Zivilgesellschaft gegen Rechts: Ziel? „Sich hier zu Hause fühlen“
Im brandenburgischen Klosterfelde formiert sich Widerstand gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Im nahen Biesenthal klappt Geflüchtetenhilfe schon.
S chon die ersten Worte, die Fabian Haun ins Mikrofon spricht, klingen angespannt. Der junge Mann weiß: Vielen im Festsaal des Goldenen Löwen in Wandlitz wird nicht gefallen, was er den Hauptausschuss der Gemeinde fragen will. Alle Stühle in dem Saal, dunkler Holzboden, moderne Kronleuchter, sind an diesem Montag im Februar besetzt, rund 150 Menschen sind gekommen. Selten in der Kommunalpolitik einer brandenburgischen Gemeinde mit 21.000 Einwohner*innen.
Zwei uniformierte Polizeibeamte zeigen Präsenz. An der offenen Tür stehend, folgen Menschen im Foyer der Sitzung. Sie haben keinen Platz gefunden. Ganz vorne sitzen der parteilose Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert, und die anderen Ausschussmitglieder an Tischen und beantworten Fragen von Einwohner*innen.
„Und so was wurde gewählt“, spottet ein in der Saaltür stehender Herr mit grauen Haaren und verschränkt die Arme. Ein anderer pflichtet ihm bei – man kennt und bestärkt sich. Immer wieder verlassen Menschen den Saal und beschweren sich, die Politiker*innen würden lügen. Im Laufe des Abends wird klar: Die meisten sind gekommen, weil im Wandlitzer Ortsteil Klosterfelde eine Übergangsunterkunft für bis zu 80 Geflüchtete entstehen soll. Und sie sind dagegen.
Geladene Stimmung
In lokalen Gruppen auf Telegram und Facebook hatten Posts dazu aufgerufen, „zahlreich“ beim Hauptausschuss zu erscheinen. „Es ist der letzte Termin zum Thema Umnutzung von Bürogebäude zum Flüchtlingsheim in Klosterfelde!“ Bereits am 17. Januar waren 200 bis 300 Menschen zu einer Bürgerversammlung in die Mensa Klosterfelde gekommen. Schon da war der Ton rau, die Stimmung geladen.
Und genau dazu möchte Fabian Haun jetzt vorne am Mikrofon etwas sagen. 2021 sind er und seine Frau nach Klosterfelde gezogen, er arbeitet als politischer Berater und engagiert sich in der CDU in Wandlitz. Die Lautsprecher tragen seine Stimme bis in den Vorraum. Haun hatte sich zuvor Notizen im Handy gemacht, spricht dann aber frei.
Ihn „beunruhigt“, wie im kleinen Ortsteil Klosterfelde über die geplante Unterkunft gesprochen wird. Geflüchtete würden mit „Gewaltverbrechen“ in Verbindung gebracht und das vom Verfassungsschutz beobachtete – rechtsextreme – Compact-Magazin habe sich in Info-Veranstaltungen eingemischt. Haun sagt, er habe von Menschen gehört, die sich nicht getraut hätten, die Bürgerversammlung zu besuchen. „Wollen wir das wirklich?“, fragt er.
„Du machst dich lächerlich!“, schimpft ein Mann mit schwarzer Mütze und Bart durch die Saaltür. Zustimmendes Gemurmel, Nicken, Zwischenrufe folgen. Eine Frau zischt laut, den Blick in Richtung des CDU-Mannes Haun: „Und wir merken uns dein Gesicht!“
In zahlreichen Gemeinden in Deutschland entstehen wieder neue Unterkünfte für Geflüchtete. Wie in Klosterfelde gibt es an manchen Orten Proteste dagegen. Als Ende Januar im nordwestmecklenburgischen Grevesmühlen mehrere hundert Menschen gegen eine geplante Unterkunft demonstrierten, nutzten Rechtsextreme die Situation, um in das Kreistagsgebäude einzudringen. Die Polizei musste eingreifen.
Seit Wochen fordert der Deutsche Landkreistag (DLT), der Spitzenverband der deutschen Landkreise, die Bundesregierung müsse sich koordiniert um die Probleme kümmern, die bei der Versorgung von Geflüchteten entstehen. Es sei immer schwieriger Wohnraum, Kita- oder Schulplätze zu finden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat jetzt versprochen, die Probleme bei einem „Flüchtlingsgipfel“ am 16. Februar anzugehen.
