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Zahl hat sich in einem Jahr verdoppeltEine Million Balkonkraftwerke

Immer mehr Menschen erzeugen mit kleinen Solaranlagen Strom. Oft rechnet sich das schon nach wenigen Jahren. Bei der Energiewende hilft es begrenzt.

Rechnet sich schnell: Schon nach wenigen Jahren kann sich ein Balkonkraftwerk bezahlt machen – je nach Standort Foto: Stefan Sauer/dpa

Bonn/Berlin dpa | Es gibt rund eine Million Balkonkraftwerke in Deutschland. Ihre Zahl hat sich damit binnen eines Jahres etwa verdoppelt, wie aus Zahlen des Marktstammdatenregisters und Schätzungen des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) hervorgeht.

„Wir gehen davon aus, dass das einmillionste Steckersolargerät bereits in Betrieb ist, weil noch Nachmeldungen bei der Bundesnetzagentur ausstehen“, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.

Balkonkraftwerke – offiziell heißen sie Steckersolargeräte – sind kleine Solaranlagen. Oft werden sie an Balkonen befestigt – daher der Name -, dies ist aber nicht zwingend. Ihre Anschlussleistung ist auf 800 Watt begrenzt. Bei Sonnenschein speisen sie ihre Leistung über eine Steckdose in das heimische Netz des Besitzers ein, der dadurch weniger Strom von seinem Versorger beziehen muss.

Diese Ersparnis ist der finanzielle Ertrag der Anlage. Erzeugt sie mehr, als man selbst verbraucht, wird der Überschuss entgeltfrei ins Netz eingespeist. Geräte mit eigenem Stromspeicher gelten laut BSW nicht als Steckersolargeräte, für sie gelten etwas andere Regeln.

Offiziell noch keine Million

Das Marktstammdatenregister wies – Stand Dienstag – 975.583 Anlagen in Betrieb aus. Weitere rund 20.000 sind vorübergehend oder endgültig stillgelegt. Die Zahlen des Registers laufen typischerweise der tatsächlichen Zahl der Balkonkraftwerke etwas hinterher. Darauf weist auch die Bundesnetzagentur hin.

Grund dafür ist einerseits die einmonatige Nachmeldefrist, andererseits werden manche Anlagen trotz Verpflichtung schlicht nie angemeldet. Die halbe Million war Anfang Juni 2024 geknackt worden, also vor ziemlich genau einem Jahr.

Ein Ende des Wachstums sei nicht in Sicht, heißt es vom BSW. Ein relevanter Teil der Bevölkerung könne sich vorstellen, eine solche Anlage einzurichten.

Dazu tragen auch Regelungen der alten Bundesregierung bei. Diese habe in den vergangenen Jahren die Nutzung von Balkonkraftwerken deutlich vereinfacht, unter anderem mittels einer Erlaubnispflicht durch Vermieter und Wohnungseigentümer. Die ursprüngliche Initialzündung für den Boom der Anlagen waren die hohen Strompreise nach Beginn des Ukraine-Krieges.

Hoffnung auf die Innenstädte

„Nachdem Solardächer in Eigenheimsiedlungen längst Standard sind, wird der Solarboom auf Balkonien nun zunehmend auch das Bild der Innenstädte prägen“, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Körnig. „Immer breitere Bevölkerungsschichten profitieren von der solaren Energiewende.“

Die Investition rechne sich – je nach Kosten, Standort und eigenem Stromverbrauch – in der Regel schon nach wenigen Jahren. Dazu trägt auch bei, dass die Preise für die Geräte in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind.

Balkonkraftwerke sind für die Energiewende vor allem von Bedeutung, weil sie Menschen die Möglichkeit geben, direkt daran teilzunehmen und davon zu profitieren. Ihr Anteil an der bundesweiten Stromerzeugung ist eher gering.

Zusammen kommen die aktuell registrierten Anlagen auf eine maximale installierte Leistung von rund 0,9 Gigawatt. Alle Solaranlagen Deutschlands – also inklusive Dächern, Freiflächen und ähnlichem – kommen auf mehr als das Hundertfache.

Die meisten gibt es in NRW und Bayern

Die bundesweit meisten Balkonkraftwerke sind mit 194.077 in Nordrhein-Westfalen im Betrieb. Dahinter folgt Bayern mit 148.284 Eintragungen im Marktstammdatenregister. Auch hier gilt, dass die tatsächlichen Zahlen etwas größer sein dürften, beispielsweise NRW also die Grenze von 200.000 wahrscheinlich bereits überschritten hat.

Im Kampf um Platz drei hat Niedersachsen die Nase mit 127.879 eingetragenen Anlagen in Betrieb derzeit minimal vor Baden-Württemberg mit 127.665.

