Wirtschaftsministerin Katherina Reiche: Lobbyarbeit vom Feinsten
Die Wirtschaftsministerin hat Nachhilfebedarf in Sachen Energiewende – und lässt sich beraten. Ausgerechnet durch Hilfe eines fragwürdigen Instituts.
W issenschaftliche Ergebnisse müssen ernst genommen werden – es sei denn, sie sind bestellt. Kurzer Rückblick: Im Jahr 2010 suchte das Bundeswirtschaftsministerium Rat bei der Wissenschaft: Das „Energiewirtschaftliche Institut“ an der Universität Köln sollte herausfinden, was mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland passiert, wenn die deutschen Atomkraftwerke wie geplant abgeschaltet werden.
Nach eingehender Prüfung kam das Institut zum Schluss: Ohne eine Verlängerung der Laufzeiten bricht der Standort Deutschland zusammen. Die Arbeit trug die Überschrift: „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“. Der Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) blieb also gar keine andere Wahl, als seinerzeit die Laufzeiten der deutschen Atomreaktoren bis ins Jahr 2035 zu verlängern.
15 Jahre später sucht das Wirtschaftsministerin wieder Rat: Die jetzige Chefin Katherina Reiche gab bei eben jenem „Energiewirtschaftlichen Institut“ ein Gutachten zum „Stand der Energiewende“ in Auftrag, um danach politische Entscheidungen zu treffen. Als ob das Ministerium nicht selbst wüsste, wie es um die Energiewende steht! Und wie damals dürfte das Ergebnis schon feststehen. Die Gründungsfinaciers des Instituts sind nämlich unter anderem Eon und RWE, also jene einstigen Atom- und Fossilkonzerne, die gar kein Interesse an einer grünen Zukunft haben. Seit dem ersten Tag ihres Amtsantritts lobbyiert die Ex-Managerin von Westenergie – einer Eon-Tochter – für neue Gaskraftwerke. Es dürfen Wetten abgeschlossen werden, was im bestellten Gutachten stehen wird.
Wie viel Strom braucht Deutschland in Zukunft? Das soll ein Energie-Monitoring zeigen, das Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nach der Sommerpause vorlegen will. Das betraute Institut lässt Böses ahnen. Warum das die Energiewende gefährdet.
Nach der Laufzeitverlängerung 2010 ereignete sich wenige Monate später der GAU in Fukushima, von einem Tag auf den anderen schaltete die Merkel-Regierung fast die Hälfte der deutschen Atomkraftwerke ab. Markus Söder – damals Umwelt- und Gesundheitsminister in Bayern – drohte mit Rücktritt, falls nicht auch die anderen Reaktoren schleunigst folgen. Was passierte? Die deutsche Wirtschaft brach nicht zusammen. Das Gutachten war offensichtlich von falschen Voraussetzungen ausgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Russland und Ukraine
Ukrainische Gebietsabtretungen im Tausch für Frieden?
Kürzungsdebatte im Sozialbereich
Und eure Lösung, liebe Linke?
E-Autos versus Verbrenner
Der gefühlte Freiheitsverlust
Trump setzt Museen Frist
Vorbei mit der Freiheit
100 Tage Merz-Regierung
Kein Rezept gegen rechts
Ökonom über ungerechtes Rentensystem
„Es geht um Umverteilung“