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Wohnungsnot in BerlinSchlechtes Tauschgeschäft

Die einen haben zu viel Platz, andere zu wenig: Per Wohnungstausch könnte Wohnraum gerecht verteilt werden. Doch der Wechsel gelingt nur selten.

Viele Vermieter wollen am Wohnungstausch verdienen Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Die Wohnung, die Jürgen Klimmeck auf dem Onlineportal Kleinanzeigen anbietet, ist der Traum vieler Wohnungssuchender in Berlin: Dreieinhalb Zimmer, 105 Quadratmeter, gute Lage innerhalb des S-Bahn-Rings, und das alles für 900 Euro kalt im Monat. Seit sein Vater in ein Pflegeheim in Weißensee gezogen ist, möchte Klimmeck die Wohnung, in der nur noch seine 84-jährige Mutter lebt, gegen eine kleinere in der Nähe des Pflegeheims tauschen. Doch auch nach Monaten blieb die Suche vergeblich.

Wie Klimmeck hoffen immer mehr Menschen mit einem Wohnungstausch die Tücken des Berliner Wohnungsmarktes umgehen zu können – doch nur selten gelingt der Wechsel. Gründe, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, gibt es viele. Etwa wenn Menschen nach dem Auszug ihrer Kinder ihre Wohnung zu groß geworden ist oder wenn sich Part­ne­r:in­nen oder eine WG trennen.

Die Preise waren mindestens genauso hoch wie bei der alten Wohnung. Und das bei halber Größe.

Jürgen Klimmeck, Mieter

Doch Klimmeck machte schnell die Erfahrung, dass es auf dem freien Markt kaum attraktive Angebote für seine Mutter gibt: „Die Preise waren mindestens genauso hoch wie bei der alten Wohnung. Und das bei halber Größe.“

Der hohe Unterschied zwischen Angebots- und Bestandsmieten führt dazu, dass viele Menschen lieber in ihrer unpassenden, aber wenigstens noch bezahlbaren Wohnung bleiben, als die horrenden Quadratmeterpreise eines neuen Mietvertrags zu bezahlen. Als Folge des als „Lock-in-Effekt“ bekannten Phänomens bleiben Tausende Quadratmeter wertvoller Wohnraum ungenutzt, während junge Familien in beengten Verhältnissen keine größere Wohnung finden.

Auf guten Willen der Ver­mie­te­r:in­nen angewiesen

Darüber, wie groß die Potenziale in Berlin sind, gibt es keine Daten. Eine Kurzstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaft geht davon aus, dass 6 Prozent der Wohnungen in deutschen Großstädten deutlich über oder unterbelegt sind.

„Der Wohnungstausch könnte in der Theorie dazu führen, dass Haushalte, die von einem etwaigen Lock-in-Effekt betroffen sind, tatsächlich Wohnungen finden, die ihrem Bedarf entsprechen und die aufgrund von bestehenden Mietverträgen erschwinglicher sind als Neuvertragsmieten“, erklärt Niklas Gohl, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Potsdam.

Doch Anspruch auf einen Wohnungstausch haben Mie­te­r:in­nen bislang nicht. Wer auf Kleinanzeigen.de, Immoscout oder spezialisierten Wohnungstauschportalen wie tauschwohnung.com eine Wohnung zum Tausch anbietet, ist auf den guten Willen der Ver­mie­te­r:in­nen beider Tauschpartner angewiesen.

In den meisten Fällen bedeutet dies einen saftigen Aufschlag. „Letztendlich ist der Wohnungstausch ein Mieterwechsel mit Abschluss eines neuen Mietvertrages“, sagt Wibke Werner von Berliner Mieterverein. Anfragen zu Wohnungstauschen bekomme sie viele, erfolgreich seien die wenigsten.

Mieterhöhung bei Tausch häufiges Hindernis

Auch Klimmecks Wohnungstauscherfahrung verlief ähnlich. Zwar stimmte seine Vermieterin zu, die Miete nicht merklich zu erhöhen, jedoch war es schwierig, eine geeignete Tausch­part­ne­r:in zu finden. Fast hätte er eine geeignete Zweizimmerwohnung in Lichtenberg gefunden, doch die Hausverwaltung der Tausch­part­ne­r:in stellte sich im letzten Moment quer und verlangte eine Mieterhöhung um 30 Prozent. „Das hätte meine Mutter nicht stemmen können“, berichtet Klimmeck. Also musste er wieder absagen. „Für uns war das ein Riesenrückschlag.“

Angesichts stockender Neubauzahlen gerät das Instrument des Wohnungstauschs zunehmend in den Fokus der Politik. Die Idee ist, die schlummernden Potenziale im Bestand zu nutzen und somit den Wohnungsmarkt zu entlasten. „Wohnungstausch ist ein wichtiges Instrument, um bestehenden Wohnraum bezahlbar und gerecht zu verteilen“, sagt Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen.