Doch manchen genügt das nicht. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) etwa fordert von der Bundesregierung: „Die Einwanderung muss begrenzt werden und die angekündigte Rückführungsoffensive endlich starten.“
In den Landkreisen und kreisfreien Städten Brandenburgs waren, laut Landesregierung, Ende Dezember letzten Jahres 28.929 Geflüchtete untergebracht. Wobei viele Ukrainer*innen, die privat unterkommen, dabei nicht mitgezählt werden. Der gesamte Landkreis Barnim, in dem auch Wandlitz und Klosterfelde liegen, soll 2.034 Geflüchtete dieses Jahr aufnehmen. In Wandlitz gibt es bisher drei Übergangsunterkünfte mit insgesamt 299 Plätzen. Davon sind aktuell 275 belegt.
80 temporäre Plätze zusätzlich
Dass es nun in Klosterfelde zu Protesten kommt, weil noch rund 80 temporäre Unterkunftplätze zusätzlich geschaffen werden sollen, könnte man auf die Pandemie, den Krieg in der Ukraine oder auf die Inflation schieben. Doch angeheizt wird das Dagegensein vor allem von wenigen Menschen und ihren rassistischen Vorurteilen.
Wenn es darum geht, Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren, rechnet Brandenburgs Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) der Zivilgesellschaft eine tragende Rolle zu: „Integration findet vor Ort statt, Menschen müssen sich begegnen, um sich gegenseitig zu verstehen und zu unterstützen.“ Oft hängt das gerade mal von einigen wenigen Menschen ab.
So ist es rund 20 Kilometer östlich von Klosterfelde in Biesenthal, einer kleinen Stadt, die auch zum Landkreis Barnim gehört. Dort sitzt an einem Februarsonntag ein sechsjähriges Mädchen lachend auf einem Fahrrad. Ihr Vater läuft gebückt nebenher und schiebt sie an. Immer wieder umrunden die beiden das freistehende dreistöckige Haus, in dem sie zurzeit leben, es ist die Geflüchtetenunterkunft in Biesenthal.
Hoffnung für die Unterkunft
Früher war das Gebäude ein Förder- und Beschäftigungsbereich der Hoffnungstaler Stiftung, einem sozialen Träger, der in Biesenthal unter anderem Menschen mit Behinderung Arbeit bietet. Es liegt am Rand des Ortes, in dem rund 6.000 Menschen leben. Im April 2022 begann der Umbau des Gebäudes. Stählerne Küchenschränke wurden montiert und mit Ikea-Tassen ausgestattet, die Bäder saniert und Betten aufgestellt.
Die Unterkunft ist für 55 Menschen ausgelegt. Am 15. November zogen dann die ersten Geflüchteten ein. Der Landkreis Barnim geht davon aus, dass die Unterkunft ab Ende des ersten Quartals 2023 voll belegt sein wird. Bisher leben 15 Menschen im Haus, darunter das Mädchen mit dem Fahrrad, ihre ein Jahr ältere Schwester und deren Vater.
Während Vater und Tochter hinter dem Haus verschwinden, biegt ein Mann in weißer Winterjacke mit seinem Fahrrad auf den Hof. Kaum hat er es angeschlossen, rennt die ältere der Schwestern auf ihn zu: „Fawzi!“, begrüßt sie ihn freudig. Er antwortet mit einem Lächeln. Beide sind aus dem Jemen geflohen und sprechen Arabisch miteinander. Fawzi Al-Dubhani ist bereits seit Oktober 2015 in Deutschland.
Der 40-Jährige engagiert sich freiwillig in der Flüchtlingshilfe, übersetzt und organisiert Projekte. Nicht nur in Biesenthal, sondern etwa einmal im Monat auch in Flensburg, wo er damals in Deutschland ankam. „Flensburg fühlt sich für mich immer noch an wie eine zweite Heimat.“
Nach Biesenthal zog Al-Dubhani erst im November 2022. Vorher lebte er kurz in Berlin, doch die Großstadt war ihm zu trubelig. „Ich kann mir gut vorstellen, lange in Biesenthal zu leben“, sagt er und zeigt erklärend auf die nahe stehenden Bäume. Dann verschränkt er die Hände hinter dem Rücken und geht ein paar Schritte. Der Wind rauscht durch die Wipfel, und irgendwo rattert ein Güterzug vorbei. Zu Fuß ist der Bahnhof etwa zehn Minuten von der Unterkunft entfernt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln braucht man rund eine Stunde nach Berlin.
