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Westliche Waffen auf RusslandErst Washington, dann Berlin

Die USA und Deutschland stimmen einem Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium zu – allerdings unter klaren Bedingungen.

Ein ukrainischer Soldat bedient eine Drohne nahe einer russischen Grenze in der Region Charkiw am 25. Mai 2024 Foto: Oleksandr Ratushniak/reuters

Berlin taz | Die Lage in der umkämpften Mil­lio­nen­stadt ­Charkiw in der ­Ostukraine verschärft sich nahezu täglich. Russisches Grenzgebiet ist nur wenige Kilometer entfernt, ukrainische und russische Sol­dat:in­nen kämpfen Haus um Haus. Mehr und mehr fällt es der ukrainischen Armee schwer, Stellungen zu halten. Es mangelt an Munition, Luftabwehr und Personal.

Zunehmend gibt es Meldungen, dass die ukrainische Armee Stellungen auf russischem Territorium angreift – und zwar genau die Positionen, von denen aus ein Angriff koordiniert oder der Nachschub für die russische Armee organisiert wird. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj tourt derzeit durch die Nato-Staaten und wirbt darum, dass militärisches Gerät der Verbündeten auch für diese Einsätze genutzt werden kann.

In dieser Woche sprang ihm Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei und appellierte an die Mitglieder des Bündnisses, dem Begehr zuzustimmen. Die baltischen Staaten sind ohnehin dafür. Allein aufgrund ihrer geografischen Nähe zu Russland herrscht in Estland, Litauen und Lettland die Furcht, dass es auch zu Angriffen auf ihre Staaten kommen kann. Auch aus Skandinavien kam Zuspruch.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach auf seinem Staatsbesuch in Deutschland Anfang dieser Woche davon, dass die Ukraine russische Stellungen „neutralisieren“ können müsse. Und trieb damit die Debatte voran. Beim Treffen der Nato-Außenminister:innen in Prag gab es dann grünes Licht aus den USA. Joe Bidens Regierung erteilte der Ukraine die Erlaubnis, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen.

Einsatz nur völkerrechtskonform

Das ukrainische Militär solle in die Lage versetzt werden, gegen russische Streitkräfte vorzugehen, „die sie angreifen oder sich vorbereiten, sie anzugreifen“, hieß es aus Washington. Aber der Einsatz von US-amerikanischen Waffen auf andere Ziele in Russland bleibe verboten.

Berlin zog am Freitag nach. Die Bundesregierung teilte mit, dass die Ukraine die gelieferten Waffen in Übereinstimmung mit ihren internationalen rechtlichen Verpflichtungen einsetzen dürfe. „Es geht um die Befreiung des ukrainischen Staatsgebiets, und wir haben mit der Ukraine vereinbart, dass die von uns gelieferten Waffen dazu völkerrechtskonform eingesetzt werden“, hieß es. Konkret genannt wurden die Region Charkiw und die Stellungen im nahen russischen Grenzgebiet, aus dem die Angriffe vorbereitet wurden.

Offenbar wurden klare Absprachen zum Einsatz getroffen, die aber geheim bleiben sollen. Die enge Abstimmung mit den USA, Großbritannien sowie Frankreich dürfte dabei ausschlaggebend gewesen sein. Das Pochen aufs Völkerrecht dürfte auch tragen. Nicht gedeckt wären etwa Angriffe auf Wohneinheiten in Russland oder andere zivile Einrichtungen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach von einer strategischen Anpassung an die aktuelle Lage und kündigte auf einem Besuch in der südukrainischen Stadt Odessa ein neues Waffenpaket in Höhe von einer halben Milliarde Euro an.