Bereits 2019 gründeten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ein eigenes Portal, auf dem Wohnungstausch ohne Mieterhöhung möglich ist. Doch nach vier Jahren ist auch hier die Bilanz eher ernüchternd: Von insgesamt 17.000 eingestellten Inseraten konnten lediglich 650 Wohnungstausche erfolgreich abgeschlossen werden.

Angebot und Nachfrage oft nicht passend

Die Gründe für den eher mäßigen Erfolg des Portals seien vielfältig, erklärt David Eberhard vom Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU). Ein wesentlicher Faktor sei, dass deutlich mehr Haushalte eine größere Wohnung suchten als umgekehrt: „Auf einen Haushalt, der sich verkleinern will, kommen fünf, die sich vergrößern wollen.“ Auch seien gerade ältere Menschen seltener bereit, ihr vertrautes Umfeld zu verlassen, und würden eher in betreutes Wohnen oder in ein Heim ziehen, wenn es nicht mehr anders ginge.

Katrin Schmidberger kritisiert hingegen, dass auch das Tauschportal der Landeseigenen nur halbherzig umgesetzt ist: „Ein Onlineportal ist gerade für ältere Menschen nicht niedrigschwellig“, sagt die Grünen-Politikerin. Stattdessen brauche es vielmehr persönliche Ansprachen und Anreize wie Umzugshilfen und -prämien. Auch seien ihr einige Fälle bekannt, bei denen die Landeseigenen den Wohnungstausch weiterhin verwehrt hätten. Letztendlich seien auch die Landeseigenen profitorientierte Unternehmen, die von Neuvermietungsaufschlägen profitierten.

Ein weiteres Problem liegt in dem Grundkonzept des Tauschs: Lage, Preis, Größe, Ausstattung – in den wenigsten Fällen sind all diese Faktoren für beide Part­ne­r:in­nen perfekt. Klimmeck berichtet, dass er in sechs Monaten Suche lediglich fünf ernsthafte Angebote bekommen habe. Jedes Mal sei ein Detail nicht passend gewesen – so sagte eine Interessentin ab, weil sie vier statt dreieinhalb Zimmer benötigte, ein anderer, weil er die Wohnung nicht allein renovieren konnte.

Kein Recht auf Tausch

Damit Wohnungstausch funktionieren kann, müsste also der Bestand potenzieller Wohnungen deutlich vergrößert werden. Das gelingt nur, wenn auch die Wohnungen privater Ver­mie­te­r:in­nen in das Angebot mit aufgenommen werden. Doch ein „Tauschrecht“, wie es etwa in Österreich bereits existiert, müsste auf Bundesebene eingeführt werden. Und eine solche Regelung steht bislang nicht auf der Agenda der Ampelkoalition.

Stattdessen hofft der Senat weiterhin auf den guten Willen der privaten Immobilienriesen. So sieht Giffeys Wohnungsbündnis ein Modellprojekt auf Kiezebene vor, bei dem die Privaten mit einbezogen werden. Passiert ist allerdings noch nichts, das Vorhaben werde derzeit „geprüft“, so ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zur taz.

Letztendlich ist ein funktionierendes Wohnungstauschportal nicht die einzige Möglichkeit, dem Lock-in-Effekt zu begegnen. Da die Ursache vor allem im krassen Unterschied zwischen Angebots- und Bestandsmieten liegt, wäre die Senkung der Angebotsmieten das effektivste Mittel. „Wenn der Mietendeckel über mehrere Jahre Bestand gehabt hätte, hätten wir vermutlich ähnliche Effekte gehabt“, mutmaßt Schmidberger.

