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Weltwirtschaftsforum in DavosPlötzliches Ergrünen

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt sich klimafreundlich. Doch erst wenn es für Firmen ums Überleben geht, wird sich etwas bewegen.

Die Alpen zwischen Zürich und Davos Foto: Jonathan Ernst/reuters

D ie Klimakonferenzen der UNO haben zu Recht einen schlechten Ruf: Da wird viel geredet und anschließend kaum gehandelt. Der gleiche Vorwurf trifft das Weltwirtschaftsforum in Davos: Wenn sich jetzt wieder die Staats- und Firmenchefs im Schnee treffen, um zu beraten, wie „die Klima-Apokalypse“ zu verhindern sei, ist das absurd.

Sind es doch gerade das Handeln und Nichthandeln in Politik und Unternehmen, die uns immer tiefer in die Klima­krise steuern. Da hilft es auch nicht viel, wenn diese Eliten den CO2-Ausstoß der Veranstaltung kompensieren und aufmerksam der Diskussion „Das 21. Jahrhundert überleben“ lauschen.

Die Debatte könnte hier enden: grüne Heuchler im weißen Davos. Sie fängt hier aber erst an. Denn erstens zeigt das Treffen, dass Unternehmen ähnlich schwer umzusteuern sind wie Staaten; nur wenige Chefs schaffen es, ihr erprobtes Geschäftsmodell so ernsthaft und schnell wie erforderlich von fossilen Rohstoffen zu befreien. Wo die Politik von Wählerstimmen abhängig ist, hängt die Wirtschaft am Profit. Dass Wirtschaftsbosse meinen, sie könnten die Probleme besser lösen als PolitikerInnen, ist weltfremd. Bewiesen haben sie es zumindest noch nicht.

Vorstandschefs können Bilanzen lesen, auch Klimabilanzen. Die Wissenschaft zu ignorieren gefährdet das Geschäftsmodell

Zweitens zeigt das potemkinsche Ökodorf Davos, dass Vorstände auf Druck von außen mindestens so sensibel reagieren wie Regierungen. Ein paar Demos gegen das geheiligte Firmenlogo, schon herrscht Krisenstimmung. Auf den Straßen, vor Gerichten und beim Verkauf ihrer Produkte haben Firmen viele empfindliche Stellen. Wer Klimaschutz will, kann dort Druck erzeugen.

Und schließlich zeigt das plötzliche Ergrünen des Forums: Kapitalisten glauben nicht an Ideen, sondern an Zahlen. Vorstandschefs können Bilanzen lesen, auch Klimabilanzen. Die Wissenschaft zu ignorieren gefährdet dagegen ihr Geschäftsmodell. Sobald das „Weiter so“ teurer wird als das „Verändern wir uns“, werden sie schnell umschwenken.

Wann dieser Punkt erreicht ist, hängt einerseits davon ab, wie man seine Milliarden verdient – der Chef eines Internetkonzerns kann leichter zum Öko werden als der Ölprinz. Andererseits entscheiden darüber Politik und Zivilgesellschaft. Sie können durch Gesetze und Proteste den Preis für den Klimaschmutz hochtreiben und gleichzeitig die Anreize für echten Wandel vergrößern.

Es gibt dafür die Konzepte, das Wissen und das Geld. Aber nur, wenn das „Überleben im 21. Jahrhundert“ zentral für die Kosten-Nutzen-Rechnung von Unternehmen wird, kann Davos etwas bewirken. Wenn nicht, sollten die Besucher lieber Ski fahren. Solange in den Alpen noch Schnee liegt.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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10 Kommentare

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  • "SUV`s sind Verkaufsschlager, die Flug- und Kreuzfahrtbranche boomt wie nie zuvor [...]"

    Welch ein Zufall, dass die den Herstellern die grösste Marge bieten, und dass die grossen Autohersteller sich in Richtung "Marge statt Masse" bewegen (angesichts sinkender Masse).

    Ich wüsste allzugerne wieviel und welche Mittel die Autoindustrie in Massenmanipulation (aka "Werbung") reinsteckt, dass die Leute SUVs kaufen.

  • ..."Doch erst wenn es für Firmen ums Überleben geht, wird sich etwas bewegen."...



    Die Aussage ist erst mal ziemlich banal.



    Für Unternehmen ist das logisch.



