Widerstand gegen Klimazerstörung: Gewalttätig sind die Konzerne

Der Druck muss erhöht werden: Sabotageakte gegen klimaschädliche Produktionsformen sind legitim – nicht aber Zerstörungen von Privateigentum.

Eine Frau wirft Akten aus einem Fenster

Extinction Rebellion besetzen Büroräume im Haus der Wirtschaft Foto: imago

Brauchen die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegungen neue Strategien? Darüber wird gerade kontrovers diskutiert. Im Fokus steht unter anderem der Akt der friedlichen Sabotage. Nach meinem Verständnis stellt das eine Aktionsform dar, die darauf abzielt, zerstörerische Vorgänge von fossilen, agroindus­triellen und sonstigen ressourcenraubenden Konzernen zu sabotieren. Stets, ohne Menschen dabei in Gefahr zu bringen.

Was genau friedliche Sabotage meint, ist diskutabel. Das können Gruppen oder ganze Menschenmassen sein, die die Mittel des zivilen Ungehorsams ausweiten. Blockaden und Besetzungen werden länger als ein paar Stunden oder Tage gehalten und so Prozesse der Zerstörung zum Erliegen gebracht. Ebenso kommen kleinere Aktionsformen in Frage, in denen Gleisbette nutzungsuntauglich gemacht oder Gerätschaften wie Gasterminals, Kohlebagger oder -förderbänder demontiert oder abgeschaltet werden. Auch das Sabotieren von Tiermastanlagen, Produktionsstätten und Lieferstrukturen – etwa von Verbrennungsmotoren oder giftigen Pflanzenschutzmitteln – ist vorstellbar.

Kürzlich hallte eine öffentliche Empörung auf, als ein Klimaaktivist mit einer Warnung für Aufsehen sorgte: Tadzio Müller meinte in einem Spiegel-Interview, wenn die Regierung nicht endlich adäquate Maßnahmen zur Bekämpfung der menschengemachten Klimaerhitzung vollziehe, gebe es ab dem kommenden Sommer „brennende Autos“ in deutschen Innenstädten.

Im selben Interview warnt er schließlich vor der Entstehung einer grünen RAF. Das Ergebnis war eine reißerische Debatte, die an den Anliegen und Entwicklungen innerhalb des breiten Spektrums der deutschen Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegung vorbeigeht, indem sie diese mit gefährlichen Straftaten in Verbindung bringt. Denn was mit der RAF verbunden ist, sind Gewalt, Terrorismus, Entführungen und Mord.

Debatten, die von den eigentlichen Problemen ablenken

Die Medienresonanz darauf war bezeichnend. Von „Klimaschutz heiligt keine terroristischen Mittel“, „Sabotageakte[n] im Sinne einer grünen RAF“, einer „selbsterfüllende[n] Prophezeiung“ oder „Fridays for Terror“ war die Rede, ebenso von „zerdepperte[n] Autoshowrooms, zerstörte[n] Autos …“. Das Zerstören von Privatautos oder Showrooms jedoch hat wenig mit friedlicher Sabotage zu tun. Individuelles Privateigentum zu zerstören, ist individuelle Konsumkritik, mehr nicht. Der Produktionsprozess ist längst abgeschlossen. Was bliebe, wäre eine weitere Spaltung der Gesellschaft – Autofahrende gegen Aktivist*innen.

Die Maschinerien des zerstörenden Kapitals laufen im Hintergrund eifrig weiter. Dass Außenstehende oder konservative und rechte Kräfte nun das friedliche Vorgehen gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen mit einer terroristischen Vereinigung in Verbindung bringen, war zu erwarten. Doch diese Debatte lenkt vom eigentlichen Thema ab.

Der Mythos vom grünen Kapitalismus als Lösung aller Probleme wird weiter aufrechterhalten

Einige Inhalte des neuen Koalitionsvertrags sind das Verdienst von Klima- und Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen. Ins Auge fallen besonders der Kohleausstieg und der Bürger*innenrat. Doch das Versprechen eines früheren und sozialverträglichen Kohleausstiegs bleibt so lange eines, bis es tatsächlich Realität geworden ist. Ein Bür­ge­r*in­nen­rat ist erst gelungen, wenn seine Forderungen erfüllt sind.

Damit aber nicht genug: Von einer tiefgehenden sozialökologischen Transformation sind wir noch meilenweit entfernt. Weder steht eine ernsthafte Verkehrswende oder der Ausstieg aus der fossilen Verbrennung bevor, noch gibt es adäquate Maßnahmen gegen das Massensterben der Arten oder die Vernichtung natürlicher Böden. Der Mythos vom grünen Kapitalismus als Lösung aller Probleme wird weiter aufrechterhalten.

Den Druck erhöhen

Es ist daher wichtig, den Druck zu erhöhen. Friedliche Sabotage kann dabei ein weiteres Instrument sein – basierend auf der Analyse, dass es fossile Konzerne sind, die für die menschengemachte Klimaerhitzung und Ökosystemzerstörung verantwortlich sind. Friedliche Sabotage eröffnet die Möglichkeit, lebensfeindlichen Konzernen auf direktem Wege das Handwerk zu legen und ihre zerstörenden Praktiken zum Investitionsrisiko zu machen.

Gewalttätig sind Konzerne, die millionenschwere Schmutzkampagnen in Auftrag geben, Fake News verbreiten oder mit manipulativen Werbekampagnen die Menschen vom Kindesalter an mit nicht lebensnotwendigen Scheinbedürfnissen vollpumpen. Terror gegenüber dem Leben ist es, die Erdoberfläche in ein irreparables Schlachtfeld zu verwandeln, während die menschengemachte Klimaerhitzung und Ökosystemzerstörung bereits schwere Folgen nach sich ziehen. Diesen Praktiken gilt es den Kampf anzusagen. Bevor die gesamte Erdoberfläche zerrissen, vergiftet und verödet ist.

Die Mittel des friedlichen und kreativen zivilgesellschaftlichen Widerstands sind noch lange nicht ausgeschöpft. Das Mantra der Gewaltfreiheit ist dafür grundlegend. Warum? Weil Gewalt gegen Menschen aus der privilegierten Position der deutschen Klimagerechtigkeitsbewegung heraus moralisch und strategisch abwegig ist. Die gewaltfreien Mittel sind in dieser Demokratie längst nicht ausgeschöpft. Zerstörende Gerätschaften, Infrastruktur und Produktionsstätten mit Werkzeugen oder dem eigenen Körper zu sabotieren, ist keine Gewalt. Wichtig ist es, professionelle Aktionskonzepte zu entwickeln sowie wissenschaftlich fundierte Begründungen und bildgewaltige Erzählungen anzubieten.

Affektiv, wütend und chaotisch wirkender Aktionismus wird keine Früchte tragen. Weder wird er die kapitalistische Produktionsweise verhindern, noch wird man gesellschaftlichen Zuspruch bekommen. Viele von uns sind wütend. Wie diese Wut in gut durchdachte Strukturen transformiert werden kann, haben die Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegungen in den vergangenen Jahren aufgezeigt.

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ist Umwelt­aktivist, Sozialarbeiter und Sozial­pädagoge. Er studiert derzeit im Masterstudiengang Gesellschaftstheorie an der Universität Jena.

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