung sind sie dem Zwang einmal mehr ausgeliefert. Insgesamt ist der Beschluss aber ein beklemmendes Signal für alle, die schon einmal in eine Psychiatrie eingewiesen wurden. Jeden und jede von uns könnte das früher oder später treffen.

Zwang findet Einzug in die eigene Wohnung

Das Anliegen, Betroffenen einen traumatisierenden Transport in die Klinik zu ersparen, ist berechtigt. Dass sich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung für die Ausweitung psychiatrischen Zwangs in das private Wohnumfeld auf das Grundgesetz bezieht, scheint vor dem Hintergrund der geäußerten menschenrechtlichen Bedenken jedoch absurd. Nicht nur weil Zwang zunehmen könnte und mit dem Beschluss ein Eingriff in das Wohnumfeld einhergeht.

„Wir sind verwundert, dass in dem vom Bundesverfassungsgericht eingeleiteten Stellungnahmeverfahren keine Selbstvertretungsorganisation explizit von Menschen mit psychosozialen Behinderungen angefragt wurde“, schreibt der Verein Kellerkinder.

Mit Abstand betrachtet, zeigt das Urteil und die Diskussion darüber, wie selten die Stimmen von Betroffenenverbänden gehört werden. Die Menschenrechte von psychisch Kranken haben in unserer Gesellschaft zu wenig Wert.

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Lea De Gregorio
Jahrgang 1992, schreibt seit 2017 für die taz. "Unter Verrückten sagt man du" erschien 2024 bei Suhrkamp.
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28 Kommentare

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  • Medikamente werden nicht eingeflößt, sondern verabreicht.

    „die mit Psychiatrien häufig verbundene Gewalt“ In der öffentlichen Vorstellung oder der Realität? Kann ich in der Realität aus eigenen Erleben und dem von Freunden/Bekannten nicht bestätigen, zumindest nach 1989.



    Zwang mit Gewalt gleichsetzen ist Unsinn. Gerade wenn der eigene Kopf im Selbstzerstörungsmodus ist, nützen sanfte Alternativen gar nichts.

    Überhaupt ist mir das zu viel Querdenkergeschwurbel in dem Artikel.

    „Insgesamt ist der Beschluss aber ein beklemmendes Signal für alle, die schon einmal in eine Psychiatrie eingewiesen wurden.“ Können sie bitte aufhören für andere zu sprechen? Ich fühle mich weder von ihnen, noch irgendwelchen Aktivist*Innen Gruppen vertreten.

    • @Mendou:

      Sie sollten ebenfalls nicht von sich auf Andere schließen.



      Wenn Sie zwangsbehandelt werden wollen, können Sie das in einer Patientenverfügung festlegen.

      • @Johannes Georg Bischoff:

        Zwangsbehandlung ist nunmal mit unter Notwendig um schlimmeres abzuwenden (z.B das ein*e Patientin sich den Kopf an der Wand einschlägt oder aus dem Fenster springt). Da hat Mendou recht, da shat auch nichts mit für andere zu sprechen zu tun.

        Wie jede andere Behandlung auch ist das mit Risiken und mit Nebenwirkungen verbunden und selbstredend ist das eine mitunter massive Einschränkung der Autonomie eines Menschen da gibt es nichts zu beschönigen.



        Es ist leider bittere Realität dass sie die Ultima Ratio bleiben muss und wird. Patientenverfügung hin oder her.

        Der Essay macht es sich einfach und tendiert leider zu einer Unterkomplexität in Bezug auf die Psychiatrie ( die mensch auch als Dämonisierung auffassen könnte) und ja das ist meiner Meinung nach die größte Schwäche dieses Essays.

        • @Rabenbote:

          Das es anders geht wurde mehrfach gezeigt.



          Siehe z.B. die Untersuchungen von Prof. Bock in Hamburg.



          Aber wenn man nur einen Hammer hat ist jedes Problem eine Nagel.



          Dass es Unterschiede in den Psychiatrien gibt stelle ich nicht in Abrede. Aber es gibt einige da würde ich mich nicht mal tot einweisen lassen.



          Wer nicht mit Menschen umgehen kann sollte nicht in der Psychiatrie arbeiten.

          Es geht nicht nur um Autonomie sondern um gefährliche Körperverletzung. Die Nebenwirkungen sind Grausamst und eine davon ist der plötzliche Herztod.



