Wintershall-Mediation droht zu scheitern: Der große Exodus
Der Umzug der Firma Wintershall ins Gebäude des NS-Dokuzentrums Hannoverscher Bahnhof steht wohl fest. Die Opferverbände boykottieren die Mediation.
Doch fast jedes nicht ganz junge Unternehmen ist entweder Nachfolger eines NS-Profiteurs oder war selbst ein solcher. Auch die Firma Wintershall Dea hat ZwangsarbeiterInnen beschäftigt, und als bekannt wurde, dass Wintershall in dieses Gebäude ziehen würde, gab es Proteste.
Nicht nur, dass die Opferverbände im Vorfeld nicht beteiligt worden waren: Auch das mangelnde Feingefühl wurde moniert, und der Hinweis, dass Wintershall seine Vergangenheit aufgearbeitet habe, beruhigte die Opferverbände nicht. Es könne verstörend wirken, wenn einstige ZwangsarbeiterInnen oder deren Nachfahren beim Besuch des Dokumentationszentrums, das an die Deportation von 8.000 Juden, Sinti und Roma erinnert, das „Wintershall“-Emblem vorfänden, sagte etwa Arnold Weiß vom Landesverband der Sinti.
Da sich die Opferverbände also mit dem Wintershall-Einzug nicht abfinden wollten, mahnten sie das Schiedsverfahren an, das der Vertrag für diesen Fall vorsieht. Doch Kulturbehörde und Bauherr initiierten stattdessen ein unverbindliches Mediationsverfahren, das Birgit Voßkühler, Präsidentin des Hamburger Verfassungsgerichts, leiten sollte.
Einzug trotz Mediation
Dass Wintershall – unabhängig vom Ausgang der Mediation – auf jeden Fall in das Gebäude ziehen wird, hat der Pressesprecher bereits mehrfach bestätigt. Und weil das so ist, blieben das Auschwitz Komitee und der Landesverband der Sinti gleich dem ersten Mediationsgespräch im Mai fern. Sie seien nicht Vertragspartner und sähen keinen Grund, an einem nicht selbst gewählten Verfahren teilzunehmen, erklärten sie.
Und der Exodus hält an: Dem zweiten Gespräch am 21. Juni blieben auch die Rom und Cinti Union, die jüdischen Gemeinden sowie die Biographie-Gruppe der Stolperstein-Initiative fern – nicht aber Peter Hess, Organisator der Hamburger Stolperstein-Verlegungen.
Er habe am ersten Gespräch teilgenommen, „um die Vertreter der Stadt bei dem Versuch zu unterstützen, die Wohlverhaltensklausel gegenüber dem Investor durchzusetzen“, erklärt Stolperstein-Biograph Ingo Wille. Da aber nach diesem Gespräch nicht zu erwarten sei, dass die Büroflächenvermietung an Wintershall Dea rückgängig gemacht werde, habe eine weitere Teilnahme keinen Sinn.
Auch Rudko Kawczynski, Vorsitzender der Rom und Cinti Union (RCU) ist zornig: Er habe vor wenigen Tagen erfahren, dass die Stadt in dieses „Dilemma“ keineswegs versehentlich hineingeschlittert sei. Im ersten Vertragsentwurf habe vielmehr gestanden, dass der Investor vor der Vermietung Rücksprache mit den Opferverbänden nehmen müsse. Dieser Satz sei später durch vagere Formulierungen ersetzt worden.
Vertrag bewusst geändert
„Wir haben sehr kurzfristig davon erfahren, dass bei den damaligen Vertragsverhandlungen ein Passus, der die jetzige Situation hätte verhindern können, von der Stadt bewusst aus dem Vertrag genommen und durch den jetzigen Text ersetzt wurde“, schreiben auch das Auschwitz Komitee, der Landesverband der Sinti und die RCU in einer Erklärung vom 22. Juni und mahnen die Einhaltung der Nutzungsverträge an. „Als ich erfuhr, dass die Stadt so unprofessionell verhandelt hat, war mir klar, dass die RCU nicht mehr teilnehmen würde“, sagt Kawczynski.
Die einzig in der Mediation verbliebenen Opferverbände wären somit die jüdischen Gemeinden gewesen. „Aber dann wären die Opferverbände nicht mehr breit repräsentiert“, sagt Galina Jarkova vom Vorstand der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Deshalb sei man ausgestiegen. Auch Daniel Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Einheitsgemeinde, sagt, man habe sich kurzfristig zur Absage entschlossen.
Wie es weiter geht, ist unklar; die Kommunikation überlassen Wintershall und Investor in dieser misslichen Lage Birgit Voßkühler. Sie sagt, als Mediatorin trage sie keine Ergebnisverantwortung. „Das tun die Teilnehmenden. Ich bin dafür verantwortlich, dass das Verfahren fair verläuft.“
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