Wer von der Ukraine-Krise profitiert: Moskau jubelt über neue Lieferanten
Viele Länder stehen angeblich Schlange, um Lebensmittel nach Russland zu liefern. Sanktionen im Militärsektor werden offenbar umgangen.
BERLIN taz | Es ist eine sehr gezielte Stichelei: „Dutzende“ seien es, „tagtäglich“ flatterten sie rein, die Angebote aus anderen Ländern. Lieferanten für Lebensmittel stehen laut dem russischen Agrarminister Nikolai Fjodorow Schlange in Moskau, um die Lücken zu füllen, die das letzte Woche erlassene Importembargo für Waren aus dem Westen in Russland geschaffen hat.
„Ich kann einige Länder nennen: die Türkei, der Iran, Israel, Marokko, Argentinien, Ecuador, Peru und Brasilien“, listete Fjodorow freudig auf. Seine Botschaft: Die Sanktionen des Westens jucken uns nicht, zudem müsse sich kein Russe sorgen, weil es keinen Käse oder Rotwein mehr aus dem Westen gibt.
Während die EU an diesem Donnerstag die Auswirkungen des Embargos in Brüssel beraten will – vor allem Länder wie Finnland oder Polen sind betroffen –, freuen sich andere am Sanktionskarussell. „Die Nachfrage aus Russland nach türkischen Produkten zog an, nachdem die Beschränkungen im Handel mit den USA und der EU verhängt wurden“, sagte der Chef des türkischen Außenhandelsverbands, Mehmet Buyukeksi.
Bereits in der kommenden Woche werde eine russische Delegation in der Türkei erwartet. Besonders die Nachfrage nach Geflügel und Meeresfrüchten dürfte deutlich steigen, doch könne die Türkei auch mehr Obst und Gemüse liefern, sagte Buyukeksi.
Ägypten will Agrarexporte erhöhen
Auch die Ägypter dürfen sich freuen: Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ägyptischer Kollege Abdel Fattah al-Sisi vereinbarten bereits am Dienstag engere Handelsbeziehungen im Lebensmittelbereich. Ägypten werde seine Agrarexporte nach Russland um 30 Prozent erhöhen, sagte Putin nach einem Treffen mit al-Sisi in Sotschi.
Gleichzeitig meldete die Nachrichtenagentur Itartass die Geschichte von 20 Tonnen Hühnchen aus den USA, die vom Zoll aufgegriffen und zurückgeschickt wurden, weil diese über Kasachstan nach Russland importiert werden sollten.
Im Rüstungssektor werden die Sanktionen derweil offenbar knallhart umgangen. Auf der am Mittwoch gestarteten Oboronexpo, einer Rüstungsmesse in der Nähe von Moskau, werden auch Firmen aus dem Westen vertreten sein.
Einen „gewissen Einfluss“ hätten die Sanktionen schon, sagte ein Messevertreter zur staatlichen Agentur Ria Novosti. Allerdings würden zur Oboroneexpo neben 250 russischen auch je eine Firma aus Deutschland, den USA, Frankreich, Tschechien und der Schweiz erwartet.
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