          Realität ist, dass Menschen schwerst traumatisiert werden was zur Unbehandelbarkeit führt, weil die Psychiatrie, wenn Sie jemand der dissoziert zwangsbehandeln , zum Trigger für das Ursprungstrauma wird.

          • @Johannes Georg Bischoff:

            Eine Untersuchung macht noch keinen Sommer und es die Frage ob das Grundsätzlich und immer geht. Aber es lohnt sich auf jeden Fall es im Auge zu behalten.

            Es hat niemand in Abrede gestellt dass es Risiken gibt, Missstände , Verbesserung etc.

            Das es komplett ohne Zwang geht ist aber derzeit utopisch. Nichts desto trotz sollte er auf ein Minimum reduziert werden. Eben unter anderen Wegen der Problematik die sie zu Recht ansprechen.

            Das Argument mit den Hammer ist mehr als unangebracht und zeugt eher von eigenen Scheuklappen oder aktivistischen Übereifer.



            Was ich eigentlich schade finde da sie sonst gute Kritkpunkte und Argumente bringen.

    • @Mendou:

      "Medikamente werden nicht eingeflößt, sondern verabreicht." Also das Spritzen von benzodiazepine gegen den Willen des*der Pat wie es bei Fixierungen mitunter gemacht wird, kann man schon als eine Art des Einflößens beschreiben

      "Zwang mit Gewalt gleichsetzen ist Unsinn. Gerade wenn der eigene Kopf im Selbstzerstörungsmodus ist, nützen sanfte Alternativen gar nichts." Zwang ist Gewalt, da gibt es nichts dran zu rütteln.



      Ich gebe ihnen aber Recht dass es ab und an einfach Notwendig sein kann.

      "„die mit Psychiatrien häufig verbundene Gewalt“ In der öffentlichen Vorstellung oder der Realität?" Die gibt es leider, allein das Machtgefälle in der Institution und die sehr stressigen Arbeitsbedingungen begünstigen das. Ob die Gewalt so prävalent ist, wie manche behaupten ist eine andere Frage.

  • Nachtrag:



    Aus dem 4. Leitsatz zum Urteil des Ersten Senats vom 26. Nov 2024:



    "Eine ausnahmslose Bindung der ärztlichen Zwangsmaßnahme an einen stationären Krankenhausaufenthalt ist … unangemessen. Eine Ausnahme ist geboten, soweit Betreuten im Einzelfall nach einer Betrachtung ex ante aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen und zu erwarten ist, dass diese Beeinträchtigungen bei einer Durchführung in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard im Hinblick auf die konkret erforderliche medizinische Versorgung einschließlich der Nachversorgung voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können, ohne dass andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht drohen."

  • Sehr geehrte Frau Gregorio, Ihre Beitrag muss z.T. in die Rubrik "Fake news" eingeordnet werden. Beim Lesen ist bei mir der Eindruck entstanden, dass Sie die 63 Seiten des Urteils vom 26.11.24 nicht gründlich gelesen haben (by the way: Haben Sie das Urteil überhaupt gelesen?). Ich habe einen Ausschnitt aus dem 4. Leitsatz soeben für Sie und die taz-LeserInnen eingefügt.



    Kurz: Ziel der Aufhebung des Krankenhausvorbehaltes ist es, etwaige erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, die bspw. mit dem Transport aus einem Heim in ein KH verbunden sein könnten und "zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen", abzuwenden.



    Ihr Artikel stellt von vorne bis hinten eine Fehldarstellung dar. Ihr Kollege Christian Rath war in der letzten Wochen deutlich sachlicher.



    Nicht das Bundesverfassungsgericht sorgt dafür, "dass sich Menschen nun zu Hause unsicher fühlen" müssen/könnten, sondern unseriöse Beiträge wie der von Ihnen formulierte.



    Der ultima ratio-Grundsatz wird eben nicht durch das Urteil vom 26.11.24 aufgehoben. Als taz-Leser würde ich mir eine Richtigstellung - quasi nach Faktencheck - Ihrer mitunter abwegigen Behauptungen und Formulierungen wünschen. Danke.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      M.e. nach, ist ihr Verhalten hier arg mangelhaft, da hier eine brauchbar Begründete, für andere Leser nachvollziehbare, Kritik kaum zu identifizieren ist. Ihre Aussage „Ihr Artikel stellt von vorne bis hinten eine Fehldarstellung dar“ fordert aber, das sie den Maßstab, den sie bei der Autorin im vorletzter Absatz fordern, auch selber annähernd genügen.