Droht nun die Eskalation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine? Nato-Chef Stoltenberg sieht diese Gefahr nicht, ebenso Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) oder Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­ker:in­nen von FDP und CDU. Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) wirft den USA und Deutschland vor, mit den bisherigen Beschränkungen „die Effektivität der Kampfführung künstlich beschränkt“ zu haben. Eine Eskalationsangst halte er jetzt für „völlig unberechtigt“, sagte er der taz. „Russland eskaliert seit Langem in der Ukraine mit allen denkbaren grausamen Waffen gegen zivile Infrastruktur und die Zivilbevölkerung – trotz westlichen Zögerns und mangelhafter Unterstützung“, sagte Kiesewetter. Schwäche, Selbstabschreckung, Zögern und Zaudern regten Putin an zu eskalieren.

Der Kurswechsel in den USA und Deutschland hat nicht nur Befürworter. Im EU-Wahlkampf und bei den Landtagswahlen im Osten setzt die SPD auf Besonnenheit im Krieg. Angesichts der Entscheidung wird viel Kommunikation nötig werden. BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht warnte, dass Kanzler Olaf Scholz Deutschland einem „dritten Weltkrieg beängstigend nahe bringe“.

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15 Kommentare

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  • Nicht Scholz bringt die Welt einem dritten Weltkrieg näher. Das tut Putin und jeder, der ihn nicht von seinem Krieg gegen die Ukraine abbringt.

    • @DaBa:

      Ein dritter Weltkrieg ist eigentlich sehr unwahrscheinlich.

      Corona und der Wagner-Aufstand haben gezeigt dass Putin zu sehr an seinem Leben hängt.

      Wenn er könnte würde es sich noch ein weiteres Paar Arme transplantieren lassen damit er mehr Hände hat mit denen er sich daran festklammern kann.

      Er ist sehr eitel, deshalb ist er auch der einzige Staats-Chef (der mir bekannt ist) von dem es mehr Oben-Ohne-Fotos gibt als von Pam Anderson.



      Und er manipuliert Situationen gerne zu seinem Vorteil. Siehe die Sache mit Angela Merkel und dem großen schwarzen Hund.

      In die gleiche Kategorie fällt für mich auch sein Verhalten hier.



      Seine Eitelkeit treibt ihn dazu "russische Erde heim zu holen" und sein Wunsch die Situation zu kontrollieren ist verantwortlich für die regelmäßigen nuklearen Drohungen.



      Er möchte damit einschüchtern weil er hofft er kann doch noch irgendwie gewinnen wenn die Ukraine sich nicht mehr wehren kann.

    • @DaBa:

      Wenn der andere Deeskalieren und zögern als Schwäche interpretiert sind diejenigen die eine solche Strategie verfolgen jene die die Eskalation vorantreiben. Manchmal muss man eskalieren um zu deeskalieren das ist Grundlage von Außenpolitik, manchmal erreicht man das Ziel nur in dem man das Gegenteil von dem tur was man erreichen will.

      • @Machiavelli:

        Die Annahme, dass man Russland die Eskalationsdominanz nehmen ist naiv.

        • @Alexander Schulz:

          Sagen sie das mal den ganzen russischen Matrosen die tot auf dem Grund des Schwarzen Meeres liegen, oder den Raffineriemitarbeitern in Russland die am Arbeitsplatz per Drohne umkamen. Die Ukraine könnte jederzeit eine schmutzige Bombe bauen und die Krim verstrahlen. Eskalieren können beide Seiten.

          • @Machiavelli:

            Glauben Sie ernsthaft, dass eine ukrainische schmutzige Bombe die Eskalationsdominanz von Russland brechen könnte? Was wäre wohl Russland Schritt?



            Übrigens halt ich diesen Ansatz auch für sehr befremdlich.

            • @Alexander Schulz:

              Natürlich ist das eine Eskalation. Die NATO kann eskalieren etc. ihren Fatalismus teile ich nicht.

              " Übrigens halt ich diesen Ansatz auch für sehr befremdlich." Im Kampf ums Überleben ist dem Ukrainischen Volk alles erlaubt, wenn der einzige Weg das eigene das eigene Überleben als Staat und Gesellschaft zu sichern ist, die Drohung mit Massenmord, so ist das legitim.