    Beim Konsumenten ist diese einfache Formel aber noch nicht angekommen.



    SUV`s sind Verkaufsschlager, die Flug- und Kreuzfahrtbranche boomt wie nie zuvor, der Fleisch- und Kuhbabymilch- Konsum in Deutschland bleibt durchgängig auf hohem Niveau, weltweit steigt der Tierproduktkonsum stetig, immer mehr Elektonik wird gekauft, usw. Alles vom Konsumenten gesteuerte Klimakillerprodukte.



    Unternehmen würden tatsächlich rasend schnell umsteuern wenn die Nachfrage dies verlangen würde. Aber wenn ein spritfressender SUV das liebste nazistische Spielzeug selbstverliebter Autoprotzer ist dann wird die Autobranche eben keine kleinen extrem verbrauchsarme Autos bauen. Wenn der fleischgeile Konsument weiterkonsumiert wie bisher wird klimakillende Massentierhaltung weitergehen, die Flugbranche wird nicht umdenken wenn das Hauptverkehrsmittel in den Urlaub das Flugzeug bleibt. Vertreter dieser Klimakillerbranchen sitzen in Davos. Umdenken Nullansage. Es wird eben weiterproduziert was der Kunde liebt. Und das sind vorwiegend Dinge, die das Klima killen.



    Der Konsument in den reichen klimakillenden Ländern denkt nicht freiwillig um, er ist zu wohlstandsgesättigt und bequem. Leider nur eine extrem hohe Besteuerung auf Klimakiller wie Fleisch, Kuhbabymilch, Autos, Kreuzfahrten, Fliegen usw bis hin zu Verboten würde ein Umdenken erzwingen. Aber erzähl das mal einem Wohlstandsgesättigten. Du wirst als Ketzer an den Pranger gestellt, als religiöser Extremist beschimpft. Da wird dir nahegelegt eine Ökodiktatur zu wollen usw.



    Fazit: Wir werden nicht das Klima killen, das Klima wird uns killen. Und bis dahin munter weiterkonsumieren, nach uns die Sinnflut.....

  • 0G
    05344 (Profil gelöscht)

    Welchen (hässlichen) Preis sind wir dafür bereit zu zahlen?

  • Hauptsache wir ignorieren, dass Unternehmen Gesetze mitschreiben, Rendite gefährdende politischen Ziele auf nationaler oder europäischer Ebene verwässern, verhindern oder unterlaufen. Politik und Kundschaft nehmen empört zur Kenntnis, dass Unternehmen ganz bewusst Gesetze brechen, mit krimineller Energie und organisiert Betrug begehen. Und wir belohnen sie mit hohen Subventionen, Kaufanreizen und durch steigende Absatzzahlen für ihre Produkte.

    Die Rede ist, nur um daran zu erinnern, von dem Abgasbetrug, den Feinstaubbelastungen in Städten, dem Ausspionieren von Glyphosatgegnern, den Verstößen gegen die Gülleverordnung, und, und, und,

    Wir sind weit davon entfernt, dass sich Politik und die Kundschaft von den Konzernen abwenden, die sich weder an Gesetze noch an ihre Versprechungen halten.

    PS: Mit "fossile Rohstoffe" sind wohl nur fossile Energieträger gemeint. Nicht einmal ich möchte in eine Höhle ziehen, und meine Fertigpizza mit einem Faustkeil aus Feuerstein schneiden. ;-)

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Drabiniok Dieter:

      Ihre Schlussbemerkung irritiert mich.

      Wieso denn nicht? Schließlich war das Geschlechterverhältnis damals für uns Kerle noch in Ordnung.

      Was nutzen da heutzutage die vielen Küchenmaschinen und das ganze Gedöns? In den Höhlen gab es (laut Überlieferungen, ich war nicht dabei) noch fröhliche Geselligkeit ... auch wenn die Artikulation rudimentär gewesen sein soll.

      Aber ich bin sicher: das wird schon wieder.

      ^^

  • Betr. Traumschiff Davos:



    „Und schließlich zeigt das plötzliche Ergrünen des Forums: Kapitalisten glauben nicht an Ideen, sondern an Zahlen. … Sobald das „Weiter so“ teurer wird als das „Verändern wir uns“, werden sie schnell umschwenken“



    Müssen „DIE“ Kapitalisten dafür kritisiert werden? Ich würde eher von Interessengleichheit sprechen. Wohl wissend, dass man sich damit in Kreisen links der Mitte unbeliebt macht. Dort gilt nämlich aus ideologischen Gründen immer noch der Glaubenssatz, was „denen da oben“ nützt, schadet „denen da unten“. Auch diese „ewige Wahrheit“ sollte hin und wieder hinterfragt werden!