      Das tun sie mit 2 mal copy pasten, davon einmal als Doppelpost, und dem einen Kommentar, so eher nicht.

      Über die Qualität des Essays, dies ist kein Artikel, könnte man wohl diskutieren. Nur zielt dieser auch auf eine, im Rath Artikel taz.de/Bundesverfa...sgericht/!6048403/ erwähnte Problematik ab „In der mündlichen Verhandlung warnte das Bundesjustizministerium, eine Abschaffung der Krankenhauspflicht würde der Zwangsbehandlung Tür und Tor öffnen.“ was an sich Berechtigt ist.

      Wenn sie der Autorin u.a. vorwerfen wollen, das Urteil nicht gelesen zu haben, hätten sie sich darauf beschränken können/sollen. Zumal, bei der Härte des Vorwurfs, es evtl. Angebrachter wäre sich erstmal per E-Mail an das die taz zu wenden, oder einen Gegenkommentar zu schreiben. Ihr Verhalten hier wirkt unangebracht, und hat etwas „diffamierendes“.

      • @serious?:

        Nun, das dreifache Einfügen des Zitats aus dem Urteil vom 26.11.2024 war nicht beabsichtigt.



        Auf inhaltlicher Ebene sehe ich keine Gegenargumente. Auch Ihnen kann ich nur empfehlen, den Gesetzestext zu lesen ... dann wird nach wenigen Zeilen ersichtlich, dass es nicht darum geht,



        dass psychisch kranken Menschen in ihrem privaten Umfeld eine Zwangsmedikation erfahren,



        dass es nicht darum geht, das ultima ratio-Gebot aufzugeben,



        dass es nicht darum geht, die Schwelle für eine Zwangsmedikation - die selbstverständlich bei Aufhebung der freien Willensbestimmung indiziert sein kann - zu senken.



        Mit meinem Kommentar möchte ich Frau De Gregorio bitten, statt bspw. der abwegigen Behauptung des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener Raum zu geben, dieses Urteil würde u.U. "verdeckte Medikamentengabe legalisieren",



        1. das Urteil des Ersten Senats GENAU ZU LESEN und



        2. ggf. ein (geschlossenes) Heim für Menschen mit einer schweren psychiatrischen Erkrankung zu besuchen, um zu verstehen, auf welche "Fälle" sich eine richterlich genehmigte Zwangsmedikation außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses überhaupt beziehen könnte.

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Um zu verstehen, auf welche "Fälle" sich eine richterlich genehmigte Zwangsmedikation außerhalb eines psychiatrischen Krankenhauses überhaupt beziehen könnte."

          Wer sagt dass die Autorin das nicht hat ? Und ja eine Zwangsmedikation in diesen Bereichen sein könnte problematisch sein und ja ich habe solche Einrichtungen schon gesehen und kenne Menschen die dort arbeiten.

          Es ist eben nicht gesichert dass die notwendigen Standards in diesen Einrichtungen eingehalten werden können , insofern ist Skepsis und die Befürchtungen angebracht.

          Es geht ja nicht um das Urteil selbst sondern um die praktischen Konsequenzen des Urteils und das ist bei aller Kritik an diesen qualitativ schlechten Essay ein berechtiger Punkt, der nicht einfach zu Seite gewischt gehört.

          Ob ein Essay wie dieser die Unterstellung Fake News, womit die bewusste Verbreitung von flasch Informationen ja unterstellt wird, als angemessen erachtet werden kann ist aber nochmal was ganz anderes,

          Insofern ist serious? Kritik gerechtfertigt, dass Ganze hätten sie auch sachlicher, präziser und weniger angreifend formulieren können.

          Das ganze Thema ist schon schwierig genug, auch ohne aufgeheizte Worte.

  • Entgegen der Darstellung von Frau De Gregorio gilt:



    "Eine ausnahmslose Bindung der ärztlichen Zwangsmaßnahme an einen stationären Krankenhausaufenthalt ist … unangemessen. Eine Ausnahme ist geboten, soweit Betreuten im Einzelfall nach einer Betrachtung ex ante aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen und zu erwarten ist, dass diese Beeinträchtigungen bei einer Durchführung in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard im Hinblick auf die konkret erforderliche medizinische Versorgung einschließlich der Nachversorgung voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können, ohne dass andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht drohen."



