Wilderer gefährden Bussarde und Habichte

Erschießen, Vergiften oder Fangen von Greifvögeln ist laut Bundesregierung eine Gefahr für die Bestände in Deutschland. Dabei ist die Jagd seit den 70er Jahren verboten

Er steht auf Fasane – und steht deshalb selbst im Visier einiger Fasanenzüchter: der Mäusebussard Foto: Marcus Siebert/imageBROKER/imago

Von Andrew Müller

Ihnen geht es nicht um Elefanten, Nashörner oder Tiger: Wilderer in Deutschland erschießen, vergiften und fangen vor allem Greifvögel. Zwischen 2005 bis 2017 wurden hierzulande über 1.000 Fälle illegaler Greifvogeltötungen registriert. So viele, dass die Bundesregierung Wilderei inzwischen als ernstes Problem für den Artenschutz einschätzt, das sich „deutlich negativ auf Populationen auswirken kann“. Bestandsabnahmen wie etwa beim Habicht ließen sich „kaum anders erklären“, heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen, die der taz vorliegt.

Laut dem vom Bund geförderten Projekt Edgar („Erfassungs- und Dokumentationsstelle für Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität“) wurden im Beobachtungszeitraum 890 Mäusebussarde, 200 Rot­milane, 157 Habichte, 78 Turmfalken, 65 Seeadler, 51 Wander­falken, 41 Sperber, 23 Rohr­weihen, 22 Schwarzmilane und 11 Fischadler Opfer von gezielter Verfolgung. Hinzu kamen noch 30 Uhus, die größte heimische Eule, außerdem 11 Waldohr­eulen.

„Wilderei ist auch in Deutschland ein Problem“, sagt Steffi Lemke, Naturschutzexpertin der Grünen. „Erschreckend sind die Zahlen zu Greifvögeln. Jedes illegal getötete Tier ist eines zu viel und bedroht die Artenvielfalt.“ Die Bundesregierung müsse mehr für den Schutz der Wildtiere in Deutschland tun. Lemke: „Es braucht eine bessere Ausstattung der Kontrollbehörden.“

Das ist leichter gesagt als getan, erklärt Alexander Heyd. Er ist Vogelexperte und Geschäftsführer des Naturschutzvereins „Komitee gegen den Vogelmord“, der die Edgar-Studie durchgeführt hat. Zwar sei die Gesetzeslage klar: Alle Greifvogelarten in Deutschland stehen unter Schutz und dürfen schon seit den 1970er Jahren nicht mehr bejagt werden. Aber vor allem in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bayern häuften sich die Vorfälle. „Das eigentliche Drama ist, dass es kaum zu rechtskräftigen Urteilen kommt“, sagt Heyd. Seine Vermutung: Die ermittelnden Behörden hätten meist wenig Ahnung von der Sache. Man halte die Fälle für Ausnahmen und stelle die Ermittlungen aus mangelndem Interesse der Öffentlichkeit häufig ein. Bisher hat Heyd nur gut 70 Verurteilungen gezählt.

Immerhin zeigen sich bei den Verfahren die Motive der Vogelkiller: Etwa die Hälfte der Verurteilten sind Hobby-Geflügelzüchter, die andere Hälfte sogenannte Niederwildjäger. Beide Gruppen sehen ihre privaten Vorlieben durch die Greifvögel bedroht: Den einen machen sie Hühner oder Brieftauben streitig, den anderen Fasane, die sie schießen wollen. Daher, so erklärt Heyd, seien die Meldungen getöteter Greifvögel in Regionen besonders hoch, wo viele Fasane zum Abschuss ausgesetzt werden. Die behäbigen Vögel gelten nämlich als leichte Beute – für Jäger wie Greifvögel gleichermaßen. Die Urteile gegen die Vogelfrevler sind laut Heyd viel zu niedrig: Mal musste ein Hühnerhalter 1.800 Euro für einen getöteten Habicht zahlen, mal ein Fasanenzüchter 2.500 Euro für die Einstellung eines Verfahrens wegen eines gefangenen Mäusebussards.

„Selbstverständlich verurteilen wir die Greifvogel-Wilderei zutiefst“, sagt dazu Elena Finke vom Verband Deutscher Brieftaubenzüchter. „Bei jeder Gelegenheit“ weise sie die „Züchter ausdrücklich darauf hin, dass Greifvögel geschützt sind“.

Wenig Schuldbewusstsein auch beim Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter: „Wenn es das heute noch geben sollte, dann nur klammheimlich“, erklärt dessen Präsident Christoph Günzel. Er gibt zu: „Das Problem mit den Greifvögeln gibt es, aber die meisten unserer Mitglieder nutzen Volieren, um ihre Tiere zu schützen.“