    • @Pfanni:

      "Müssen „DIE“ Kapitalisten dafür kritisiert werden?"

      Ja.

      "[...] der Glaubenssatz, was „denen da oben“ nützt, schadet „denen da unten“"

      Wie das in der Praxis aussieht können Sie am Klimapaketchen der deutschen Regierung sehen. Das erste, was feststand waren die Entschädigungen an RWE & Co. -- die gehen nicht an deren Arbeiter*Innen, oder?

  • Schöner Beitrag -- und sehr wichtige Gesichtspunkte hinsichtlich einer Strategie für uns, die den Wandel ernsthaft wollen.

    Ein paar Bemerkungen:

    - Ganz ohne degrowth wird es vermutlich nicht gehen. Und das ist für diese Firmenkapitäne eine Horrorvision.

    - Zitat aus dem Beitrag: "der Chef eines Internetkonzerns kann leichter zum Öko werden als der Ölprinz.". Hah. Aber das nur, weil sie die Drecksarbeit (Halbleiterindustrie, Energie, Transport, Verpackung, Müllentsorgung) längst externalisiert haben. Das ist die Uber- und Foodora-Wirtschaft. In grossen Teilen leider nur parasitäre Wirtschaft. Leider. Dass Google und Microsoft etwa so gut im CDP-Report [1] wegkommen sollte unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Wäre eine "Anstiftung zur Umweltschädigung" auch ein Verbrechen, kämen sie nicht so gut weg. Siemens baut ja auch nur Signalanlagen in Australien.

    Und doch... ohne denen, die in diesen Unternehmen arbeiten werden wir es auch nicht schaffen. Danke also für diesen Beitrag.

    [1] taz.de/Partner-des...tsforums/!5655818/

    • @tomás zerolo:

      "- Ganz ohne degrowth wird es vermutlich nicht gehen. Und das ist für diese Firmenkapitäne eine Horrorvision."

      Ein wenig degrowth, also ein wenig weniger Wachstum, wird nicht funktionieren können.



      Das Problem ist, dass es ohne Wachstum keine Innovationen geben wird. Das ist ein Widerspruch, der marktwirtschaftlich nicht lösbar sein wird. Und auch nicht mit einem neuen grünen Deal, der zwar ein schönes Etikett ermöglicht, jedoch klimatechnisch nichts bringt außer Heilsversprechen für Menschen, die sich in der grünen Wolke wohlfühlen wollen.

      In Davos ist das Klimathema zwar angekommen. Aber was ist das für eine frustrierende Situation, wo ein siebzehnjähriges Mädchen gegen den mächtigsten Staatsmann der Welt antritt? Die arme Greta soll nun die Last dieser Welt tragen? Gegen das Kapital und gegen die einflussreichsten Politiker dieser Welt?



      Ohne mutige Menschen, die wirklich etwas verändern und nicht nur den Kapitalismus grün anstreichen wollen, wird Klimaschutz zum bequemen Kampf der Reichen gegen die Armen, indem Preise über Steuern mit dem Etikett "Klimaschutz" erhöht werden.

      Kann Klimarettung (ein blödes Wort) das neue Geschäftsmodell werden, was auch in Davos diskutiert wird? Ja. Aber nur im Sinne von Marketing. Hohle Begriffe wie "Nachhaltigkeit" werden ja heute schon verhunzt zu nichts sagenden Floskeln.



      Und Blackrock ist auch da in Davos und redet von neuen Geschäftsfeldern, wo neue und ungeahnte Profite locken.

      Wo ist Licht am Horizont?

      • @Rolf B.:

        Im grossen und ganzen einverstanden, nur... Pessimismus können wir uns nicht leisten.

        Zwei Punkte: "ohne Wachstum keine Innovationen". Ich glaube, da haben Sie sich einen Bären aufbinden lassen.

        Und: "wo ist das Licht am Horizont?". Ich sehe es bei Leuten wie Ende Gelände, Fridays for Future, etc. Wer, wenn nicht die?