Dahinter folgen Hessen mit 73.898, Rheinland-Pfalz (58.085), Sachsen (54.415), Schleswig-Holstein (41.106) und Brandenburg mit 34.157 Anlagen. In Sachsen-Anhalt sind es 26.576, in Thüringen 25.706 und in Mecklenburg-Vorpommern 20.838. Berlin kommt auf 18.445, gefolgt vom Saarland mit 12.130.

Die wenigsten Anlagen finden sich in Hamburg mit 7.202 und Bremen mit 5.118. Die Dichte ist dabei gerade in Stadtstaaten geringer – unter anderem, weil weniger Menschen über geeignete Orte zur Installation verfügen.

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10 Kommentare

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  • 1 GW ist mal nicht nichts. Eine tolle Errungenschaft. In ein paar Jahren wird dieser kostenfrei eingespeiste Strom der Speicherung und Elektrolyse zur Verfügung stehen. Es braucht PV an jeder Ecke und Kante. Dazu natürlich auch den Netzausbau, nicht zu vergessen.

  • "Ihr Anteil an der bundesweiten Stromerzeugung ist eher gering."



    Was durchaus positiv zu bewerten ist. Da nicht abregelbar, verschärfen sie die Probleme der PV-Netzintegration. Siehe auch:



    www.smard.de/page/...article/444/216808

  • Ich bewerte den von mir erzeugten Strom stündlich mit dem Börsenpreis. Sein gemittelter Wert beträgt seit September 3.18 Ct/kWh und im Juni bisher 2.04 Ct/kWh. Strom, den niemand haben und bezahlen will, wäre normalerweise nicht anders sondern gar nicht erzeugt worden, seine Kohlendioxidersparnis ist null.



    In die eigene Tasche gewinne ich mit jeder selbstgenutzten kWh 30 Ct auch in Zeiten negativer Börsenpreise. Der Haupteffekt dabei sind die gesparten und schmarotzten Steuern und Netzgebühren, die jetzt Ärmere als ich für mich mitbezahlen.

  • Cool.

  • Die Zahl könnte locker bei 10 Millionen liegen, wenn ein Balkonkraftwerk unabhängig der Größe genehmigungsfrei benutzt werden darf.

    Einfach kaufen, anschließen (von mir aus auch durch Fachpersonal) und sich unabhängig von Stromkonzernen machen. Ohne Eintrag ins Marktstammdatenregister, also ohne dass die Regierung weiß, wer ein Balkonkraftwerk betreibt. Ohne, dass der Vermieter das weiß, und ohne dass jemand mit "Baurecht" klugscheißen kann.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Und wenn dann das Stromnetz - wie in Spanien passiert - zusammenbricht, weil es keine abwurffähigen Lasten mehr hat, dann heulen wir alle ganz laut rum. Dann sind da Trump, Putin und Orban schuld. Nur nicht wir selbst mit unserer furchtbaren, ideologiegetriebenen Energiepolitik.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Bauliche Veränderungen, dazu gehören auch Balkonkraftwerke, benötigen selbstverständlich die Zustimmung des Vermieters. Auch die anderen Regelungen sind sinnvoll, um die Netzstabilität zu gewährleisten.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Jeder Mieter schließt in der Wohnung Deckenleuchten selbst an. Wo ist der Unterschied zum Netzkabel eines Wechselrichters? Der Bohei um den "verbraucherfreundlichen Stecker" ist albern.



      Dabei wird das wichtige Thema komplett ignoriert. Solarpaneele sind groß, schwer, scharfkantig und aus splitterndem Glas. Unter meinem Balkon spielen Kinder. Ich habe mehr oder weniger die teuersten Halter verbaut, die ich finden konnte. Wenn ich sehe, was da sonst so alles angeboten und von pfuschenden Laien verbaut wird, wird mir anders. An der Stelle wäre eine geforderte Abnahme durch eine ausgebildete Fachkraft nicht verkehrt. Die Gefahr entspricht der durch große Leuchtreklamen, also sollten die Anforderungen auch dieselben sein.



      Wenn selbst vom Berliner Bahnhof Teile auf den Gehweg fallen, kann ich mir gut ausmalen, was wir in den kommenden Jahren alles über Balkone lesen werden.

  • Die Zahl der Balkonkraftwerke pro Bundesland halte ich für relativ irrelevant. Natürlich hat NRW mit der größtes Population die Nase vorn. Wie wäre es mit Balkonkraftwerke pro Kopf nach Bundesland?

    • @Freddy90:

      War auch mein erster Gedanke. Im Prinzip nur eine Aufzählung der größten Bundesländer.