Zusammenarbeit von CDU und Rechten: Greifswald wirklich für alle?

Ein von der CDU unterstütztes Bürgerbegehren will Unterkünfte für Geflüchtete verhindern. Die Initiatoren schüren antidemokratische Ressentiments.

Transparente, unter anderem mit der Aufschrift "Refugees welcome! Grenzen töten"

Demonstrationen gegen das Bürgerbegehen in Greifswald im März Foto: Markus Scholz/dpa

Berlin taz | Am Sonntag entscheiden die Wahlberechtigten in Greifswald über eine neue Unterkunft für Geflüchtete. Ein Bürgerbegehren gegen die Unterkunft hievte den Entscheid über die Hürde der 4000 benötigten Unterschriften. Die CDU unterstützt das Nein zu der Unterkunft. „Die Kommune ist überlastet, mit dem Bürgerentscheid wollen wir ein Zeichen setzen“, sagte der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion Greifswald Axel Hochschild der taz.

Die Initiatoren des Begehrens gegen die Unterkunft bewerben indes ihr Anliegen im Compact Magazin. Der Verfassungsschutz stuft das Magazin als gesichert rechtsextrem ein. Vor allem einer der drei Initiatoren, Ronny B., bedient zudem in sozialen Medien öffentlich antisemitische Verschwörungserzählungen und Reichsbürger-Narrative. B. wähnt sich auf Facebook etwa in einer Diktatur von Rot-Rot-Grün.

Hochschild, der Greifswalder CDUler, weist Kritik an einer Zusammenarbeit mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens von sich. Er wisse nichts von antidemokratischen Äußerungen der Initiatoren, er sei auch selbst nicht in sozialen Medien unterwegs. Von der Ansicht, Deutschland sei keine Demokratie, distanziert er sich: „Eine Diktatur gibt es hier nicht, das würde ich niemals teilen“, sagt er. Er sehe aber ohnehin keine Zusammenarbeit mit den Initiatoren, man habe eben die gleiche Position in Bezug auf die Unterkunft und werbe für den Bürgerentscheid.

Aber: Grundsätzlich scheint Hochschild auch nichts gegen die Zusammenarbeit mit Rechten zu haben. „Wenn die AfD einen vernünftigen Vorschlag einbringt, lehne ich das nicht ab, nur weil es die AfD ist“, sagt er der taz.

Scharfe Kritik von den Grünen in Greifswald

Die Grünen in Greifswald äußern scharfe Kritik an dem Vorgehen der CDU in der Stadt. „Die CDU hat sich erst lange aus der Kampagne rausgehalten“, sagt Christoph Oberst, der für die Grünen in der Greifswalder Bürgerschaft sitzt. Es sei Michael Sack gewesen, der CDU-Landrat für den Kreis Vorpommern-Greifswald, der die Gemeinden angeschrieben und gesagt habe, er brauche Flächen für die Unterbringung von Geflüchteten. „Die CDU in der Bürgerschaft wollte ihrem Landrat erst nicht in den Rücken fallen“, sagt Oberst. „Doch dann sind sie volle Kanne in die Plakatkampagne eingestiegen mit zwei Plakaten.“

Beide Plakate seien populistisch, sagt der Grünen-Politiker. Auf dem einen stünde, Greifswald solle ein Signal nach Schwerin und Berlin senden für „kontrollierte Zuwanderung“. Auf dem anderen stünde, dass die Sporthallen nicht für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden dürften. „Dabei wollen wir ja die Container, damit wir keine Sporthallen belegen müssen“, sagt Oberst. Die Grünen sind die stärkste Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft und bilden in einem Bündnis unter anderem mit Linken und der SPD die Mehrheit dort.

Auch der 2015 erstmals gewählte Greifswalder Oberbürgermeister Stefan Fassbinder ist von den Grünen. Er wurde im vergangenen Jahr in seinem Amt bestätigt. „Das CDU-Lager versucht hier eine Gegen-Alles-Opposition.“ Die ursprünglichen Pläne hatten vorgesehen, auf einem kommunalen Grundstück am Rande der Stadt neben einer Schule ein Containerdorf für 500 Geflüchtete zu errichten. „Das hat viele Menschen überrascht“, sagt Oberst. Die Gegeninitiative habe innerhalb kurzer Zeit 7000 Unterschriften für ihre Kampagne gesammelt. Nur 4000 Unterschriften werden eigentlich benötigt, damit sich die Bürgerschaft mit einem Thema beschäftigt.

Sorge vor Kooperation von CDU und AfD

Die Abstimmung wird dabei wohl zu einer Entscheidung hochgejazzt, die sie eigentlich gar nicht ist. Konkret geht es nämlich nur darum, ob die Stadt Flächen an den Landkreis verpachten darf, damit der dort Unterkünfte bauen kann. Es geht nicht direkt um eine Entscheidung für oder gegen Unterkünfte. Aus mit der Sache vertrauten Kreisen erfuhr die taz: Am Ende würden wohl so oder so Unterkünfte stehen. Fraglich ist nur ob unter Federführung der Stadt oder des Landkreises.

Anne Wolf engagiert sich in der Initiative „Greifswald für alle“ und setzt sich für ein „Ja“ zu den Unterkünften ein. Über die Nähe der CDU-Greifswald zu rechten Akteuren wundert sie sich nicht. Die CDU in der Region benehme sich schon länger, als wäre sie Teil der AfD. „Sie erweitern so die Grenzen des Sag- und Machbaren“, sagt Wolf. Auch Gregor Kochhan, ebenfalls von „Greifswald für alle“, blickt in eine ungewisse Zukunft: „Ich habe echte Sorge vor einer Zusammenarbeit der CDU mit der AfD“, sagt er.

Die CDU-Bundespartei meldete sich bis Freitagnachmittag nicht auf taz-Nachfragen zum Vorgehen der Greifswalder CDU.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.