    (aus dem 4. Leitsatz zum Urteil des Ersten Senats vom 26.11.2024)

  • Entgegen der Darstellung von Frau De Gregorio kann im Gesetzestest nachgelesen werden:



    "Eine ausnahmslose Bindung der ärztlichen Zwangsmaßnahme an einen stationären Krankenhausaufenthalt ist … unangemessen. Eine Ausnahme ist geboten, soweit Betreuten im Einzelfall nach einer Betrachtung ex ante aufgrund der ausnahmslosen Vorgabe, ärztliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchzuführen, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit drohen und zu erwarten ist, dass diese Beeinträchtigungen bei einer Durchführung in der Einrichtung, in der die Betreuten untergebracht sind und in welcher der Krankenhausstandard im Hinblick auf die konkret erforderliche medizinische Versorgung einschließlich der Nachversorgung voraussichtlich nahezu erreicht wird, vermieden oder jedenfalls signifikant reduziert werden können, ohne dass andere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen grundrechtlich geschützten Position mit vergleichbarem Gewicht drohen."

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Fakt ist. dass es durch eine Zwangsbehandlung bei vielen Menschen zu schwersten Traumatisierungen kommt.

      www.thieme-connect...055/s-0030-1266138

      Bei einer Zwangsbehandlung zu Hause wird die eigene Wohnung zum Trigger. Ich frage mich ob das BVerfG dies bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat.

  • "Das zeigt: Die Menschenrechte von psychisch Kranken haben in unserer Gesellschaft zu wenig Wert. "

    Das ist wohl wahr.



    Aber wenn man die Worte "von psychisch Kranken" streicht wird es noch wahrer.



    Leider.



    Obdachlose, Chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen, Alte, Zuwanderer: All diese Menschen [aber nicht nur diese Gruppen] brauchen unseren besonderen Schutz.

    Und was tut unsere Gesellschaft ?



    Schauen sie sich um ...

  • Wie stehen denn die Betroffenenverbände zu dem Aspekt der Fremd- und Eigengefährdung von Kranken, die Medikamente verweigern?



    Wir haben so einen Fall in der Familie, wo wir am Ende "froh" waren, dass er durch einen Schlaganfall soweit eingeschränkt war, dass er die Nachbarn nicht mehr so belästigen konnte. Das kann ja auch keine Lösung sein und irgendwann geben Verwandte und Betreuer auch auf, wenn der Betroffene sich nicht behandeln lässt.

    • @Axel Schäfer:

      Vielleicht sollte die Familie mal überlegen was sie zur Fremd und Eigengefährdung beiträgt oder beigetragen hat.



      Die Hälfte der Menschen mit der Diagnose "Schizophrenie" hat in der Kindheit schwerste Traumatisierungen erlebt.



      Wenn man mit diesen Menschen angemessen umgeht und nicht triggert sind sie weder Fremd- noch Eigengefährdend.

      zu dem was Sie Medikamente nennen:

      www.aerztezeitung....armaka-296899.html

      www.thieme-connect...055/s-0031-1287697

      • @Johannes Georg Bischoff:

        Am Ende ist es ein Dilemma und man nur schlechte Optionen aber irgendwas muss gewählt werden .

        Bei Zwangsbehandlungen geht es nunmal um Ausnahmefälle. Wenige wenden den Zwang gerne an aber er bleibt halt notwendig. Auch traumatisierte Menschen können unverschuldet ihre Mitmenschen gefährden.

        Da ist mitunter Zwang nötig um schlimmeres zu verhindern und mangels Alternativen wird er das wohl auch noch bleiben.

        Gleichwohl sei angemerkt , die meisten Menschen mit psychischen Erkrankungen gefähreden ihre Mitmenschen und sich selbst nunmal nicht und leiden mitunter massiv .



        In den meisten Fällen sollte die Entscheidung für Medikamente immer beim Individuumliegen , nach einer vernünftigen Aufklärungm liegen und das Umfeld hat dann damit klarzukommen. Auch wenn das mitunter sehr belastend sein kann.

