Zukunft des Nahverkehrs: Für 'n Appel und 'n Ei durchs Land

Der Hamburger Verkehrsverbund wertet das 9-Euro-Ticket als Erfolg. Der Senat will als Fortsetzung eine ÖPNV-Flatrate für ganz Deutschland.

Menschen warten am Bahnsteig, während ein Regionalzug einfährt

Ob in Hamburg, Hannover oder Osnabrück: Mit dem 9-Euro-Ticket lässt sich überall fahren Foto: Stefan Sauer/dpa

HAMBURG taz | Der rot-grüne Hamburger Senat bewertet das 9-Euro-Ticket als Erfolg und möchte den Schwung nutzen, um dem öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland einen Schub zu geben. „Wir brauchen eine deutschlandweite Flatrate für den Nahverkehr“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) vor der Landespressekonferenz.

Dass er sich das zu fordern traut, liegt an den Ergebnissen der Marktforschung, die der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) im Juni und Juni betrieben hat – den beiden ersten Monaten, in denen das 9-Euro Ticket galt. Das Ticket war von der Ampelkoalition in Berlin als Gegenstück zum Tankrabatt für Autofahrer eingeführt worden und soll die Belastung durch den ­Ukraine-Krieg dämpfen. Mit dem Ticket, das auch noch für den August zu erwerben ist, könnten in ganz Deutschland Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr genutzt werden.

Allein im HVV-Verbandsgebiet, das im wesentlichen Hamburg und die benachbarten Landkreise umfasst, seien in den beiden ersten Monaten 1,8 Millionen Tickets verkauft worden, sagte HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt bei der Pressekonferenz. Bundesweit seien es 31 Millionen. „Das sind hervorragende Ergebnisse, die alles übertroffen haben, was wir uns erhofft hatten“, sagte Korbutt.

Fünf Millionen Autofahrten weniger pro Monat

Mit Hilfe des 9-Euro-Tickets habe der HVV im Juni erstmals wieder die Fahrgastzahl der Vor-Corona-Zeit erreicht. Allein von Mai zu Juni sei die Zahl der Fahrgäste um 20 Prozent gestiegen. Sechs Prozent der Fahrten hätten nach der Erhebung des HVV ohne das Ticket nicht stattgefunden. 19 Prozent wären mit anderen Verkehrsmitteln bewältigt worden, darunter allein 12 Prozent mit dem Auto. Das seien vier bis fünf Millionen Autofahrten weniger pro Monat, sagte die HVV-Geschäftsführerin.

Der große Vorteil des Tickets – neben den geringen Kosten – liege darin, dass es bundesweit gelte, sagte Verkehrssenator Tjarks. Wer sich in einer fremden Stadt bewegen wolle, müsse sich nicht erst mit einem unbekannten Tarifsystem auseinandersetzen, sondern könne einfach losfahren. Das senke die Hemmschwelle zur Nutzung. Dazu komme, dass das Ticket direkt auf das Handy geladen werden kann. Unterm Strich ergebe das „einen bombastischen Gewinn an Freiheit“, sagte Tjarks.

Diese Vorzüge würde der Grünen-Politiker gern mit einem Folgeangebot nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets erhalten. Als bisher am meisten durchdacht erscheine ihm ein Vorschlag des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der ein bundesweit gültiges Monatsticket für 69 Euro ins Spiel gebracht hatte. Politiker der CDU forderten ein 365-Euro-Jahresticket, ebenso der Umweltverband BUND.

Einfache Handhabung und Kostengünstigkeit

Das 9-Euro-Ticket hat nach Ansicht von Tjarks auch gezeigt, dass das öffentliche Verkehrssystem in Deutschland an Kapazitätsengpässen leide. Hier müsse mehr Geld investiert werden. „Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, um den öffentlichen Nahverkehr auf eine neue Stufe zu heben“, findet Tjarks. Der rot-grüne Senat werde sich dafür einsetzen, dass diese gelinge. „Das Erreichte verfallen zu lassen, ist für uns keine Option“, versicherte auch Ole-Thorben Buschhüter, der Fachsprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Vor einigen Tagen hatte der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) bereits ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket ins Spiel gebracht. Das Projekt besteche durch einfache Handhabung und Kostengünstigkeit. Indes habe die Aussage des Bundesverkehrsministers, „dass man jetzt schauen müsse, wie die Länder das finanzieren wollen“, bei den Ländern für Unverständnis gesorgt. „Der Bund ist sowohl finanziell als auch rechtlich in der Pflicht, den Erfolg weiterzuführen“, sagte Althusmann. Nach dem Grundgesetz ist der Bund verpflichtet, den öffentlichen Nahverkehr zu finanzieren.

„Sollte sich der Bund nicht zu einer Anschlusslösung bewegen lassen, so würde sich Niedersachsen bemühen, mit den weiteren vier norddeutschen Bundesländern ein ÖPNV-Ticket für den Norden auf die Beine zu stellen“, kündigte Altusmann an. Ob das nötig sein wird, dürfte sich bei den nächsten Bund-Länder-Verhandlungen am 19. August zeigen.

Unabhängig davon will der HVV den Schwung für eine Werbekampagne nutzen. Er verlost 9-Euro-Jobtickets für ein ganzes Jahr. Und wer sich bis Ende August für ein Jobticket entscheidet, erhält es bis Jahresende als 9-Euro-Ticket.

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