„Eigene Fluchterfahrung ist hilfreich, wenn man andere dabei unterstützen will, in Deutschland anzukommen“, erklärt Al-Dubhani auf Englisch. Das beherrscht er besser als Deutsch. Sprachkenntnisse seien beim Thema Integration überbewertet, findet er, „gegenseitiger Respekt ist mir wichtiger“. Immer wieder betont er seine langjährige Erfahrung in der Flüchtlingshilfe. „Die Menschen sollen sich hier schnell zu Hause fühlen“, sagt Al-Dubhani, „dabei möchte ich helfen.“
Das Fahrradprojekt läuft
Hinter der Unterkunft stehen in einem Schuppen ein paar Fahrräder, die Biesenthaler*innen den Geflüchteten geschenkt haben. Denn obwohl der Bahnhof recht nahe liegt, ist es bis zum Stadtkern von Biesenthal doppelt so weit. Mit Rädern können sie schneller die schnurgeraden zwei Kilometer der langen Bahnhofstraße zurücklegen. Vorbei geht es an farbenfrohen Einfamilienhäusern und Villen, einem Waldspielplatz und dem Denkmal für die Opfer des Faschismus im Stadtpark.
Weil die Fahrräder nicht für alle Geflüchteten reichen, spricht man sich untereinander ab. „Das Fahrradprojekt“ heißt es im Haus. „Klappt sehr gut“, versichert Al-Dubhani, wie wohl einiges in Biesenthal derzeit. Im Westen der Kleinstadt liegt der Projektehof Wukania, der Geflüchtete seit 2016 mit Wohnangeboten unterstützt hat.
Bürgermeister Carsten Bruch (CDU) hat im Telefonat viel lobende Worte für seine engagierten Bürger*innen. Aber Fawzi Al-Dubhani dauert es oft zu lange, Projekte für die Geflüchteten umzusetzen. Er hat das Gefühl, dass die hauptamtlichen Sozialarbeiter*innen „die Grundbedürfnisse der Geflüchteten und Projektideen ausbremsen“.
Das Büro der Sozialarbeit liegt im Erdgeschoss der Biesenthaler Unterkunft. Dima Hamoud, Sozialarbeiterin der Hoffnungstaler Stiftung, sitzt auf einem Bürostuhl und runzelt fragend die Stirn. „Die Kommunikation mit den Freiwilligen läuft gut.“ Die drei Sozialarbeiter*innen tauschen sich per Mail mit ihnen aus und besuchen die Treffen der Willkommensinitiative. Die Geflüchteten wüssten sehr zu schätzen, wie sie in Biesenthal aufgenommen werden.
„Wir können nicht einfach an den amtlichen Verfahren vorbeiarbeiten“, erklärt Hamoud, die es verständlich findet, dass Verwaltungsprozesse für Laien schwer nachvollziehbar sind. Die administrativen Aufgaben müssten Hauptamtliche wie sie übernehmen. Doch Ausflüge in Museen, selbstorganisierte Deutschkurse oder Kochabende könnten sie als Sozialarbeiter*innen nicht auch noch leisten. Darum sei es wichtig, dass sich die Menschen in Biesenthal einbringen.
Etwa 15 von ihnen engagieren sich in der Biesenthaler Willkommensinitiative. Darunter Vanessa Ebenfeld, die Mutter zweier Kinder gibt seit Ende November einmal in der Woche freiwillig Deutschunterricht im Biesenthaler Kulturbahnhof. Dort trifft sich die Initiative regelmäßig. Auch Josephine Löwenstein gehört dazu. Die Pädagogin lebt ganz in der Nähe der Unterkunft, schon bei der ersten Info-Veranstaltung in Biesenthal Mitte September war sie dabei. Als sie an einem Februartag das Heim besucht, ist es draußen schon dunkel. Die Geflüchteten begrüßen sie freudig. Niemandem muss Löwenstein erklären, warum sie da ist.