              Russland kann sich jederzeit zurückziehen, seine Existenz ist nicht gefährdet.

              • @Machiavelli:

                Fatalismus ist es eher anzunehmen, dass die einzige denkbare Lösung ein rein militärischer Ansatz ist.



                Nein, die Ukraine könnte keine schmutzige Bombe benutzen - da würde der Westen nicht die Augen verschließen. Manchmal fehlen mir bei Ihren Ansätzen wirklich die Worte.

                • @Alexander Schulz:

                  Ist auch nur eine Atomwaffe, wenn Russland die Ukraine zum Äußersten treibt ist es selbst schuld wenn diese zum Einsatz kommen. Sollte die Ukraine vor der Vernichtung stehen, hat sie das Recht alles einzusetzen was notwendig ist.

  • 'Droht nun die Eskalation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine? Nato-Chef Stoltenberg sieht diese Gefahr nicht, ebenso Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) oder Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­ker:in­nen von FDP und CDU. Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) wirft den USA und Deutschland vor, mit den bisherigen Beschränkungen „die Effektivität der Kampfführung künstlich beschränkt“ zu haben. Eine Eskalationsangst halte er jetzt für „völlig unberechtigt“, sagte er der taz. '

    Wenn man es die ganze Zeit nicht gemacht hat und nun eben doch, ist das natürlich schon eine qualitative Änderung - unabhängig davon, ob man die Entscheidung an sich nun gut findet oder nicht. Insofern halte ich diese Besteuerungen, dass das eben keine Eskalation darstellt, für das sprichwörtliche 'Pfeifen im Wald' um sich selbst und den Rest zu beruhigen oder halt einfach für eine Lüge.

    Müsste vor einer solchen qualitative Änderungen - weil die Konsequenzen ja eben nicht absehbar sind - nicht eigentlich der Bundestag befasst werden?

    • @EffeJoSiebenZwo:

      nein.



      es gilt das voelkerrecht.



      unabhaengig davon, was der westen tut oder laesst, handelt putin ohnehin so wie er will.

      • @the real günni:

        Ihre Antwort gebt mE an der Frage vorbei: das Völkerrecht regelt die Beziehung zwischen Staaten, meine Frage bezog sich aber auf die innerstaatliche Situation / Legitimation in DE....

    • @EffeJoSiebenZwo:

      Sie haben in dem einen Punkt allerdings Recht: Das hätte schon früher so beschlossen werden sollen, um unnötiges Blutvergießen und Zerstörung zu vermeiden. Diese Sorge vor "Eskalation" ist angesichts dessen, was die Ukraine täglich hinnimmt und der auch Putin bekannten Überlegenheit der NATO unverhältnismäßig.

      • @PeterArt:

        'Diese Sorge vor "Eskalation" ist angesichts dessen, was die Ukraine täglich hinnimmt und der auch Putin bekannten Überlegenheit der NATO unverhältnismäßig.'

        Die Sorgen ist also nicht verhältnismäßig? Also weder geeignet, erforderlich noch angemessen? Weil die NATO überlegen ist? Ich denke, bezüglich einer möglichen Eskalation besorgt zu sein ist angesichts zweier Blöcke mit genügend nukearem Erst- und Zweitschlagspotential durchaus angemessen.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    "... Droht nun die Eskalation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine? Nato-Chef Stoltenberg sieht diese Gefahr nicht, ebenso Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) oder Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­ker:in­nen von FDP und CDU ..."

    Na dann bin ich ja beruhigt. Die genannten Personen verfügen ja über hellseherische Fähigkeiten und sind ideologischer Verengung völlig unverdächtig.



    Das wird Putin sicher beeindrucken und uns vor einer weiteren Eskalation bewahren.

    Und wenn es doch anders kommt, sitzen die genannten Personen als erstes im sicheren Flieger oder belegen einen der extrem seltenen Bunkerplätze in Deutschland.

    Gut, das so für uns gesorgt ist.

    Sarkasmus aus.