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Zunahme rechtsextremer Gewalt in Hamburg„Eine alarmierende Bilanz“

2023 gabe es in Hamburg 32 Prozent mehr Fälle rechter Gewalt als 2022. Die Beratungsstelle Empower sieht die Erfolge rechter Parteien als einen Grund.

Rückenwind für Rechtsextreme aus dem Hamburger Rathaus: AfD-Fraktionschef Alexander Wolf im Mai 2024 Foto: dpa | Marcus Brandt

D ie Zahlen sind erschreckend deutlich: In Hamburg hat die Beratungsstelle Empower im vergangenen Jahr fast 1.000 Gewalttaten aus rassistischen und antisemitischen Motiven registriert. „Das ist erneut eine alarmierende Bilanz“, sagt Nissar Gardi, der das Projekt von Empower leitet. Im Schnitt wurden im vergangenen Jahr also jeden Tag 2,7 Vorfälle registriert. Gardi betonte jedoch, dass nicht alle Fälle bekannt werden. Eine Dunkelziffer müsse bei den veröffentlichten Zahlen mitgedacht werden. Nur 58,5 Prozent der knapp 1.000 Gewalttaten wurden zur Anzeige gebracht.

Rassistisch und antisemitisch motivierte Übergriffe sind alltäglich, das zeigen die Zahlen von Empower. Aber im Selbstbild Hamburgs wird das gern ausgeblendet. Das belaste die Betroffenen, deren Angehörige und die Communitys zusätzlich, sagt Gardi. Der Anstieg der Gewalttaten sei so auch immer ein Anstieg der Angst.

Verglichen mit dem Jahr 2022 sind die im Jahr 2023 dokumentierten Fälle um mehr als 32 Prozent gestiegen: Während 2022 noch 749 Angriffe erfasst wurden, lag die Zahl 2023 bei nahezu 1.000. Der anhaltende Anstieg wird besonders deutlich, wenn man die Entwicklung seit 2020 betrachtet. Damals dokumentierte die Beratungsstelle Empower 498 Fälle. Für 2024 ist angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung eher nicht mit einem Rückgang der Vorfälle zu rechnen.

Die häufigsten Tatmotive waren rassistisch (348 Vorfälle) und antisemitisch (282 Vorfälle). Zudem wurden 50 Gewalttaten gegen „politische Gegner_innen und Nichtrechte“ erfasst. Oft läge aber auch ein „Ineinandergreifen mehrerer Ideologien“ zugrunde, sagt Gardi. So zählte die Beratungsstelle 248 Fälle, bei denen mehrere Motive zur Tat führten.

Volksverhetzung im Schul-Chat

Der terroristische Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 markierte eine Zäsur, auch in Hamburg. Seitdem sind Jüdinnen und Juden verstärkt von antisemitischen Vorfällen betroffen.

Während zuvor der „moderne Antisemitismus“ überwog, nahmen seit dem Angriff der Hamas der „explizit israelbezogene Antisemitismus“ und der „sekundäre Antisemitismus“ zu, sagt Gardi von der Beratungsstelle Empower. Attacken erfolgten auf offener Straße, insbesondere im Umfeld von „propalästinisch proklamierten Versammlungen“ und „israelsolidarischen Demonstrationen“. Auch am Arbeitsplatz, in Universitäten oder bei ärztlichen Terminen wurden antisemitische Äußerungen dokumentiert.

Rassismus gegen Sin­ti*z­ze und Rom*­nja wurde von Polizei und Medien „kaum registriert“, sagt Gardi. Diese Nichtwahrnehmung resultiere aber auch daraus, dass Straftaten gegen diese Gruppe nicht extra erfasst werden.

Problematisch ist auch die Erfassung von „Anti-Schwarzer Rassismus“ wegen Racial Profiling bei der Polizei oder diskriminierender Vorfälle in Bildungseinrichtungen. Als Beispiel nennt er einen Vorfall an einem Hamburger Gymnasium, bei dem in einer klassenübergreifenden Chat-Gruppe rassistische Inhalte, Volksverhetzung und NS-Verherrlichung geteilt wurden. Auch im Klassenzimmer wurde gehetzt, Lehrkräfte griffen nicht ein. Als die Eltern der betroffenen Schü­le­r*in­nen Unterstützung suchten, wurde ihnen vorgeworfen, den Schulfrieden und das Schulimage zu gefährden.

Die stetig steigenden Zahlen rechter Gewalt können nicht losgelöst von den Debatten rechter Parteien im Parlament betrachtet werden, resümiert Gardi. Der Überbietungswettbewerb fast aller Parteien zu Einschränkungen der Asyl- und Einwanderungspolitik nach der ­Messerattacke in Solingen 2024 dürfte die Anfeindungen nicht gebremst haben, im Gegenteil.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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1 Kommentar

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  • Die Rhethorik der AfD ist sehr militant und aggressiv, Bundestagsreden von Alice Weidel klingen passagenweise wie NPD (jetzt HEiMAT) und sind sehr deutlich gegen Migranten, Ausländer und Kinder, die vielleicht deutsch und migrantisch sind, gerichtet. Dass diese Propaganda zu aktiven Gewalttaten führt, wundert mich nicht.



    Das ist doch genau der Punkt: Die AfD und ihr Jungendverband suggerieren pausenlos, dass jetzt etwas passieren muss. Dass die 'Alt'_Parteien nichts tun oder Ausländer/Asylbewerber ankuscheln wollen. Und was fragt die AfD so in der Bürgerschaft, meistens geht es um Migranten/Ausländer, die sich falsch verhalten, oder selbst wenn sie sich richtig verhalten, zum Beispiel eine Hilfe nach SGB VIII annehmen oder ihre Kinder in eine Kita bringen, ist das dann für die AfD immer noch falsch. Die Ausländerfeindlichkeit und das inhumane Weltbild ist pausenlos zu erkennen. Dass dann auch einige von denen handeln, wen sollte das noch wundern.