Noch bevor sie sich an den Tisch im Gemeinschaftsraum setzt, legt sie lächelnd die neueste Biesenthaler Amtsblattausgabe auf den Tisch. Sie hat dafür einen Artikel geschrieben, in dem sie von Freiwilligenunternehmungen mit den Geflüchteten berichtet. „Es ist wichtig, dass man zeigt: Das sind unsere Nachbarn“, sagt Löwenstein. Auch in Biesenthal gebe es Menschen mit Vorurteilen gegen Geflüchtete. 2019 wählte dort fast jede*r fünfte AfD bei der Landtagswahl.
Der Goldene Löwe, die Kulturbühne im alten Ortskern von Wandlitz, soll um 1900 erbaut worden sein. Mittlerweile ist er aber modern eingerichtet, ein Ort für Faschingstanz und Pianokonzerte. Am 6. Februar jetzt nehmen sich die Gegner*innen der geplanten Unterkunft im Ortsteil Klosterfelde den Raum. Wenige Schritte vom Mikrofon entfernt sitzt Rico Brauer bei den Mitgliedern des Ausschusses. Er ist Rechtsanwalt und der Ortsvorsteher von Klosterfelde.
Zurückgelehnt hört das Mitglied der Fraktion Bündnis Klosterfelde zu, wie Bürger*innen über Geflüchtete herziehen. Am Tag danach wird er der taz erklären: „Das Problem ist, dass die Menschen nicht mitgenommen werden.“ Sie seien zu spät über die Unterkunft informiert worden. Selbst er habe erst davon erfahren, als der Umbau schon im Gang gewesen sei. Von der Hofeinfahrt seiner Kanzlei in Klosterfelde schaut man direkt auf die geplante Unterkunft. Auch Brauer ist gegen sie.
Keine Wohnsituation auf Dauer
Wie Biesenthal hat Klosterfelde einen Bahnhof ohne direkte Anbindung nach Berlin, das etwa 25 Kilometer weit entfernt ist. Die Unterkunft in Klosterfelde läge keine fünf Minuten vom Bahnhof entfernt, in einem alten Bürogebäude im Gewerbegebiet. Das ist auch die offizielle Begründung im Antrag gegen die Unterkunft: Dauerhafter Wohnraum auf Gewerbegebiet ist baurechtlich nicht vorgesehen. Der Eigentümer scheiterte seit Jahren daran, dort Mietwohnungen zu errichten. Allerdings ist eine Übergangsunterkunft für Geflüchtete keine auf Dauer ausgelegte Wohnsituation.
Rico Brauer führt zudem an: die lokale Infrastruktur stehe schon jetzt unter Druck. Fehlende Plätze in Kindergärten und Schulen, zu wenige Arztpraxen und kaum ehrenamtliche Kapazitäten für eine gute Integration. Deshalb versuche er, die Unterkunft zu verhindern. Mit der taz spricht Brauer vorsichtig. „Ich weiß ja, wie Sie berichten.“
Die rassistischen Narrative, die Bürger*innen während der Sitzung des Hauptausschusses vorgetragen haben, „stören mich natürlich“, sagt Brauer. Aber konkret darauf angesprochen, dass Bürger*innen den Geflüchteten Gewaltverbrechen wie Messerstechereien und Vergewaltigungen unterstellen, weicht Ortsvorsteher Brauer diplomatisch aus: „Mit dem Thema Sicherheit habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt.“
An anderer Stelle zeigte Brauer weniger Bedenken, sich zum Thema Sicherheit zu äußern. Der parteilose Wandlitzer Bürgermeister Oliver Borchert wirft ihm als Klosterfelder Ortsvorsteher deshalb vor, er habe „fremdenfeindliche Stigmatisierungen“ in der Einladung zu einer Info-Veranstaltung verwendet. Außerdem habe Brauer in einer Gemeindevertretersitzung im Dezember die geplante Unterkunft mit Gewaltverbrechen in Zusammenhang gebracht. Gegen die Vorwürfe hat der Ortvorsteher nun angekündigt, sich rechtlich zu wehren.
