Giffeys Wohnungsbündnis in Berlin: Nicht viel besser als nichts
Das Bündnis mit der Immobilienwirtschaft sollte die Wohnungsfrage lösen. Doch die mageren Ergebnisse zeigen, dass Kooperation hier nicht funktioniert.
F ür Franzsika Giffey war es das große Projekt: das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen in Berlin. Die Regierende wollte damit in Rekordzeit ihre Handlungsfähigkeit beweisen und einen Befreiungsschlag gegen die Mietenkrise der Stadt und die Enteigungshoffnungen landen. Also stand sie am Montag bei der feierlichen Vertragsunterzeichnung der verbliebenen Bündnispartner mit drei riesigen Schlüsseln vor den Kameras – löste damit symbolisch die Probleme bei Neubau, Neuvermietung und Mieterschutz. Und dann sagte sie: „Aber wir haben viel, viel mehr geschafft als null Prozent!“
Der Satz stimmt vor allem in der Bestimmung der Relation. Denn die Ergebnisse dieses Bündnisses mit der Wohnungswirtschaft bewegen sich eben doch viel, viel näher am Nullpunkt als an den utopischen Hoffnungen, die vor allem Giffey versucht hatte zu wecken.
Zu ihrem Schaden ist fast kaum jemand auf die große Show hineingefallen. Die Kritiken sind schlecht; Entlastungen werden die Mieter:innen nicht wirklich spüren, keine große Frage ist gelöst. Und wenn Jan Eder, Chef der IHK in Berlin sagt, die Unterzeichnung setze „eine starkes Signal gegen Enteignung“, dann ist das fast ein bisschen lustig.
Richtig ist das Gegenteil. Der kooperative Weg mit den Immobilienkonzernen darf als gescheitert gelten. Nicht weil man sich nicht verständigen könnte – der Vertrag ist fast so umfangreich wie ein zweiter Koalitionsvertrag –, sondern weil auf diesem Weg die größte soziale Frage dieser Zeit nicht zu lösen ist.
Magere Zugeständnisse
Das vermeintlich dickste Zugeständnis der Vermieter ist das Versprechen sich daran „zu orientieren“, die Mieten innerhalb von drei Jahren nur um 11 statt der bislang erlaubten 15 Prozent zu erhöhen. Dem einen oder der anderen wird das ein paar Dutzend Euro Mieterhöhung ersparen. Merken jedoch wird das niemand, erst recht, wenn die Erhöhungen der Nebenkosten bei Gas, Wasser und Strom und die bevorstehenden Nachzahlungen ab Herbst so richtig einschlagen.
Die Vereinbarungen für WBS-Berechtigte – maximal zwei Prozent Mieterhöhung jährlich bis Ende 2023 und Aussetzung der Erhöhung, wenn die Miete damit 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens überstiegt – werden in der Praxis kaum Wirkung entfalten. Die Regeln gelten nur bei den teilnehmenden großen privaten Wohnungskonzernen, für maximal 150.000 Mieter:innen und das auch nur auf Antrag. Dass aber kaum jemand seine Armut vorrechnen will, hat schon dieselbe Regelung bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gezeigt.
Es war ein wichtiges, wenngleich rein symbolisches Signal, dass der Berliner Mieterverein diesen Vertrag am Montag nicht unterschrieben hat und mit seiner Entscheidung die Giffey'sche PR-Show empfindlich störte. Das Signal wurde gehört: Die Mieter:innen sind nicht Teil dieser Vereinbarung, denn sie profitieren nicht davon.
Ganz genauso wichtig aber ist das Signal der Nicht-Unterzeichnung durch den Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, dem Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA), denen die Zusagen an die Mieterinteressen zu weit gingen. Nicht mittragen wollte man etwa die Vergabe jeder zweiten neu gebauten Wohnung an Haushalte mit geringen oder mittleren Einkommen oder von 30 Prozent der Wiedervermietungen an WBS-Berechtigte. Die Botschaft lautet: Wir tun nicht, was unseren Profit auch nur geringfügig schmälern würde.
Deutlicher hätte nicht aufgezeigt werden können, dass an wirklichen gesetzlichen Regelungen kein Weg vorbei führt. Und da Berlin hier derzeit wenig Handlungsspielraum hat, bleibt der eine Weg, der eben möglich ist. Die Enteignung ist dringender denn je.
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