Zehn Jahre Demos gegen Stuttgart 21: Protestkräfte besser einsetzen
Das Aktionsbündnis hat Recht behalten. Es wäre aber besser, das Unabwendbare zu akzeptieren und Einfluss auf das frei werdende Gelände zu nehmen.
Z ehn Jahre lang Woche für Woche hunderte Bürgerinnen und Bürger auf die Straße zu bringen, 500 Mal gegen das irrwitzigste Verkehrsprojekt der Republik demonstrieren – dafür braucht es Überzeugungskraft und Durchhaltevermögen. Das Stuttgarter Aktionsbündnis hat beides bewiesen. Selbst dann noch, als ihnen die Mehrheit der Menschen in Baden-Württemberg und sogar in Stuttgart bei der Volksabstimmung eine Niederlage bereitet hat.
Die S21-Gegner haben mit fast allen ihren Befürchtungen bisher Recht behalten. Mit der Kostenexplosion zum Beispiel. Aber am Ende geht es bei Stuttgart 21 nicht um Leben oder Tod, sondern „nur“ um einen Bahnhof. Allerdings mit derzeit 8,3 Milliarden Euro Gesamtkosten den wahrscheinlich teuersten der Welt. Und noch dazu einen, bei dem nicht geklärt ist, ob er dem Verkehrsaufkommen gewachsen sein wird. Aber inzwischen ist der Bau des Tiefbahnhofs und der neuen Streckenführung so weit fortgeschritten, dass das Projekt nicht mehr umkehrbar ist, auch wenn die Gegner noch immer an einem Rückbauplan schreiben.
Besser wären die Protest-Kräfte eingesetzt, wenn die Bewegung das inzwischen Unabwendbare akzeptieren würde und sich ab jetzt geschlossen für eine Kombi-Lösung aus Tiefbahnhof und einem zusätzlichen Nahverkehrsbahnhof einsetzen würde. Eine Lösung, die sicherstellt, dass Stuttgart nicht zum Nadelöhr wird, wenn die Bahn, wie angekündigt, künftig ihr Verkehrsaufkommen verdoppeln möchte. Und außerdem sollten die Kritiker der Stadt streng auf die Finger schauen, wenn der Bebauungsplan für das frei werdende Gelände mitten in der Stadt entworfen wird.
Wer auch immer Stuttgart nach der Oberbürgermeisterwahl im Herbst regieren wird: Es sollte klar sein, dass das neue Stadtviertel kein Luxus-Ghetto werden darf, sondern vor allem bezahlbaren Wohnraum in einer der teuersten Städte Deutschlands bieten muss. „Oben bleiben“, der Slogan der Gegner, hat sich überlebt. „Oben sozial – unten leistungsfähig“ könnte der Schlachtruf für die nächsten 500 Montagsdemos lauten.
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