Bei der Versammlung am 6. Februar im Goldenen Löwen darf Rico Brauer allerdings nichts sagen: Als der Antrag gegen den Umbau zur Geflüchtetenunterkunft aufgerufen wird, stellt Bürgermeister Borchert dessen Mikrofon ab. Weil nicht nur seine Kanzlei, sondern auch sein Wohnhaus in unmittelbarer Nähe der geplanten Unterkunft liegen, gilt Brauer als befangen. Die brandenburgische Kommunalverfassung verbietet befangenen Ehrenamtlichen, dito auch einem Ortsvorsteher, „weder beratend noch entscheidend“ an sie betreffenden Angelegenheiten mitzuwirken.
Lauter Protest
Rico Brauer hat dafür kein Verständnis. Wütend knallt er seine Sachen auf den Tisch und protestiert laut. Doch ohne Mikrofon ist er hinten im Saal kaum zu verstehen. Im Goldenen Löwen bricht Tumult aus. „Ich will hören, was Herr Brauer sagt“, ruft eine Frau. Ein Mann schlägt brüllend vor: „Lasst uns darüber abstimmen!“ Mittlerweile stehen zwei weitere Polizeibeamte im Foyer, einer lächelt mild, als wolle er die Menge beruhigen. „Dem wird das Lächeln noch vergehen“, sagt ein Mann. Rico Brauer kommt nicht mehr zu Wort.
Im brandenburgischen Verfassungsschutzbericht taucht Klosterfelde auf, weil die Nazi-Bruderschaft „Barnimer Freundschaft“ dort ihr Clubhaus betreibt. Aber ist ganz Klosterfelde gegen die Unterkunft? Nein, es gibt in dem kleinen Ort auch Menschen, die Geflüchtete willkommen heißen. Zum Beispiel Isabelle Czok-Alm. Sie ist Mitglied des Landesvorstands der Linken in Brandenburg, lebt in Klosterfelde, und als sie am vergangenen Montag den Goldenen Löwen betritt, wird sie gleich begrüßt: „Sie haben gerade noch gefehlt.“
Irgendwo aus der Menge beschimpft sie jemand als „Zecke“. Scheinbar unbeeindruckt schiebt sich Czok-Alm an den Menschen vorbei. Aber kalt lasse sie die Situation nicht, sagt sie wenig später im Gespräch. „Mich entsetzt das. Ich kenne einige von denen ja persönlich. Entweder haben die mir über Jahre etwas vorgespielt oder …“ Das Oder lässt sie offen. In den vergangenen Wochen sei das Verhältnis zu diesen Menschen völlig abgekühlt.
Schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 habe es zwar eine ähnliche Diskussion um eine Unterkunft, habe es pöbelnde Rechte gegeben. „Aber die hatten damals keine Lobby in Form eines gewählten Gemeindevertreters als Ortsvorsteher oder der in den Parlamenten sitzenden AfD.“ Czok-Alm vermutet, dass der Protest von den Netzwerken profitiert, die sich in der Coronaleugner*innen-Szene gebildet haben.
Im Goldenen Löwen schiebt der Hauptausschuss jetzt am Montag die Entscheidung darüber, ob die Gemeinde Wandlitz dem Umbau zur Unterkunft zustimmt, einstimmig weiter in die Gemeindevertretung. Dort sitzen mehr gewählte Gemeindevertreter*innen als im Ausschuss. Das hat mehr Legitimität, so die Hoffnung. Kaum ist der Punkt durch, folgt eine fünfminütige Pause, in der sich der Saal fast vollständig leert. Die Menschen sind wegen der Unterkunft gekommen, nicht wegen Wandlitz oder Klosterfelde. Auch Ortsvorsteher Rico Brauer geht. Nur sein Namensschild bleibt auf dem Tisch zurück.
Ein paar Tage nach dem Ausschuss haben sich zum ersten Mal 24 Menschen in Klosterfelde getroffen und Ideen ausgetauscht, wie sie den Geflüchteten beim Ankommen helfen können. Isabelle Czok-Alm war auch dabei: „Das war ein positives Signal. In Klosterfelde gibt es auch andere Stimmen.“
Hinweis: Eine Mitarbeiterin der taz engagiert sich in der Willkommensinitiative in Biesenthal. Sie hat nicht an diesem Text mitgewirkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen