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Wirtschaftsministerin Katherina ReicheLobbyarbeit vom Feinsten

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Die Wirtschaftsministerin hat Nachhilfebedarf in Sachen Energiewende – und lässt sich beraten. Ausgerechnet durch Hilfe eines fragwürdigen Instituts.

Katherina Reiche lässt sich gern mal beraten Foto: Lisi Niesner/reuters

W issenschaftliche Ergebnisse müssen ernst genommen werden – es sei denn, sie sind bestellt. Kurzer Rückblick: Im Jahr 2010 suchte das Bundeswirtschaftsministerium Rat bei der Wissenschaft: Das „Energiewirtschaftliche Institut“ an der Universität Köln sollte herausfinden, was mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland passiert, wenn die deutschen Atomkraftwerke wie geplant abgeschaltet werden.

Nach eingehender Prüfung kam das Institut zum Schluss: Ohne eine Verlängerung der Laufzeiten bricht der Standort Deutschland zusammen. Die Arbeit trug die Überschrift: „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“. Der Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) blieb also gar keine andere Wahl, als seinerzeit die Laufzeiten der deutschen Atomreaktoren bis ins Jahr 2035 zu verlängern.

15 Jahre später sucht das Wirtschaftsministerin wieder Rat: Die jetzige Chefin Katherina Reiche gab bei eben jenem „Energiewirtschaftlichen Institut“ ein Gutachten zum „Stand der Energiewende“ in Auftrag, um danach politische Entscheidungen zu treffen. Als ob das Ministerium nicht selbst wüsste, wie es um die Energiewende steht! Und wie damals dürfte das Ergebnis schon feststehen. Die Gründungsfinaciers des Instituts sind nämlich unter anderem Eon und RWE, also jene einstigen Atom- und Fossilkonzerne, die gar kein Interesse an einer grünen Zukunft haben. Seit dem ersten Tag ihres Amtsantritts lobbyiert die Ex-Managerin von Westenergie – einer Eon-Tochter – für neue Gaskraftwerke. Es dürfen Wetten abgeschlossen werden, was im bestellten Gutachten stehen wird.

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Nach der Laufzeitverlängerung 2010 ereignete sich wenige Monate später der GAU in Fukushima, von einem Tag auf den anderen schaltete die Merkel-Regierung fast die Hälfte der deutschen Atomkraftwerke ab. Markus Söder – damals Umwelt- und Gesundheitsminister in Bayern – drohte mit Rücktritt, falls nicht auch die anderen Reaktoren schleunigst folgen. Was passierte? Die deutsche Wirtschaft brach nicht zusammen. Das Gutachten war offensichtlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen.

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Nick Reimer
Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.
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13 Kommentare

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  • Also ich warte jetzt erst mal ab, was in dem Gutachten steht, und werde mir danach eine Meinung bilden.



    Vorschussohrfeigen sind m.E. einer sachlichen Diskussion nicht dienlich.

    • @sollndas:

      „Vorschussohrfeigen"



      Damit haben Sie einem alten weißen Mann eine große Freude bereitet. Danke.

  • Eine Lobbyistin betreibt als Leiterin eines Ministeriums selbstverständlich weiter Lobbyismus.

  • Hmmm,

    der Autor behauptet: "Nach eingehender Prüfung kam das Institut zum Schluss: Ohne eine Verlängerung der Laufzeiten bricht der Standort Deutschland zusammen. "

    Habe dazu ChatGPT gefragt, der behauptet:



    "Das Gutachten kam also nicht zu dem Schluss, dass Deutschland „kollabiert“ – sondern dass ein Atomausstieg ökonomisch teurer sein könnte, klimapolitisch aber sinnvoll, wenn die erneuerbaren Energien entsprechend gefördert würden."

    Wem soll man jetzt glauben???

    • @Alter WeißerMann:

      Also hier ist der Link zur damaligen Studie: www.ewi.uni-koeln....r-bundesregierung/



      Eine eindeutige Aussage zur Kernkraftverlängerung habe ich nicht gefunden. Aber ansonsten sind die damaligen Prognosen so TOTAL daneben, dass es lächerlich wird. Photovoltaik z.B. spielt bei denen bis 2050 überhaupt keine Rolle.

    • @Alter WeißerMann:

      Ad fontes, hieß das früher mal. Zu den Quellen. www.ewi.uni-koeln.de/de/publikationen/ (Archiv) wäre evtl. ein Beginn? Noch ist unser Textverständnis besser als das einer KI.

    • @Alter WeißerMann:

      Vorerst niemandem, auch nicht ChatGPT. Besorgen Sie sich die Studie - sie ist frei verfügbar- und lesen Sie zunächst die Zusammenfassung.

  • „Wir bauen Growian", so zitierte 1981 die linke „Tageszeitung“ ein Vorstandsmitglied des am Bau beteiligten Elektrizitätskonzerns RWE, „um zu beweisen, daß es nicht geht.“



    www.spiegel.de/spi...nt/d-13514476.html

  • Ja, das ist eine RWE-Bude. Nein, auch von denen könnte etwas Gutes kommen, wenn die Bosse gerade im Sommerurlaub den Daumen nicht drauf haben.



    Das Ministerium hat die Qualifikation nach zu viel Jahren Schwarz, Gelb und Rot nicht. Auch Habeck musste Agora-Leute reinholen. Agora-Graichen mit allen Mitteln abzuschießen war auch daher ein zentrales Ziel der Fossil-Dinos, wir erinnern uns.

    • @Janix:

      Graichen hat sich selbst ins aus befördert, indem er bei einer Postenvergabe nicht sauber gearbeitet hat. Auch grüner Filz ist nicht akzeptabel.

      Das EWI wird seit 2019 vom Land NRW grundfinanziert. Das ist keine RWE-Bude mehr. Hier fehlt in den taz-Artikeln eine genauere Analyse ob und was sich dadurch geändert hat.

      • @MK:

        Merz, Spahn, Dobrindt, Reiche, Linnemann, Frei, Ploß, Kuban, etc. etc. etc. (ich kann nicht alle aufzählen, habe nur 1200 Zeichen zur Verfügung) - der schwarzbraune Filz scheint nicht von Interessie zu sein, wenn man wegen einer einzigen grünen Personalie hetzen kann.

  • Die Politik der CDU hat endlich neben einem Gesicht auch einen Namen, den sie verdient. Politik von Reiche für Reiche. Zynischer hätte man es nicht machen können.