Für Jürgen Klimmeck nahm die Wohnungssuche doch noch ein glückliches Ende. Eine Interessentin, die mittlerweile etwas anderes gefunden hatte, erinnerte sich an ihn und schlug seine Mutter als Nachmieterin vor. Probleme, selbst ei­ne:n Nach­mie­te­r:in zu finden, hatte Klimmeck keine – innerhalb weniger Stunden meldeten sich 800 Interessent:innen.

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7 Kommentare

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  • "müsste auf Bundesebene eingeführt werden. Und eine solche Regelung steht bislang nicht auf der Agenda der Ampelkoalition"

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    Ein Riesenproblem, dass Mietsrecht Bundesrecht ist, anstatt das die Länder selber hier die Hoheit haben. So wird in Berlin seit einiger Zeit das Ausweisen vom Möblierungszuschlag diskutiert, aber zwecks fehlender Relevanz auf Bundesebene wohl eher nicht in nächster Zeit kommen. Gleiches Bestandsachutz von Kleinstgewerbe....auch nicht interessant, da "nur" vereinzelt örtlich ein Problem...wtf. Der Mietendeckel wurde ja auch so kassiert, unabhängig was man davon hält....

  • Um Gerechtigkeit am Markt zu schaffen müssen Mieten in Bestandswohnungen mit laufenden Mietverträgen genauso schnell steigen. Dann werden auch die Tauschgeschäfte attraktiver.

  • Ein Recht auf Tausch wäre kompletter Wahnsinn. Wir haben in Berlin eine kleine Wohnung an eine ältere Dame mit Altmietvertrag aus DDR-Zeiten vermietet. Der Vertrag enthält viele für heutige Mieter sehr günstige Klauseln und wir haben fast komplett auf Mieterhöhungen in den letzten Jahren verzichtet, da ein Ende des Mietverhältnisses absehbar wird. Auf gar keinen Fall würden wir aber jetzt einem Tausch einfach zustimmen, selbst wenn der Neumieter bereit wäre eine zeitgemäße Miete zu zahlen.

    • @Šarru-kīnu:

      Warum nicht?

      • @PauKr:

        Neben dem Fakt das DDR-Mietverträge so einige wenig vorteilhafte Klauseln für mich beinhalten, suche ich mir meine Vertragspartner gern selbst aus. Würden Sie gern ungefragt an eine lokale AfD-Größe vermieten wollen, nur weil einer ihrer Mieter auf die Idee kommt zu "tauschen"? Da könnten mir ja unzufriedene Mieter dann echte Kuckuckseier ins Nest legen.



        Außerdem planen wir seit Jahrzehnten die Wohnung für das Studium der Kinder zu verwenden.Wir haben über 2 Jahrzehnte auf die Altmieterin Rücksicht genommen und tun dies natürlich auch noch weiterhin. An einer Fortsetzung eines Mietverhältnisses besteht aber seit vielen Jahren bereits kein Interesse mehr. Für das Stillhalten will ich jetzt aber nicht auch noch bestraft werden.

  • Ich könnte mr vorstellen, dass Wohnungstausch auch an der Logistik scheitert.



    Gerade Wohnungen, die jemand sehr lange bewohnt, müssen meist renoviert werden - wohin also in dieser Zeit mitsamt den Möbeln? Zumindest einer müsste ja irgendwohin in Zwischenmiete und die Möble lagern, während die Wohnung renoviert wird ... auch "nur" Streichen oder neue Böden machen dauert ein paar Tage.

  • Danke für den Bericht über den Wohungstausch, der an der grundlegenden Problematik nichts ändern kann. Eine sehr große Zahl von Wohnungen (vor allem Sozialwohnungen) werden in der BRD jährlich zu wenig gebaut. 700.000 Wohnungen fehlen insgesamt.



    Anerkannte Asylbewerber haben nahezu keine Chance auf eine Wohnung, werden aufgrund der verfehlten Wohungspolitik noch für viele Jahre in Behelfswohnheimen bleiben. Mit den entsprechenden Folgen für deren Integration.



    Die Politik (vor allem Geywitz) ignoriert die Wohnungsnot, setzt vor allem auf steuerliche Abschreibungen, anstatt als Staat bundesweit selbst Wohnungen zu bauen.



    Obwohl das Problem riesig ist, gibt es nicht wie bei der Bundeswehr den politischen Willen, das Problem mit genügend Geld vom Staat zu lösen. Eine Protestwahl vieler Bürger könnte die Folge sein.