      • @Johannes Georg Bischoff:

        "Wenn man mit diesen Menschen angemessen umgeht und nicht triggert sind sie weder Fremd- noch Eigengefährdend. "



        Wir wissen nicht was eine Psychose bei einer Schizophrenie auslöst würden wir das Wissen wären wir schon weiter.



        Von triggern zu sprechen finde ich persönlich unangemessen , eine Psychose ist keine PTBS.

        In der Psychose sind einige Menschen sehr wohl fremd und eigengefährdend und dann muss damit umgegangen werden .

        Der Familie die Verantwortung zu zuschieben ist schwierig, da gerade in dysfunktionalen Familienverhältnissen ebenfalls oft psychische Erkrankungen vorliegen und diese sind mitunter akut Überfordert, das löst man nicht mit Verweis auf " ihr habt aber..." Eine psychische Erkrakung belastet das Ganze System und nicht nur eine Person.



        Zur Psychopharmaka Problematik.

        In Bezug auf die Antidepressiva bin ich bei ihnen, da ist die Evidenz relativ dürftig und die sollten wenn dann bei schweren Fällen verschrieben werden.

        Zu Thieme die Autoren weisen in ihrer Studie lediglich darauf hin dass man vorsichtig dosieren sollte und wie es da richtig steht, steht dies auch in den Leitlinien und diese Empfehlen.

        • @Rabenbote:

          Wer ist wir? Sie und wer noch?



          Mal den Menschen in der Psychose geduldig zuhören.



          Da erkennt man auch die Ursachen. Und die sind vielfältig und bei jedem Anders.



          Wenn man alles was sie in der Psychose sagen als Wahn ab tut und die Menschen nicht ernst nimmt .... und Sie ans Bett anbiendet und mit Substanzen abspritzt mit grausamen Nebenwirkungen.



          wird man das natürlich nie schaffen.

          Es gibt auch noch andere Studien z.B. die hier

          www.aerztezeitung....erapie-272007.html

          • @Johannes Georg Bischoff:

            Der Stand der Forschung oder haben sie ein komplettes Ätiologisches Modell wie es zu Schizophrenie kommt.



            Was genau im menschlichen Körper abläuft und was noch darüber hinaus Konsens fähig ist bzw von einer breiten Mehrheit akzeptiert wird ?



            Das existiert derzeit nicht. Sie vereinfachen massiv.

            Der Selbstbericht der Pat. Ist wichtig aber auf dessen Grundlage genau zu sagen warum gerade jetzt bei ihm eine Schizophrenie besteht und bei andere nicht kann man nicht.



            Man kann Annahmen treffen oder spekulieren aber so einfach wie sie es darstellen ist es nicht.

            Nochmal die meisten sind sich der Nebenwirkungen bewusst und es bleibt ein Abwägen mit dem wahrscheinlich bestmöglich Outcome in einer miserablen Sutuation.

            Fakt ist Pharamotherapie .it anderen Behandlungen ist bei Schizophrenie Empfehlung der Leitlinien . Das kann kritisiert werden aber die kommen nicht willkürlich zustande.

            In Übrigen ihre Argumente sind gut und wichtig. Aber ihre der Dramatisierung und teilweiser Vereinfachung oder ist es weniger..

  • Ich selber habe eine chronische psychiatrische Erkrankung. Ich bin sehr froh dass es Medikamente gibt die mir helfen mit dieser Krankheit zu leben. Und vor langer langer Zeit wurden mir diese Medikamente ohne meine Einsicht/gegen meinen verwirrten Willen gegeben. Genau wie vermutlich die meisten Betroffenen kann ich dem rückwirkend zustimmen. Die deutsche Psychiatrie ist viel besser als ihr Ruf.

    • @Marmot:

      Danke für das Teilen ihrer Erfahrungen und ihrer Perspektive.

    • @Marmot:

      Sie können für sich zustimmen.



      Viele Betroffene nicht.

      • @Johannes Georg Bischoff:

        Viele können das ;)



        Wenige Betroffene nicht , einige zu unrecht nicht und andere zu recht nicht.

        • @Rabenbote:

          Sagt wer?

          • @Johannes Georg Bischoff:

            Sage ich, Marmot,Menduo und auch andere Betroffene und psychiatrische Pat, behandelnde Psychisterin.

            Genauso wird es Menschen geben die ihre Perspektive vertreten.

            Keine der beiden Perspektiven ist der Weisheit letzter Schluss und beide können kritisiert, diskutiert werden, wenn man den will.